II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 60

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17.3. Zun greszen Nursten
Mer
kum und Dichter aus, mag sich zum Beschluß im Reigen Sehr schwierig und verantwortlich ist die Entscheidung dies¬
ahrlich auch der Tod erzeigen.“ Ehrlich, wie der Dichter mal, da die neue Verpflichtung eines Künstlers für die
selbst, dem in Stunden müder Erkenntnis, wo die Schleier Rollen der Bösewichter, Intriganten und klassischen „schwar¬
von den Dingen fallen, in ironischer Melancholie das eigene zen“ Charaktere in einer Dauer und Entwicklung verheißen¬
den Weise besetzt werden müssen, wenn wieder Stetigkeit
Schaffen und das anderer, das gewohnheitsmätzige Hantieren
mit Menschenschicksalen zur Belustigung des Publikums als in die Personalverhältnisse kommen soll. Herr Schindler
die parodistische Puppenbühne „Zum großen Wurstel“ er= dürfte diesen Ansprüchen nicht voll genügen. Er ist sicher
ein begabter, beweglicher, mit günstigen Mitteln aus¬
schienen ist. Wie Leben Literatur wird. Schicksal zur ge¬
gestatteter Darsteller seines Faches, aber, wie es scheint, ohne
reimten Farce, das ist hintergründig mit Schnitzlerscher
persönliche, schöpferische Tiefe und eine fesselnde individuelle
Feinheit aufgezeigt. Im Vordergrunde aber ist's ein hüb¬
scher Spaß, ein Abend im Wiener Wurstelprater, wo Mario¬
Eigenart. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß ander¬
wärts theatralischer gespielt zu werden pflegt als bei uns.
netten mitsamt Direktor und Dichter, Publikum oben und
so ble##t von seinem Franz bei vielen starken und gut
Publikum unten ineinanderspielen und sich auslachen.
gegebenen Seiten der Eindruck untiefer, konventioneller
Spotten ihrer selbst und wissen nicht wie. Auch der Dichter
Theaterei zu stark, die äußerliche Bösewichterei zu gewöhn¬
spottet über sein „süßes Mädel“, seine Duellgeschichten, über
lich, als daß man zu einem sofortigen Zugreisen raten
die tragischen Gehärden der Theaterbelden und den kuarren¬
dürfte. Wir brauchen tiefergrabende Psychologie und
den Mechanismus der Tragödien. Manchmal sieht's so aus
wie eine literarische Satire auf Schnitzler, Sudermann, ffesteren Stil. Vielleicht würde eine andere Rolle größere
Bahr und andere dichtende Puppenspieler des Lebens, und
Tiefe und maßvollere Beherrschung der Mittel erweisen
itera= doch ist's, nehmt alles nur in allem, ein Dichtereinfall von
können. Mit Freude begrüßte man Professor Adolf
Müller als Gast in seiner stilvoll bedeutenden Dar¬
Zumsanfter Lu#gkeit und gezähmter parodistischer Laune. Ohne
stellung des alten Moor. Daran konnte man wieder inne
#ar= die Grellit der Plakatkunst Wedekinds. Mit der um¬
werden, welche Art von Kunst uns noitut, da sie bedenklic
ikler=schatteten Witzigkeit Schnitzlers. Nur wer auf den Hinter¬
zu mangeln beginnt. Siehe die unzulängliche Amalia.)5e2.
elssgrund hindurch schaut, sieht die Tiefe des Dichters. Andere
aloge mögen sich am ungewohnten heiteren Anblick ergötzen, den
te De Mai dem Jung#n
seren die an Drähten als Marionetten baumelnden Schauspieler
worin bieten. Das ist immer wenn es mal gemacht wird, ein
kario=samoser Spaß, der die Darsteller wie die Zuschauer gleicher¬
#ukeln maßen zu unterhalten pflegt. Sie sind alle zu Puppen er¬
ohne starrt, die uns sonst durch die Freiheit der Bewegung
ischen bannen, Ilt, Wierth, Wahlberg, Fischer, die
e=[Bleibtreu, die Schaffer und viele andere, sie zucken
chter= und zappeln an Fäden und schweben durch die Luft und
des reden im Puppentheaterstil. Eine sehr amüsante Sache.
nten,[Meyer ist als Wiener Strizzi der Theaterdirektor, Meh¬
mitnert der Dichter, und Lindner und Becker wirken
bareu höchst bedeutungsvoll am Schlusse mit. Durch Fischers
Da= Spielleitung und die Dekorationskünste Linnebachs und
der [Altenkirchs ist der Wurstelprater hingestellt. So dient
ein der große Apparat des ganzen Schauspiels einem kleinen
—Zweck. Doch braucht man das nicht griesgrämig zu mi߬
t der billigen, denn es geschieht für eine dichterisch wertvolle
inen Seltenheit, die auch in Abendvorstellungen vielen Freude
und machen wird, mögen sie sich am lebensvollen Außenbild oder
Un=an der nachdenklichen Tiefe der Burleske ergötzen. — Am
bens Sonnabend spielte in den „Räubern“ ein Gast den Franz
darin Moor. Ewald Schindler kommt vom Stadttheater in
ne Bremen und bewirot sich um Anstellung imt Charakterfach.
EEE
Vossische Zeitung Be
—4 6 1918
4-SonBi8
Schninlers Burleske „Zum großen Wurstel“ wurde als
Boliues Basen Zeitung, Berlie
fletzte Erstaufführung in dem Mittagszyklus des Kgl. Schauspiel¬
Morgenausgabe
hauses in Dresden gegeben. Sie ist eine der witzigsten Ironi¬
sierungen des Theaters, des Publikums, aber auch des Dichters
selbst. Das Marionettenspiel im Spiele wird zur Parodie Schnitz¬
In der Sonntagmittag=Vorstellung des
Tresdener Königl. Schauspielhauses gab es zum
lerscher Gestalten, seiner Vorliebe für Duellgeschichten, Liebelei
Arstenmal Arthur Schnitlers burlesken Dreiakter
und Sterbelei, und wenn sich sogar der Tod als großer Wurstel
„Zum großen Würstel“, ein heiter=nachdenkliches
demaskiert, so gewinnt sie einen gewissen kühnen Zug. Allerdings
Zwischensviel voll leichter Ironie, spielerisch gankelnd
schwächt ihn gleich wieder das Auftreten des „Unbekannten im
zwischen Marionettenbühne und Bühne des Lebens.
blauen Mantel“, der erzengelhaft die Ziehdrähte der Puppen durch¬
Der „Wurste!“ —
der Wiener Hauswurst —
ist eine
schneidet, denn nun wird das Geheimnis noch übergeheimnist. Die
Puppentheater im Pratergarten. Unten sitzen die
Parodie aber bleibt wirksam, Scherz, Ironie, Satire siegen über
biertrinkenden, essenden Bürger, streiten sich der
tiefere Bedeutung, und insbesondere die Verulkung des Publi¬
bifßee und der wohlwollende Zuschauer, der Theater¬
kums ist sehr lustig. Der Bissige, der Wohlwollende und der Naive
kritisieren die Vorgänge der Duelltragödie. Der Ringkämpfer, der
„gar nicht dazu gehört“ und erst im letzten Augenblick eingeschoben
wird, trägt den größten Erfolg davon, während die ernsten Stellen
zur Verzweiflung des Dichters versagen. Dafür nennt der Dichter
das Publikum nur „die Bestien“ und ist zu jeder Streichung bereit.
Herr Mehnert spielte ihn in Schnitzlers Maske. Unnachahmlich
war Herr Wierth als Herzog im Marionettenstück, ein Kraft¬
protz von geziertester, mühelosester Lässigkeit. Die chaotische Bunt¬
heit des Durcheinanderspiels von Zuschauern und Puppen, in das
am Ende auch ein Herr im wirklichen Parkett eingreift, um Schein
und Sein gründlich durcheinanderzubringen, gelang der Regie

Hanns Fischers ausgezeichnet.