II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 354

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19. Der Ruf des Lebens
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„Der Ruf des Lebens“, Schauspiel von Artur Schnitzler.
Im Deutschen Volkstheater.
Vor dreißig Jahren saß der alte Moser auf seinem Gaul, am Fuße
eines Hügels, hinter dem ein unsichtbarer Feind ein höllisches Konzert un¬
terhielt. Seit vier Uhr morgens saß er da, der Rittmeister vor seiner
Schwadron, es war die dritte der blauen Kürassiere. Front gegen den Feind.
Das war sein Verderben. Denn wäre er umgekehrt gestanden, so wäre er
als Held mit entsprechendem Kendukt (siehe Dienstreglement) aus dem Leben
gegangen. Damals wartete er Stunden und Ewigkeiten. Das Warten er¬
zeugt Langweile, diese macht hungrig, andauerndes, zweckloses Hungern
macht nervös und aus begreiflicher Nervosität reißt Rittmeister Moser plötz¬
lich sein Roß herum und reitet heimwärts. Flucht. Panik, verlorene Schlacht!
Wäre er verkehrt gestanden, so hätte er wohl auch das Pferd herumgerissen,
wäre aber als Held nach „vorn“ durchgegangen. Da hätten wir aber den
„Ruf des Lebens“ nicht vernommen.
Als es für uns einsetzt, ist Moser alt und krank und deshalb, so nehmen
wir an, böse und tyrannisch. Einmal in einem langen Jahr hat er seine sechs¬
undzwanzigjährige Tochter Marie für einen Abend freigegeben, sonst keitet
er sie mit dem krassen Egoismus des hilflosen Alters an seinen Kranken¬
fessel. Damals, an jenem einen Tag, ist Marie die Nacht durch im hell¬
erleuchteten Saale dem Reiteroffizier Max tanzend im Arm gelegen, und das
kann sie nicht vergessen. Genan so ist es dem Bäschen Katharina ergangen.
Und heute hört man durch die Feuster der Krankenstube den klappernden
Hufschlag der Schwadronen, die — in den sichern Tod ziehn. Es sind die
blauen Kürassiere wieder, die einer Bitte ihres Obersten zufolge sich opfern
dürfen, opfern bis zum letzten Mann für Kaiser und Vaterland — um
die Schmach von anno dazumal zu sühnen.
Und bei einem dieser Totgeweihten, dem Leutnant Albrecht, war Ka¬
tharina. Auch sie ist dem Grabe nicht fern, denn schon blühen an ihren
Schläfen die hektischen Rosen. Laut preist sie der aufhorchenden Marie den
Ruf des Lebens und teilt ihr mit, daß „ihr“ Max unter dunklen Reden, wie:
„sie hätte doch kommen sollen, da wäre manches anders“, nach ihr begehre.
Flugs dem Vater den „Schlaf für hundert Nächte“, den ihr ein merkwür¬
diger Arzt gegeben, eingeträufelt und fort zur Kaserne, stolpernd über des
Vaters Leiche.
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