II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 241

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18. Der einsane Neg

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1 bessen aus Einfällen und Stimmungen her= legentlich Visionen haben, in ferne Vergang
aus, wird in diesem Stück sehr viel gesagt und
und in die Zukunft hineinschauen, Auch d
Kleines Feuilleton.
findet sich vor. Aber was bei dem nordischen
getan. Und deshalb ist „Der einsame Weg“ so ganz und
lerische Absicht ist, sodaß immer die Beziehu
gar undramatisch. Er ist eine von zarter Künstlerhand
erkennbar wird und Glied um Glied sich zu
dialogisierte Novelle, aber kein Dramä. Wer auf die
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Frankfurt, 17. September.
zusammenschließt, das wird bei Schnitzter e
Bühne blickt, um zu sehen, wie sich ein Geschick erfüllt, der
[Frankfurter Schauspielhaus.] Von dem Schau¬
Einfällen, die an sich sehr poetisch sind, die
will wissen, mit wem er es zu tun hat. Aber die Personen
spiel „Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler,
belasten, statt ihn zu stützen. Auch die vo##
in Schnitzlers Schauspiel sind von der Bühne herab nicht zu
erlennen. Sie schreiten durch einen Nebel. „Schleier glei¬
führung wird es nicht vermögen, hier dem
das heute zum erstenmal hier gegeben wurde, ist an dieser
Stelle wiederholt die Rede gewesen. Man weiß, daß in
reich zu Hilfe zu kommen; sie kann schärf
ten über alles,“ heißt es einmal, und wirtlich: es hängen
dem Stück zwei Handlungen das Interesse beanspruchen. Zu¬
überall Schleier herunter. Fast jeder Auftritt zeigt uns ge¬
allzu Gedämpftes betonen, Längen durch g
nächst entwickelt sich die eine: die jetzige Frau des Akademie¬
bildete Leute in einer geistreichen Konversation, in ber
rung überwinden, aber es ist ihr unmögli
Paradore und Antithesen hinüber und herüber fliegen.
ungslose für die Wirkung bedeutend
direktors Wegrath hat sich als junges Mädchen, kurz vor
Auch die heutige Wiedergabe im Frankfun
der Hochzeit, einem Maler den sie liebie, hingegeben. Die
Diese Menschen sprechen sehr klug über dies und das
haus wurde der Schwächen des Stücks nicht
und prägen Worte voll melancholischer Wahrheit: daß
Beiden wollten zusammen flieher, der Künstler aber sagte
dete in jeder Richtung die sorgfältige Vorbe
wir von einander nichts wissen, daß jeder anständige
sich in zwölfter Stunde, daß er der Freiheit mehr als der
Herr Quincke hatte zuteil werden lassen
Mensch in seinen besten freien Stunden an den Tod
Liebe bedürfe, und entfloh allein. Dreiundzwanzig Jahre
später. Frau Wegrath, die wir nur als Leidende kennen¬
denkt, daß
es kein sichereres Mittel gebe, zwei Men¬
wundenr Stinmungen grweit und gescgelchlick
lernen, stirbt. Der Maler, dem es nach mancherlei Fahr¬
schen von einander abzurücken, als dieses; sie dirch
klug angedeutet, was der Dichter allzutiefein
ten und einem durchstürmten Leben einsam um den Weg
eine Pflicht zu binden, daß eine Lüge, die den Frieden
hatte, aber volles Leben konnte sie nicht scha
wird, möchte Felix, seinen Sohn, retlamieren. In einer
eines Hauses erhält, berehrungswerter sei als eine Wahr¬
Mitwirkenden ist in erster Linie Herr Bo
heit, die ihn zerschlägt, daß alle Dinge der Welt gleich
Szene zwischen dem Maler
seltsam visionären
nennen, der sich wieder einmal als vortref
Mann eine
wichtig und gleich unwichtig sind, und weiter: wie gut es
und Felix durchzuckt den jungen
bewährte und dem alten Skeptiker fesselnden
ist, daß wir uns nicht kennen und daß wir auch in den
Ahnzing, daß er seinem Vater gegenübersteht.
dem er die kühlen Aphorismen mit einiger
Ein Jugendbildnis von Frau Wegrath, das der Maler be¬
Freunden nur flüchtige Tischgäste zu sehen haben und am
ier
Weniger wollte uns die Maske des Kün
letzten Ende alle ins Leere greifen. Aber alle diese Worte,
sitzt und von dem sie am Abend vor ihrem Tode sprach,
sie die Bebrechlichkeit des geistreichen Raiso
leicht gesprochen, als ob der Augenblick sie hertrüge, stehen
Felix versteht
gibt den äußeren Anlaß zu der Unterredung.
betonte, Herr Kinch als Julian Fichtner
zu sehr um ihrer selbst willen da, sie beleuchten den Reden¬
anerkennenswert gut, daß Fichtner seine Geliebte ihrem
1 nächst für einen Künstler, wie ihn Schnitzle
den, aber sie verdunkeln ihn auch, sodaß die Konturen
Schicksal überließ. Vergeblich aber ist das Bemühen Ficht¬
schneidig, nicht zwanglos genug, wozu auch
ners, den Sohn seinem Leben zu gewinnen. Felir, der dem
immer unsicherer werden — das gilt vor allem für die Ge¬
bestimmte Sprechweise beitragen mochte. Al
Künstler bisher leidenschaftlich zugetan war, entdeckt nun,
stalten von Sala und Johanna —, und je mehr die Züge
Vergangenes aufzurufen, Erinnerungen zu.
zerfließen, desto sicherer erkennen wir, daß es dem Dichter,
daß seine Liebe doch dem Manne gehöre, der ihm zeitlebens
der so viel abseits vorbringt, nicht gelingen wird, die in dem Kampf um den Sohn wurde der D
ein Vater gewesen. Fichtner wird hinfort allein bleiben.
liebenswürdiger und erweckte Interesse
Handlung vorwärts und auf einen dramatischen Höhepunkt¬
Die Einsamkeit dehnt sich auch vor Irene Herms, einer Ge¬
Den Julius gab Herr Fricke in sicheren Un
zu treiben. Es ist denn auch so: es wetierleuchtet bestän¬
liebten des Malers, einer echt Schnitzlerschen Wiener Figur,
eindrucksvollem Spiel, Herr Bauer zeichne
opferfreudig, liebenswürdig, resch, in der aber jetzt der Hu¬
dig, aber es kommt nicht zum Gewitter; die Katastrophe,
Wegrath und Herr Pfeil einen Arzte
mor durch aufziehende Bitterkeit fast verdrängt wird. Man
die den Schluß herbeiführt, ist kein Geschehen, das sich
gaben ihren Rollen, was ihnen gehörte.8
erfähr aus ihren drollig=ernsten Aeußerungen, daß sie ein
motivierte und nun kommen mußte, sondern ein trau¬
nerin mit dem guten Herzen hatte in Frl.
Kind gewollt hätte, ja — sie hätte es beinahe gehabt. Eine
riges Ereignis, und der schwere Verzicht, der dem
Vertreterin gefunden, die zwar die wiener
Frau, die kein Kind hat, so meint sie, ist überhaupt nie eine
alternden Maler auf rlegt wird, hat nur eine epische
herausbrachte und mitunter auch den leich
keine Theater=Wirkung. Neben dem Mangel an dramati¬
Frau gewesen, und ##wohl sie ein tapferer Kerl ist, weiß
fehlte, die aber in den ernsten Stellen den
scher Hitze trägt die wema straffe Technik dazu bei, daß
sie doch, daß ihrem Leven der Inhalt fehlt und daß sie ins
Herzenston anzuschlagen verstand. Frl.
nein erhebt
Leere sieht. Neben dieser Handlung läuft —
das Interesse an dem Spiel erlahmt. Das Schauspiel
sich der schattenhaften und hellseherischen Jo
enthält zerstreuende Auftritte und andere kompositorische
sich, zerfließt, taucht wieder auf — eine andre. Herr
mit ihrem besten Vermögen an, und das
Fehler. Die Aufmerksamkeit, die zu Beginn des Stückes
v. Sala, ein herzleidender Aristokrat, ein Skeptiker und
Das Visionäre und Entrückte im Wesen
Ironiker, ein Herr französisch=literarischer Abstammung,
auf Sala und Johanna hingelenkt wird, wird später für
brachte sie in vornehmster Weise zur Geltü
schießt sich tot, aus zwei Gründen. Einmal, weil er ja doch
andere Gestalten, so für Irene, erregt, sie gleitet dann auf
der Frau Wegrath war bei Frl. Bochs dis
bald ans Ende glaüben muß und die ungebrochene Schön¬
Fichtner und Jelix hinüber, man verliert die ersten Per¬
aufgehoben. Der Beifall, den das Schaust
heit der letzten Stunden genießen will, dann aber wohl
sonen in ihren Beziehungen zu einander aus den Augen
nur schwach und begegnete dazu noch starke
und ist erstannt, wenn sie dann wieder die Bühne beherr¬
auch, weil Johanna, die Tochter Wegraths, sich im Teich
Wir verstehen das, möchten aber doch dar
schen. Und in ähnlicher Weise kommen und gehen die An¬
vor seiner Villa erkränkt hat. Warum sie das tat? Je
nun, vielleicht, weil Herr v. Sala tottrank ist, vielleicht dern. Der Wiener Poet, der sonst so scharfgesehene Men= daß Arthur Schnitzler uns im „Einsamenn
schlechtes Stück, aber ein gutes Buch gegebe
auch, weil ihrer Liebe zu Sala keine Erfüllung wird, schen zeichnete, scheint dem Einfluß Ibsens unterlegen. Cha¬
vielleicht auch aus Laune. Denn aus Laune, ratteristisch dafür ist, daß alle Personen des Stückes ge¬