II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 8

I
box 23/1
18. Der ein. Neg
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Berlin N. 24.
Telephon: III, 3051.


Ausschnitt aus
Nationalzeitung, Berur
T 3FER 1901
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
E. Z. Deutsches Theater. Ein modernes Trauerspiel
der müden Entsagung, des Alters, der Selbstquälerei und
Verzweiflung —
so verlief die Erstaufführung des neuen
Stückes von Arthur Schnitzler „Der einsame
Weg“. In fünf Akten greifen die Motive der Handlung,
die in Wien spielt, so eng ineinander, daß man den Kern des
Ganzen in einer kurzen Vornotiz nicht herausschälen kann. An
einzelnen Stellen, wenn der innerlich zusammenbrechende
Maler sich als Vater eines jungen Offiziers zu erkennen gibt,
den er sich durch dies Geständnis entfremdet, wenn von der
Ausgravung einer uralten Stadt die Rede ist und ein doppelter
Selbstmord das Stück beendet, denkt man an fremde, zum
Teil ausländische Einflüsse. Aber Schnitzler gibt so viel
Eigenes und Feines, er weiß trotz der Länge und Dickflüssig¬
keit seines Werkes die Zuschauer so sehr zu fesseln, daß man
sich ausführlicher mit ihm, seinen Vorgängen und Mängeln
beschäftigen muß. Die Aufführung mit den Herren
Rüttner und Bassermann, den Damen Triesch
und Lehmann war vorzüglich,
eigene Korrespondenten.
Berlin N. 24.
Telephon: III, 3051.

Ausschnitt aus
Deutsches Volksblatt, Wien
14. 2.84
„Der einsame Weg.“ Die gestrige Premiere
Fünfaktigen Schauspieles „Der einsame Weg“ von Artür#
Schnitzler (!) fiel, wie uns unser Berliner Korrespon¬
dent telegraphtert, im Deutschen Theater gründlich ab, obzwar
der Autor sehr bereitwillig ein paarmal vor der Rampe er¬
schien, um sich für den Applaus der zahlreich erschienenen
Glaubensgenossen zu bedanken, ohne sich um die Mißbilli¬
gungsäußerungen und das Hohnlachen der übrigen Zu¬
schauer zu bekümmern. Zwei gewissenlose Hallunken, moderne
Epikuräer, verkehren im Hause eines ehrenwerten, aber
Unatürlich als Trottel hingestellten Akademieprofessors, der
#es über sich ergehen lassen muß, daß der eine der beiden
sich als natürlicher Vater seines Sohnes entpuppt, während
der andere die allerdings seit frühester Jugend pervers
veranlagte Tochter des Professors verführt und zum
Selbstmorde treibt. Dazu kommt ein Hauch moderner
Mystik, Reflexionen über Seelenwanderung und die be¬
kannten Mätzchen Schnitzlers im Dialoge. Das Ganze gibt
ein Machwerk, welches selbst die begeistertsten Verehrer
dieses Literaturhebräers nicht zu seinen Meisterwerken
rechnen dürften. Die Darstellung wa
ean für
*
Seilungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korespure
Berlin N. 24.
Telephon: III, 3051.

Ausschnitt aus
Neue freie Presse, Wien
44 FEB. 1904
1
Schnitzlers „Einsamer Weg“.
(Telegramm der „Neuen Freien Presse“.)
Berlin, 13. Februar. Im Deutschen Theater wurde

Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der einsame Weg“
aufgeführt. Das Schauspiel hat folgenden Inhalt: Die Haupt¬
figur ist Julian Fichtner, ein alter Junggeselle. Dieser hat in
seiner Jugendzeit ein Verhältnis mit Frau Gabriele Wegrath,
der Frau des Professors Wegrath, gehabt. Felix, den der Professor
700
für seinen Sohn hält, ist in Wirklichkeit der Sohn Julian
Fichtners. Im ersten Akt sehen wir noch die Familie Wegrath bei¬
sammen, zu der außer Felix, einem Jüngling im Anfang der
Zwanzig, noch eine Tochter Johanna gehört. Nach dem ersten
Akt stirbt Frau Wegrath, und Jnlian Fichtner, der das Alter
herannahen fühlt und vor der drohenden Einsamkeit sich retten
möchte, enthüllt Felix das Geheimnis seiner Geburt und möchte
ihn als Sohn in die Arme schließen. Aber Felix nimmt diese Mit¬
teilungen gleichgiltig auf. Es ist ihm nicht möglich, sich als Sohn
seines eigentlichen Vaters zu fühlen, und er will auch jetzt der
Sohn des Mannes bleiben, der ihn auserzogen hat und der als
sein Vater vor der Welt gilt. Ein anderer alter Junggeselle,
Stephan v. Sala, spielt in dem Stück die zweite Hauptrols.
Er verführt Johanna Wegrath, die Schwester von Felix, und
diese ertränkt sich (ohne daß die Motive für diesen Selbstmord
besonders klar werden) in dem Teich, der in dem Park sich be¬
findet, welcher die in der Nähe von Wien gelegene Besitzung
Salas umgibt. Sala selbst, der an einer schweren Herzkrankheit
leidet, verläßt im letzten Akt die Bühne, indem er andeutet,
daß auch er sich den Tod zu geben gedenkt und nicht erst ab¬
warten will, bis seine Krankheit ihn tötet. Das Wort vom
„einsamen Weg“, das dem Stück den Namen gegeben hat, wird
in einer Unterredung zwischen Fichtner und Sala ausgesprochen.
Fichtner beklagt sich über die Zurückweisung, die er von Seiten
seines Sohnes erfahren hat, und sagt, daß ihm vor der Einsam¬
keit graut, die ihn erwartet. Darauf antwortet Sala, daß Fichtner
sich auch einsam fühlen würde, wenn er Frau und Kinder um
sich hätte. „Den Weg hinab,“ sagt er, „gehen wir alle allein,
wir, die selbst niemandem gehört haben. Das Altern ist nun
einmal eine einsame Beschäftigung für unsereinen, und
ein Narr, wer sich nicht bei Zeiten darauf einrichtet, auf keinen
Menschen angewiesen zu sein.“
Der Dialog enthält manches Schöne. Aber das Drama gibt
gar zu viel Reflexion an Stelle der Handlung und wird in den
beiden letzten Akten ganz unklar und verschwommen. Diese letzten
Akte riefen starke Opposition hervor. Der zweite und dritte Akt
fanden freundlichen Beifall. Der Autor konnte nach jedem Akte
vor dem Vorhang erscheinen.
Die Aufführung war ungleich. Gut war nur Else Leh¬
mann in der Episodenrolle einer Schauspielerin, deren lustspiel¬
hafte Hauptszene am besten wirkte. Rittner konnte als Julian
Fichtner nicht die derbe Kraft zeigen, die den Hauptteil seines
Talents ausmacht. Vollkommen blaß und farblos war Basser¬
mann als Sala, und Irene Triesch wußte nicht recht, was
sie mit der verunglückten Rolle der Johanna anfangen sollte.