19. Der Ruf des Lebens
Bitte Rückseite beachten!
Telephon 12.801.
4
SDSENVER
99
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I., Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
## OFrankfurter Zeitung
vom:
eDie aue dantbaren Beifall fan¬
den. —Aus Köln wird uns geschrieben: Arthur Schnitz¬
lers Schauspiel „Der Ruf des Lebens“ konnte aus hir¬“
esigen Schauspielhaus keinen Erfolg erzielen. Der Stoff wirkte
einfach abstoßend. Daß ein Mädchen, um zu dem Geltebten
zu gelangen, ihren sie mit greisenhaftem Eigensinn quälenden
Vater vergiftet, wäre schon schlimm genug; daß sie sich aber
diesem Geliebten an der Leiche einer eben von deren eifer¬
süchtigem Gatten erschossenen Nebenbuhlerin hingeben muß,
ist des Theatergreuels denn doch zu viel. Dabei soll der Le¬
benshunger des jungen Weibes uns diese Handlungsceise ver¬
zeihlich erscheinen lassen. Es war wirklich nicht mötig, uns
das Bild des liebenswürdigen und geistvollen Wienet Dichters
durch die Vorführung dieses peinigenden Werkes zu trüben.
Die Aufführung war lobenswert, besonders der alte
Moser des Herrn Turrian und die Marie des
Frl. Schönfeld gewährten, rein als schauspieltrische Lei¬
stungen betrachtet, eine hohe Befriedigung. —Im Stadt¬
box 24/4
Telephon 12.801.
—
Dir
„OBSLIVEN
# österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Verfrefungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Pstersburg.
(Quellenangabe ohne Gowühr).
Ausschnitt aus: Rleinische Musik- u. Theate
vom: 7.
Zeitung Köln a/sh.
Schauspiel.
Das Schauspielhaus hat die Summe der vom Publikum
schlecht aufgenommenen Novitäten noch kurz vor Schluß der
Spielzeit um eine Nummer vermehrt, indem es ein nicht mehr
ganz neues, aber glücklicherweise ziemlich unbekannt ge¬
pliebenes Werk Arthur Schnitzlers „Der Ruf des
(Lebens“ zur Aufführung brächte—Ber Titel müßte eigent¬
lich lauten: „Der Schrei des Blutes“, Im Mittelpunkt der
Handlung steht ein junges Mädchen, das in der Blüte ihrer
Jugend an das Krankenlager ihres achtzigjährigen Vaters, eines
unleidlichen Patrons, g.’esselt, allmählich in eine Art Eroto¬
manie gerät. Sie hat vor Monaten, auf dem einzigen Ball, den
sie besuchte, einen jungen Offizier kennen glernt, nun erfährt
sie, daß dieser als Totgeweihter ins Feld ziehen wird. Nur
diese eine Nacht weilt er noch in der Stadt. Da eilt sie zu
ihm, um noch in letzter Stunde die seine zu werden, und
sie tötet nicht nur den ihr im Wege stehenden Vater durch
einen Schlaftrunk, sondern sie läßt sich auch dann nicht in
ihrem Vorhaben beirren, als eine zweite Geliebte des Leutnants
in ihrem Beisein von deren eifersüchtigem Gatten erschossen
wird. Dabel will Schnitzler die Handlungsweise dieser Person
nicht etwa pathologisch erklärt wissen, sondern er hängt noch
einen ganzen Akt an, in dem ein von Lebensweisheit triefender
Arzt uns auseinandersetzt, daß das alles verzeihlich und mensch¬
lich sei. Ich muß gestehen, daß ich mich zu dieser Höhe
der Auftassung ebenso wenig aufzuschwingen vermochte, wie
der weitaus größte Teil des übrigen Publikums, das seinem
Mißfallen durch Zischen deutlich Ausdruck gab. Dabei ent¬
schädigt das Stück auch nicht durch künstlerische Schönheiten
für die Verzerrung aller sittlichen Begriffe. Die Lamentationen
und Bosheiten des sich vor dem Tode fürchtenden Greises
über eine Stunde lang mit anhören zu müssen, bedeutet eine
Nervenfolter schlimmster Art, aus der sich auch nicht der
geringste Gewinn ergibt. Die Ehebruch-Szene des zweiten
Aktes mit dem durch das Fenster hereinplatzenden Gatten
und dem rächenden Pistolenschuß ist Schauerdramatik und
wird doppelt widerlich, wenn sich das neue Paar über der
Leiche in die Arme fällt. Im dritten Akt stirbt uns, damit
wenigstens etwas darin vorgeht, ein nebensächliches schwind¬
süchtiges Mädchen den schönsten Theatertod vor. Wäre der
Verfassel dieses vertehlten Stückes nicht Arthur Schnitzler,
so würden wir es wohl nicht zu sehen bekommen haben, ich
hin allerdings der Ansicht, daß man es deshalb erst recht
nicht hätte aufführen sollen, denn Schnitzler hat genug ge¬
schrieben, was man mit Genuß sehen kann. Es war übrigens
wieder einmal viel fleißige Arbeit und Kunst an die hoffnungs¬
los verlorene Sache verschwendet worden. Die Regie des
Herrn Dr. Simchowitz hatte das vorgeschriebene Milieu, das
Oesterreich aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, in sorg¬
sam abgestimmten Bildern vor uns erstehen lassen. Von den
schauspielerischen Leistungen hätten vor allem die von Frl.
Schönteld als Marie und die von Herrn Turrian als alter Moser
verdient, dankbareren Aufgaben gedient zu haben.
Emil Kajser
Kanse-
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Telephon 12.801.
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SDSENVER
99
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
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Wien, I., Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
## OFrankfurter Zeitung
vom:
eDie aue dantbaren Beifall fan¬
den. —Aus Köln wird uns geschrieben: Arthur Schnitz¬
lers Schauspiel „Der Ruf des Lebens“ konnte aus hir¬“
esigen Schauspielhaus keinen Erfolg erzielen. Der Stoff wirkte
einfach abstoßend. Daß ein Mädchen, um zu dem Geltebten
zu gelangen, ihren sie mit greisenhaftem Eigensinn quälenden
Vater vergiftet, wäre schon schlimm genug; daß sie sich aber
diesem Geliebten an der Leiche einer eben von deren eifer¬
süchtigem Gatten erschossenen Nebenbuhlerin hingeben muß,
ist des Theatergreuels denn doch zu viel. Dabei soll der Le¬
benshunger des jungen Weibes uns diese Handlungsceise ver¬
zeihlich erscheinen lassen. Es war wirklich nicht mötig, uns
das Bild des liebenswürdigen und geistvollen Wienet Dichters
durch die Vorführung dieses peinigenden Werkes zu trüben.
Die Aufführung war lobenswert, besonders der alte
Moser des Herrn Turrian und die Marie des
Frl. Schönfeld gewährten, rein als schauspieltrische Lei¬
stungen betrachtet, eine hohe Befriedigung. —Im Stadt¬
box 24/4
Telephon 12.801.
—
Dir
„OBSLIVEN
# österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Verfrefungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Pstersburg.
(Quellenangabe ohne Gowühr).
Ausschnitt aus: Rleinische Musik- u. Theate
vom: 7.
Zeitung Köln a/sh.
Schauspiel.
Das Schauspielhaus hat die Summe der vom Publikum
schlecht aufgenommenen Novitäten noch kurz vor Schluß der
Spielzeit um eine Nummer vermehrt, indem es ein nicht mehr
ganz neues, aber glücklicherweise ziemlich unbekannt ge¬
pliebenes Werk Arthur Schnitzlers „Der Ruf des
(Lebens“ zur Aufführung brächte—Ber Titel müßte eigent¬
lich lauten: „Der Schrei des Blutes“, Im Mittelpunkt der
Handlung steht ein junges Mädchen, das in der Blüte ihrer
Jugend an das Krankenlager ihres achtzigjährigen Vaters, eines
unleidlichen Patrons, g.’esselt, allmählich in eine Art Eroto¬
manie gerät. Sie hat vor Monaten, auf dem einzigen Ball, den
sie besuchte, einen jungen Offizier kennen glernt, nun erfährt
sie, daß dieser als Totgeweihter ins Feld ziehen wird. Nur
diese eine Nacht weilt er noch in der Stadt. Da eilt sie zu
ihm, um noch in letzter Stunde die seine zu werden, und
sie tötet nicht nur den ihr im Wege stehenden Vater durch
einen Schlaftrunk, sondern sie läßt sich auch dann nicht in
ihrem Vorhaben beirren, als eine zweite Geliebte des Leutnants
in ihrem Beisein von deren eifersüchtigem Gatten erschossen
wird. Dabel will Schnitzler die Handlungsweise dieser Person
nicht etwa pathologisch erklärt wissen, sondern er hängt noch
einen ganzen Akt an, in dem ein von Lebensweisheit triefender
Arzt uns auseinandersetzt, daß das alles verzeihlich und mensch¬
lich sei. Ich muß gestehen, daß ich mich zu dieser Höhe
der Auftassung ebenso wenig aufzuschwingen vermochte, wie
der weitaus größte Teil des übrigen Publikums, das seinem
Mißfallen durch Zischen deutlich Ausdruck gab. Dabei ent¬
schädigt das Stück auch nicht durch künstlerische Schönheiten
für die Verzerrung aller sittlichen Begriffe. Die Lamentationen
und Bosheiten des sich vor dem Tode fürchtenden Greises
über eine Stunde lang mit anhören zu müssen, bedeutet eine
Nervenfolter schlimmster Art, aus der sich auch nicht der
geringste Gewinn ergibt. Die Ehebruch-Szene des zweiten
Aktes mit dem durch das Fenster hereinplatzenden Gatten
und dem rächenden Pistolenschuß ist Schauerdramatik und
wird doppelt widerlich, wenn sich das neue Paar über der
Leiche in die Arme fällt. Im dritten Akt stirbt uns, damit
wenigstens etwas darin vorgeht, ein nebensächliches schwind¬
süchtiges Mädchen den schönsten Theatertod vor. Wäre der
Verfassel dieses vertehlten Stückes nicht Arthur Schnitzler,
so würden wir es wohl nicht zu sehen bekommen haben, ich
hin allerdings der Ansicht, daß man es deshalb erst recht
nicht hätte aufführen sollen, denn Schnitzler hat genug ge¬
schrieben, was man mit Genuß sehen kann. Es war übrigens
wieder einmal viel fleißige Arbeit und Kunst an die hoffnungs¬
los verlorene Sache verschwendet worden. Die Regie des
Herrn Dr. Simchowitz hatte das vorgeschriebene Milieu, das
Oesterreich aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, in sorg¬
sam abgestimmten Bildern vor uns erstehen lassen. Von den
schauspielerischen Leistungen hätten vor allem die von Frl.
Schönteld als Marie und die von Herrn Turrian als alter Moser
verdient, dankbareren Aufgaben gedient zu haben.
Emil Kajser
Kanse-