II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 554

W
S am
box 23/5
18. Der

Dr. Max Goldschmict
gaco für Teitungsanschulte
reieion: Norden 9061
GBRLIN N4
Ausschnitt aus:
epeiger Neuste Nachiechten

t An
Bassermann-Gastspiel
Arthur Schnitzler „Der einsame Weg“.
Nach dem robusteren Theater der Jules Romains und Sudermann
sein Abend schwermutsvoll stiller Kammermusik des feinfingrigen Oester¬
freichers Schnitzler.
Seine weitausgesponnene fünfaktige Paraphrase über das dunkle
Doppelthema: „Wie wenig kennt ein Mensch den andern" und „Wie
Seinsam ist der Weg ins Alter und ins Grab“ (vor nun fast 25 Jahren
geschrieben) sah uns, auf vier Akte komprimiert, mit stillen ernsten
Augen an wie ein zartgliedriges, aristokratisch zurückhaltendes, seine
tiefsten Wunden und Reichtümer eher verbergendes als enthüllendes
Geschöpf aus einer versunkenen Welt der leisen Akkorbe und gedämpften
Melodien, in der die tadellose äußere Form die Aufgabe hatte, alles
Elementarere schützend zu bergen. Alternde Menschen sehen und be¬
kennen die Leere eines Lebens, das übervollgepfropft war mit selb¬
stischem Genießen, gehen teils schaudernd, teils mit schmerzlich resig¬
nierter oder kühl gefaßter Gelassenheit ihren einsamen Weg dem Ende
entgegen. Junge Menschen stehen neben ihnen, überschattet von ihrer
Kälte, von ihr vorzeitig gebrochen, des Widerstands beraubt, dem Tode
zugetrieben . . . Das Ganze ein seltsam stilles und doch laut klagendes
Dokument des menschlichen Untergangs einer überfeinerten, auf ver¬
sinkenden, ethischen Grundlagen keinen Halt mehr findenden Gesell¬
schaftsschicht des alten Oesterreich, dessen subtile künstlerische Reize doch
noch so lebendig sind, daß man die Tragik dieses Untergangs mit feinem,
scharsem Bohren mitten im Herzen spürt ...
Als klaräugiger, geistig überlegener, wundervoll aristokratischer
Künder und Interpret dieses Strebens stand Bassermanns
Stephan von Sala im Mittelpunkt des ganzen Geschehens, an dem er
doch vorwiegend nur als Zuschauer und Beobachter beteiligt ist. Diesen
geborenen Fürsten der gesellschaftlichen Form (in Erinnerung an seinen
Totschläger Biegler!), in allen Aeußerungen seines Sichgebens zu ver¬
folgen, wird hier allein schon zu einem erlesenen Genuß! Wie er zu¬
zuhören weiß, das sollten Schauspieler sich genauestens ansehen!
Wie er kleine geistreiche Bosheiten monchalant verstreut und doch gerade
soviel betont, daß ihr Kern diskret aufblitzt, das ist unübertrefflich. Und
dann sein Bestes: das erschütternde Durchbrechen innersten Schmerzes
mitten durch die Maske der gesellschaftlichen Form hindurch in der
letzten Szene. Dies Verzehrtwerden der Form durch die Flamme des
Gefühls und dicht hinterher dies erneute Herrwerden über sich selbst,
das ist ein Schauspiel, das man in solcher Rasse und Intensität nur bei
diesem großen Künstler genießt.
Für das mühsam unterdrückte Muttergefühl und die trotz aller Er¬
fahrungen immer wieder aufleuchtende Liebe zu dem Geliebten von
einst, hatte Else Bassermann als alternde Schauspielerin über¬
zeugenden, zuweilen ergreifenden Ausdruck. Die Schauspielhaus=Mit¬
glieder fanden sich im allgemeinen mit Geschmack in die Welt dieser
zarten Dialoge zurück. Vortrefflich charakterisierte Krahé den seine
eigene Grenzen so genau kennenden Akademiedirektor. Zart und vor¬
nehm umriß Sieglinde Weichert die rätselvolle Kassandragestalt der
Tochter Johanna. Etwas zu jugendlich=lieblich hielt G. Langfelder
die dicht vor dem Tod stehende Mutter. Otto Stoeckels alternder
Maler hätte schärfere Kontur zeigen können, und Böhm sollte für eine
besser sitzende Uniform sorgen. Hübsche Bühnenbilder und ein im
ganzen doch gut abgestimmtes Zusammenspiel sind anzuerkennen.
Dem Kammermusikvirtuosen Bassermann dankte begeisterter Bei¬
für refeneue still leumtendeLeinung
8.—