II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 545

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18. Der einsane Neg
Schnitzlers „Einsamer Weg
Tribüne.
Nach zwanzig Jahren klingt nichts mehr, was in Arthur
Schnitzlers Schauspiel gesprochen wird. Aber die Stimme, die
spricht, hat den Zauber ihrer stillen Grazie behalten. Dieses
Drama von den alternden Junggesellen, das nie gelebt hat, wirkt
jetzt wie ein Gespenstertanz. Aber im Reigen tanzen der Herr
v. Sala und die Schauspielerin Irene mit, Grund genug, um einen
Abend des Schwelgens und Genießens zu erleben. Denn Sala
ist wie einst auf Brahms Bühne Albert Bassermann, und Else
Lehmanns Rolle der Irene hat als würdigste Erbin Lucie Höflich
in Besitz genommen.
Der einsame Weg ist der Weg abwärts, der Weg ins Land des
Alters. Schnitzlers Aesthet Sala schreitet ihn, ein Todeskandidat,
der noch einmal einem überspannten Mädchen zum Schicksal werden
kann. Der Maler Julian geht an seiner Seite im gleichen Schritt
und Tritt, aber nicht in der gleichen Stimmung. Denn Sala
packt die Welt ironisch an, Julian sentimental. Wenn er einen
jungen Leutnant mit der Aufklärung überrascht, daß er sein Vater
sei, so jammert er, weil der Sohn ihn abblitzen läßt. Sala aber
jammert nicht, selbst als die Ueberspannte ins Wasser geht. Seine
Ironie bleibt ihm noch auf dem letzten einsamen Wege zum Selbst¬
mord treu.
Vielleicht ist dieses Schauspiel brüchiger gefügt als andere
Theaterstücke Schnitzlers, weil so viel Fremdes Einlaß gefunden
hat. Salas junges Mädchen, das mit erschreckten Augen in eine
fremde Welt hineinblickt, kommt ohne Umwege von Sudermanns
Landgütern, und die Schauspielerin Irene übersetzt, wenn sie
ihr gemordetes Liebesleben beklagt, Ibsen ins Wienerische.
Aber gerade diese Szene, da die Resolute, Uebermütige dem
Kinde nachtrauert, das ihr versagt geblieben ist, läßt Schnitzlers
Stimme in ihrer menschlichsten Wärme klingen. Es ist nicht
bloß die Einsamkeit von Mensch zu Mensch, deren sich die Leute
in Schnitzlers Welt stets so schmerzhaft bewußt werden. Hier
klagt die Weiblichkeit in Person über die Verschiedenheit der
Sprachen, in der Mann und Frau aneinander vorbeireden.
Sie klagt, aber sie ist weder wehleidig wie Julian, noch geist¬
reich wie Sala. Wollten die Männer ebenso sprechen, wäre der
einsame Weg noch heute lebendig. In einer härter gewordenen
Zeit ist es nun einmal nicht mehr möglich, zu hören, wie Mensch¬
heitsprobleme ironisch belächelt oder sentimental beseufzt werden.
Diese Verführer, die so viel Gedrucktes reden, bedeuten keine
Probleme mehr.
Aber Probleme waren ja niemals unsere Erinnerung an dieses
Werk. Der einsame Weg, das war der Herr von Sala, das war
Albert Bassermann, wie er so hübsche Sentenzen sprach,
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etwa das Wort vom Todesgedanken, der jeden anständigen
Menschen in seinen besten Stunden beschäftige. Nach zwanzig
Jahren enttäuscht Bassermann unsere Erinnerungen nicht. Zwar
steht auch aus Respekt vor seinen fabelhaften Sportanzügen und
weißen Mänteln die Zeit vor ihm nicht still. Aber welcher Dar¬
steller kann es gleic ihm wagen, nach zwanzig Jahren eine Rolle
ohne Einbuße zu wiederholen? Gewiß reißt Herr von Sala auch
heute noch die jungen Mädchen hin, wenn er mit einem Sarkasmus
spricht, den die Höflichkeit entgiftet, mit einer nie versagenden
Ueberlegenheit und mit einer Kennermiene, als ob der Wein des
Lebens nach dem Pfropfen schmecke.
Für somnambule Mädchen hat die Natur bestimmt nicht Käthe
Haack geschaffen. Desto rühmlicher ihr tapfere Bemühung um
eine unmögliche Rolle. Winterstein suchte als Julian die
Weichheit seines Malers mit Trockenheit zu kurieren, Sauers
Erbe als der legitime Vater verwaltete Ernst Stahl¬
Nachbaur verdienstlich, und Werner Schott versäumte keine
Wirkung des Moralisten im Leutnantsock.
Die Wärme des Abends aber ging von Lucie Höflich aus.
Sie sicherte sich sofort beim Auftreten den Dank des Zuschauers
für einen frischen Frauenhumor, und sie steigert diese Dankbur¬
keit, wenn sie Not und Sehnsucht eines ganzen Lebens in dem
Gespräch über das Kind klingen läßt. Das berühmte Wort „Er
hat ein Kind“, sie sagt es leise, mit einem Neide ohne jede Mi߬
gunst und mit einer Wehmut, der sich niemand entzzehen #aen.
Georg Altman hat die druckreifen Dialage des Dramas in
Einer Bearbeitung kräftig zusammengestrichen. Wenn man sie
olle längst vergessen hat, behält man dieses Wort, das aus einem
Monty Jacohs.
Herzen kommt.
Karl Güntyers 70. Geburstag. Der langjährige Vorsteher
der Preußischen Landesanstalt für Wasserhygiene zu Dahlem,
Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. Günther, vollendet am 21. Sep¬
tember sein 70. Lebensjahr. Günther, der zuerst als praktischer
Arzt in Berlin tätig war, habilitierte sich 1891 für Hygiene an
der Berliner Universität und wurde Assistent und spater Kustos
am hygienischen Institut in der Klosterstraße unter Robert Koch.
Von Wichtigkeit sind Günthers Untersuchungen über das Berliner
Leitungswasser und das Vorkommen von Cholera= und Typhus¬
bakterien im Stralauer Rohwasser. Außerdem befaßte sich
Günther mit der Mikrophotographie und mit der mikroskopischen
und färberischen Technik der Bakterien. Seine „Einführung in
das Studium der Bakterien“ hat zahlreiche Auflagen erfahren
und ist in verschiedene Sprachen übersetzt worden. Günther ist
der Herausgeber der „Hygienischen Rundschau“ und der „Mit¬
teilungen aus dem Landesinstitur für Wasserhygiene“.
Ludwig Thoma=Abend. Dei Andenken Ludwig Tho¬
mas galt ein Abend, den die Gesellschaft zur Erhaltung der
Lessing=Museums in ihrem Hause in der Brüderstraße ver¬
anstaltete. Dr. Hanns Martin Elster schilderte kurzweilig den
Entwicklungsgang Thomas und bezeichnete die Bauerndichtung
als Thomas höchste Leistung, während er die Komödien geringer