II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 403

chrecklichsten nicht zurückschaudern, um von den
Fesseln befreit hinausstürzen zu können, ins Leben.
Aber sein Stück schließt nicht mit der Disharmonie
des blutigen Esseltes oder der dramatischen Logik,
die eine Sühne als befriedigende Lösung bedingt.
Der Dichter führt den Zuhörer aus der glühenden
Atmosphäre der menschlichen Leidenschaft in die
friedliche Idylle einer abgeklärten Erkenntnis der
Wahrheit, indem er zugleich den Ruf des Lebens
in seiner richtigen Bedeutung erläutert. Sind die
beiden erston Akte Meisterstücke in der Zeichnung
des pulsierenden Lebens und der menschlichen Lei¬
denschaften, so erhebt der letzta Akt in seiner unver¬
Zwecke ihres Daseins verzweifelnder Stimmung er
scheinen, Der Anzt. ihr Freund,#### Balsam auf
ihr blutendes Herz. Er habe einen Zug weltlicher
Krankenpflegerinnen ins Schlachtfeld ziehen sehen.
Marie versteh und befolgt seinan Rat mit dank¬
erfülltem Herzm. — Die Darstellung stand auf be¬
achtenswerter Höhe und wurde in vielen Stücken
den Intentiv#ien des Dichters gerecht. Die Rolle
der Marie wurde von Frl. Seipp gegeben. Aus
ihrem Spiel dringt immer die Kraft eines impul¬
siven Talentes, das sich zwar manchmal noch nicht
ganz von einer gemachten Tragik zu befreien ver¬
mag, aber auf dem richtigen Wege ist sich zu einer
ebenso reakistischen als naturgemäßen Entwicklung
durchzuringen. Es gab namenrlich im ersten Alte
viel Gelegenheit, zu beobachten, wie die Darstellerin
sich durch stumme Beredisamkeit über die Vorgänge
im Innenn des zur Entsagung verurteilten und
doch nach einem Trunk aus dem berauschenden Le¬
benskeich dürstenden Mädchens verständlich machte.
Wenn sie, in aufgezwungener Resignalion die her¬
ben Worte und egoistischen Herzlofigkeiten des grei¬
sen Vaters über sich ergehen lassend, ihren Blick ins
Leere richtete, konnte man von diesem unbeweg¬
lichen Gesichte eine Welt von Gedanken ablesen.
Dann das plötzliche Erwachen einer lang verhal¬
tenen wahnsinnigen Begierde, der alle Hindernisse
niederwersende Entschluß, dem Ruf des Lebens zu
folgen, gewährten einen tiefen Einblick in das mäch¬
tige Gefühlsleben des jungon Mädchens und zogen
den Zuschauer in den Bann einer starken leiden¬
schaftlich bewegten Darstellung. Herr Révy zeigte
den alten, vergrämten Rittmeister im richtigen cha¬
rakteristischen Lichte des egolstischen Kranken, der
in seiner Hilflosgkeit der Tochter die Jugend zum
Vorwurf machen möchte und in der Pein, die er ihr
bereitet, die einzige Genugtuung für sein Kranken¬
elend empfindet. Eine außerordentlich sympathische
Gestalt schuf Herr Rubel in der Rolle des Dr.
Schindler. Sein Wesen zeigte sich erfüllt von seiner
Sendung als Arzt und Fraund, seine Worte fan¬
den den Weg zum Horzon. Den todesmutigen Ernsts
des seinem Schicksal ergebenen Soldaten kennzeich¬
nete Herr Riemann aufs beste. Die Gelassen¬
heit seines Wesens in dem kritischsten Momente
stand mit dieser ruhigen Entschlossenheit im besten
Einklang. Nur die Überstürzung der Worte im
Affekt brachten der Verständlichkeit derselben Ein¬
trag. In der schlichten Einfachheit des Forstadjunk¬
ten kam Herr Jäger der zutreffenden Lösung sei¬
ner Aufgabe in joder Beziehung entgegen. Herr
Sillé, der nach längerer Krankheit wieder auf
der Bühne erschien, gab den Oberst mit ruhiger,
entschlossener Würde. Die von unheilbarer Krank¬
heit heimgesuchte Katharina wurde durch Frl. Kro¬
neck dargestellt. Sie verstand es vorzüglich, sowohl
das kindliche Wesen des Mädchans zu veranschau¬
lichen als auch die pathologisch begründete erhöhte
Sinnlichkeit desselben mit lebhaftem Nachdruck her¬
vorzukehren. Auch in der Schlußszene, wo Katha¬
z#na in goistiger Umnachtung der Auflösung ent¬
gegengeht, war ihr Spiel ungemein naturlich und
wie von der Winklichkeit erschaut. Frl. Reimers
war von hinreißender Laidenschaft in ihrer schran¬
kenlosen Werbung um den Geliebtan und Frl.
Böhm (Frau Richter) von guter Wirkung in ihrer
angsterfüllten Zärtlichkeit um die dem Tode verfal¬
lene Tochter. Herr Burger und Herr Mandl
bekundetan gutes Verständnis für den Inhalt ihrer
kleinen Rollen. Die Inszewierung durch Herrn Di¬
rektor Kleim führte in künstlerischer Bedachtnahme
auf alle Einzelheiten das Stück zu einer stim¬
mungsreichen, den Intentionen des Dichters oft
frappant entgegenkommenden Gesamtwirkung und
verdient die größte Anerkennung. Das sehr gut
besuchte Haus gab seiner Befriedigung sdurch leb¬
haften Beifall Ausdruck und ehrte dadurch in glei¬
scher Weise das Werk des Dichters wie die liebevolle
Sorgfalt, mit der die Darsteller die Schönheiten
X.
des Dramas zur Geltung brachten.