II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 292

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18. Der einsane Weg
„OBSERVEh
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-A
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhag
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Ron
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausschnitt aus:
Das Reich, Berlin
vom:
06
Theater.
Wenn Dr. Blahm gemeint hat, mit der neu einstudierten
nitzlers Schauspiel „Der einsame Weg“
Aufführung von Artinm
das stark abgeblaßtenommé des dekadenten Wiener
Schriftstellers wieder etwas auffrischen zu können, so hat er sich
sehr geirrt. Denn dieses schon bei der Lektüre unsäglich lang¬
weilige und albein wirkende Stück wurde durch eine zweijährige
Lagerzeit wahrlich nicht besser, und es wird sicher auch das
Repertoiré des hLessing=Theaiers“ nicht bereichern. Da das
Werk gelegentlich sseiner Première im Deutschen Theater ausführlich
besprochen wurde, so erübrigt sich wohl ein nochmaliges Eingehen
auf seinen Inhalt. Als charatteristisch für die Eigenart des Autors
soll nur darauf hingewiesen werden, daß sich im „einsamen Weg“
ein ebenso moralisches Lumpengesindel zusammenfindet, wie im
„Ruf des Lebens“. Insbesondere in sexueller Beziehung sind die
Gestalten Schnitzlerscher Phantasie von einer Skrupellosigkeit, die
förmlich nach dem Staatsanwalte schreit! So kommt im „ein¬
samen Wege“ eine Schauspielerin Irene Herms vor, welche die
natürlichen Folgen eines Fehltrittes mit Hilfe einer weisen Frau
beseitigtel; Frau Gabriele dagegen hat ihren Mann, den Direktor
der Akademie der bildenden Künste, nur geheiratet, um der Schande
zu entgehen, mit einem unehelichen Kinde niederzukommen, und ihr
eheliches Kind wieder, die Johanna, wächst sich zu einem pervers
verrückten Geschöpfe aus, das in der Wirklichkeit unbedingt auf
seinen Geisteszustand ärztlich geprüft werden müßte. So geht das
fort, aber nicht mit Grazie, Witz und Geist, sondern schwerfällig
wie erkaltende Lava wälzen sich Handlung und Dialog dahin.
„Ich weiß es ja; — für alle, ja auch für Sie bin ich ein Her¬
untergekommener“ läßt Schnitzler den Maler Julian Fichtner im
„einsamen Weg“ sagen, „einer, der fertig ist, einer, dessen ganzes
Talent seine Jugend war!“ Wie zutreffend sich Herr Schnitzler
mit diesem Ausspruche selbst charakterisiert hat! Sein bischen
Jugend ist bei der „Liebelei“ mit „süßen Mädchen“ flöten gegangen,
und trotzdem er erst im Anfange der vierziger Jahre steht, zahlt
er bereits zu jenen literarischen Mumien, welche Herr Direktor
Brahm in seinem Musentempel so sorgfältig konserviert! Die Auf¬
nahme des Stückes im Lessing=Theater war eine auffallend kühle,
trotzdem die vortreffliche Künstlerschar ihr bestes Können ein¬
setzte. Das Lebemännerpaar mit den genußüberreizten Nerven
und dem vereinsamten, nach reiner Liebe lechzenden Herzen
gaben Emanuel Reicher und Albert Bassermann so lebenswahr
und packend in jedem Zuge, daß man darüber ganz die ver¬
schrobene Charakteristik vergaß, die der Autor seinen Gestalten
gab. Insbesondere in der Schlußszene, wo Herr von Sala aus
dem Munde des Bruders des von ihm verführten Mädchens
hört, daß er ein todgeweihter Mann ist, den ein Herzschlag
jeden Moment wegraffen kann, da bot Herr Bassermann eine
hinreißend geniale Leistung. Ein Kabinettstück schauspielerischer
Kunst) konnte man auch in der Irene Herms des Frl. Else
Lehmann bewundern, die ihre Rolle mit glitzernden humoristi¬
chtern ausstattete. Schade, ewig schade, daß Direktor
Brahm seinem ausgezeichneten Ensemble keine würdigeren Auf¬
J. St—g.
gaben zu stellen weiß!
Prichtigung. Im letzten Abendblatt muß die Spitzmarke im
zweiten Artikel unter der Rubrik „Deutsches Reich“ richtig heißen“
„Die Geschäfte des Bahnhofsdienstes“.
Telephon 12801.

„OBSERVER“
I. Esterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ans: tdenluhe emen
vom:
— N
Theater und Musik.
* Der einsame Weg, Schauspiel in fünf Akten von
Arthur Schnitzler, erlebte bei seiner ersten Berliner Auf¬
führung am 13. Februar 1904 eine sanfte Ablehnung.
Wenn das Lessing=Theater das Schnitzlersche Drama
dennoch wieder hervorholte und am Donnerstag in einer
neuen Einstudierung aufführte, so geschah es wohl mehr, um
dem ausgezeichneten Ensemble der Bühne Gelegenheit zu
seiner Kunstentfaltung zu geben, als um den Stamm¬
des Hauses eine interessante Neuheit vor¬
gästen
zusetzen. Wir haben uns in Nummer 39 unseres Blattes
vom 16. Februar 1904 ausführlich über das (auch längst als
Buch erschienene) Stück geäußert und dem damals Gesagten
nichts hinzuzufügen, da Der einsame Weg in derselben Gestalt
wie vor zwei Jahren über die Bühne schlich. Vom drama¬
tischen Wesen ist in dem Schausviel nichts zu spüren. Daß
etliche Menschen darimallein #nsinsamihres Wegeo durche Eeben
#### wollen; wird keils umständlich, teils unklar gezeigt.
Der Autor ist gänzlich in Ibsen eingesponnen. Und wir
dürfen wiederholen, was wir vor zwei Jahren schrieben: „Als
bühnenkundiger Dichter wird es Schnitzler ohne Zweifel an
diesem Versuche, Ibsen zu überklügeln, bewenden lassen. Er
hat das weder nötig, noch beherrscht er die Gefahren des ein¬
samen Weges, den der Norweger gegangen ist.“ Diese Er¬
wartung hat sich inzwischen nur teilweise erfüllt.
Die Be¬
setzung des Dramas war in den Hauptrollen dieselbe geblieben
wie bei der Erstaufführung. Nur daß an Rudolf Rittners
Stelle Herr Emanuel Reicher den Maler Julian Fichtner
spielte. Das geschah nicht zum Vorteil der Rolle. Wo Herr Rittner
dem Kraftmenschen festes Leben gab, da war Herr Reichernur allzu
weichlich und sänftiglich und auf jenen Sonntagnachmittags¬
predigtton gestimmt, in den dieser Schauspieler gern verfällt.
Den lebensklugen und interessanten Stefan von Sala stattete
Herr Bassermann mit geistreichen und vornehmen Zügen
aus, während Frau Irene Triesch aus der unglücklichen
Johanna so viel machte, wie ihre feine Kunst nur vermochte.
Diskret war Herr Sauer als Professor Wegrath, liebens¬
würdig, wie stets, Herr Stieler als Leutnant Felix, er¬
greifend Frl. Pauly als Wegraths sterbende Gattin, frisch
zugreifend Frau Lehmann als Irene Herms, charakteristisch
Herr Marr als Arzt Reumann. — Wie im Jahre 1904
wurde auch diesmal das Schnitzlersche Werk nur lau auf¬
genommen.