II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 62

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17.3. Zun g1n Würste.
5— C Ineriael Kautsie Nachnichtes
„ Die Erstaufführung einer Schnitzler=Burleske. Aus
Dresden wird uns geschrieben: In der Miktägsvorstellung des
Kgl. Schauspielhauses gab es zum ersten Mal Arthur
Schnitzlers burlesken Einakter „Zum großen Wurstel“,
ein heiter=nachdenkliches Spiel voll leichter Ironien spielerisch gau¬
kelnd zwischen Marionettenbühne und Bühne des Lebens. Der
„Wurstel“ — der Wiener Hanswurst — ist ein Puppentheater im
Pratergarten. Oben agieren die Marionetten ein parodistisch¬
sentimentales Liebesstück mit den typischen Figuren des jungen
Herrn, des süßen Mädels, der sensationsgierigen Herzogin uiw.
(Fast klingt es wie eine Selbstpersiflage des „Liebelei“=Dichters.)
Und unten sitzen die biertrinkenden, essenden Bürger, kommentieren
das Stück, streiten sich der bissige und wohlwollende Zuschauer,
Dichter und Theaterdirektor. Schließlich durchschneidet das Schwert
des symbolischen „Unbekaunten“, die Fäden, die sichtbaren der
Puppen, die unsichtbaren der Menschen vor der Bühne; für einen
Augenblick tut sich die Toppelbödigkeit des Daseins auf. Dann
klingt in einem lauten Akkord des Johrmarktlärms das Spiel aus
— Hanns Fischers Regie fand den rechten Ton für die Bur¬
leske und ihre Poesie. Sehr lustig wurde die eckige Gestik der Ma¬
tionetten nachgeahmt. Meyer als Theaterdirektor, Mehner:
als Dichter, Ponto als bissiger Zuschauer und die Bleibiren,
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itz, Wierth und Fischer als Marionetten sicherten eine#
schönen Erfolg.
Berliner Börsen Courier
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Abendausgabe
Berlin
Schnitzlers—Puppenspiel, über das in der
heutigen Moroenausgabe Paul Adler berichtete,
wurde vom Setzer durcheehend „Zum großen
Würstel“ betitelt. Es heißt jedoch „Zum großen
Wurstel“.
—..— — 6- 6 178
Breslauer Morgen Zeitung.
Kleine Mitteilungen.
Artur Schnitzlers einaktige Burleske
„Zum greßen Wurstel“ ein heiter=buntes
Spiel, gewürzt mit Ironie und Satire, hatte im
Königlichen Schauspielhaus zu Dresden großen
Heiterkeitserfolg.
In Kopenhagen traten die Delegierten der neu¬
tralen Staaten, die an den internationalen
Ozeanforschungen teilnehmen, zusammen.
Im Laufe der vier Tage währenden Besprechungen
wurden verschiedene fischerei=ökonomische, ebiologische
und =hydrographische Fragen behandelt. Unter
ersteren stand an erster Stelle ein Vorschlag über
umfassende Untersuchungen der
Nordsee¬
fischbestände nach dem Kriege zum Zwecke der
Vergleichung mit den vor dem Kriege durch die
Arbeit der internationalen Ozeanuntersuchune
veröffentlichten ausführlichen Berichte, welchen
-G 6. 7918
Bebemin. Prag. Abendblatt
S
Bühne und Kunft,
Schitzter in Dresden. Aus Dres### wird
gemedet Arkur Schnißlers einaktige Burleske
„Zum großen Wurstel“ ein heiter=buntes Spiel.
gewürzt mit Ironie und Satire, und von Hanns
Fischer lebendig inszeniert, hatte im königlichen
Schaufpielhaus großen Heiterkeitserfolg.

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Berliner Börsen Courier, Berlis
Morgenausgabe
GAUR :310
Theater und Musik
Zum großen Würstel.
Puppenspiel von Artur Schnitzler.
Erf aufführung in Ahen.
Von Schnitzlers drei Marioneltenlspielen; dem
Prolog vom Dichter und verunglückten Menschen¬
lenker, dem „Tapferen Kassian“, Spiel der Liebe,
und dem „Großen Würstel“ Komödic vom sinn¬—
losen Leben — hat das Dresdner Königl. Hoftheater
im Rahmen seiner Sonntagsspiele das letzte Stück
gewählt. Also nicht das beste und auch nicht eigeni¬
lich das reizvollste, als welches sicher der geistvolle
Kassian gelten muß. Immerhin eine geistvolle
Spielerei auch dieses „Große Würstel“ und — wenn
wir nicht irren, zum erstenmal außerhalb Oester¬
reichs jedenfalls zum erstenmal seit langen Jahren
auf die Bretter gebracht. Und eine Blüte von sehr
wienerischem Duft an die Elbe gebracht. Daß sie
nicht gepreßt war und nicht eingetrocknet, vielmehr:
ziemlich in ihren Säften erhalten, war beinahe über¬
Man entsinnt sich vielleicht vom Buche her des
Spieles. Der Wiener Würstelprater mit den Hans¬
würsten (jenen, „die sich prügeln und dann beide vom
ach, wer seufzte dabei nicht
Teufel geholt werden“
heutzutage und hätte seinen Gedanken, so wie wenn
zwei Augure lächeln. Und dazu das heiter anzie¬
hende Sonntagsleben des Wien von Anno Dazumal.
Vor 1914. Eh der Tapfere Kassian kam und der
Großmutter den Großvater und den Enkel nahm.
In dieser Welt — sie litt immer an dem allgemeinen
Weltschmerz, dem Tod — aber es ging diesmal dem
Arzt Artur Schnitzler nicht zu tief — unter diesen
Siebensachen hat der Dichter ein wirkliches Mario¬
nettentheater aufgerichtet (kein wirkliches natürlich
auf der realen Buhne) also ein romantisches Doppel¬
spiel wie seit Tieck als Bühnenscherz üblich. Zum
Schluß aber bringt der Autor noch einige seiner
Schauspieler in dem wirklichen Zuschauerraum unter,
von wo sie den gewaltsamen Schluß des Ganzen her¬
beiführen. Der „Wohlwollende“, der „Bissige“ der
„Naive“, der Bürger mit seinen beiden Töchtern
und eine ganze Flora von wohlgesinnten oder skan¬
dalsüchtigen Zuschauern (die in Dresden nur sehr
wenig verschnitten war), begleitet den „Großen
Würstel“ die Marionettenkomodie vom Leben mit
seinen amüsanten Spiegelungen, bis sehr bald und
mitten in die Szene, ehe die sich aufgeklärt hat, zuerst
der Große Würstel, keine Aktualität, bitte, auch kein
Symbol etwa des Volkes gab, sondern der leibhaftige
Tod den Marionetten allen und danach der „Mann
im blauen Mantel“, nochmals der Tod, auch all den
Zuschauern auf der Bühne ein unerwartetes Ende
bereitet. Man kann nicht sagen, daß all diese Mario¬
netten: der Held farblos, der grotesk=frivole Herzog
(von Lawine), die Herzogin (eine vornehme Prosti¬
tuierte), die Liesel (ein Mädchen, „deren Natur es
ist“), auch nur inhaltlich, ihr Marionettendasein er¬
schöpfen, da es ihnen ja zeitlich von dem „Großen
Würstel“ nicht verstattet wird. Sie führen einige
zumeist reizvolle und anmutige oder scharfe Reden,
bemühen sich aber geradezu darum, keinesfalls über
die bloße Skizze den bloßen galanten Schnitt ihres
Charakterkostüms hinauszugehn. Am besten war
der sozusagen hispanische, aber seinen Ernst nicht
selbst ernstnehmende Herzog, wenigstens in Alexander
Wierths Darstellung (von einer Verkörperung
kann in dieser Rolle weniger die Rede sein als vier
eher von einer Art Vergeistigung). Der seinen man¬
gelnden Ernst ernstnehmende „Held“ aber bot seinem
Darsteller Herrn Iltz lange nicht solche Vorteile.
Frau Bleibtren, eine der besten Kräfte
Dresdens, war trotzdem keine „dämonische“ Herzogin,
sie konnte nach der ganzen Art ihrer Begabung nur
eine bewußte Karikatur dort vortragen, wo nur das
Unbewußte das Böse und also die Tragik birgt.