box 22/7
17.2. Der tanfere Cassian
Telephon 12801.
S Mtereere
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
66
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
= Ausschnitt aug
ORESDNER JOURNAL
2
28 2. 1903
E vom:
Marionettentheater Münchener Künstler. In.
Saale des Neustodter Casinos hat jetzt der Münchne
Schriftsteller und Puppenspieloirektor Paul Brann sein Zel
aufgeschlagen, und durch die Literarische Gesellschaft sind die
Dresdner in die angenehme Lage gekommen, die Bekanntschaf:
mit einem ganz eigenartigen Theaterunternehmen zu machen
Es handelt sich um nichts Geringeres, als um den Versuch
—das Aschenbrödel unter den Bühnen aus seiner Niedrigkeit zu
erheben. Wenn wir unser Schulwissen über das Puppenspiel
ein wenig ordnen, dann dürfen wir im Gefühl der Dankbar¬
keit für das Marionettentheater als die Wiege manches Großen
im Reiche dramatischer Kunst keinen Augenblick zögern, diese
Standeserhöhung freudig zu begrüßen. Aber so glücklich und
so wunschlos, wie die Märchenptinzessinnen, sind die wirklichen
sicher nicht, und ob sich die zu ungeahnter Würde gelangte
Puppenbühne sehr behaglich dabei vorkommt, möchten wir doch
bezweifeln. Das frische Bauernkind gewöhnt sich nicht recht
an die Hofluft und sehnt sich wohl oft in die frühere Um¬
gebung zurück Genug, im kunstfreudigen Süden konnte der
Gedanke entstehen, dies Marionettentheater zu höheren
benutzen. Ein romantischer
künstlerischn Zwecken zu
Gedanke, der unserer Tage würdig ist. Auch ein
Stück überkultur, welche die
verlorene Natur sucht.
Das Theater des Hrn. Brann stellt sich, rein äußerlich
betrachtet, als eine Sehenswürdigkeit dar, mit allen Neuerungen
der Technik versehen, mit der Lautenschlägerschen Drehbühne,
mit künstlerisch entworfenen, in der Nymphenburger Porzellan¬
manufaktur gearbeiteten Möbeln, mit feinen, zierlichen. durchaus
stilgemäßen Figürchen von größter, fast natürlich anmutender
Bewegungsfähigkeit. An den Nachmittagen gibt es Franz
Poccis Zzuberstücke, die zu dieser Miniaturkunst passen
Abends führt man — bei uns wenigstens — eine Groteske
von Arth.
r Schnitzler „Der tapfere Cassian“ und eine
komische=per „La Seia padrona“ von Pergolese auf. Die
Over ist entzückend und wird vorzüglich gesungen, während das
für die Puppenbühne berechnete Stück des Wiener Dichters
eine nur mäßige Wirkung erzielt. Um die Vorstellungen be¬
mühen sich außer dem geschickten Impresario und seiner tech¬
nischen Hilfstruppen Hr. Pianist Karl Pretzsch und ein paar
andere heimische Kräfte, die ihre Namen verschweigen.
Könnten wir doch echte Puppenspiele, wie sie Engel und Koll¬
mann gesammelt haben, in diesem stilvollen Rahmen sehen,
den Faust, den steinernen Gast! Dann erst wären wir ganz
befriedigt. Aber wir danken es den Münchnern, daß sie unserem
Puppenspieldirektor auf der Kreuzstraße sein Repertoire nicht
wegnehmen.
17.2. Der tanfere Cassian
Telephon 12801.
S Mtereere
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
66
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
= Ausschnitt aug
ORESDNER JOURNAL
2
28 2. 1903
E vom:
Marionettentheater Münchener Künstler. In.
Saale des Neustodter Casinos hat jetzt der Münchne
Schriftsteller und Puppenspieloirektor Paul Brann sein Zel
aufgeschlagen, und durch die Literarische Gesellschaft sind die
Dresdner in die angenehme Lage gekommen, die Bekanntschaf:
mit einem ganz eigenartigen Theaterunternehmen zu machen
Es handelt sich um nichts Geringeres, als um den Versuch
—das Aschenbrödel unter den Bühnen aus seiner Niedrigkeit zu
erheben. Wenn wir unser Schulwissen über das Puppenspiel
ein wenig ordnen, dann dürfen wir im Gefühl der Dankbar¬
keit für das Marionettentheater als die Wiege manches Großen
im Reiche dramatischer Kunst keinen Augenblick zögern, diese
Standeserhöhung freudig zu begrüßen. Aber so glücklich und
so wunschlos, wie die Märchenptinzessinnen, sind die wirklichen
sicher nicht, und ob sich die zu ungeahnter Würde gelangte
Puppenbühne sehr behaglich dabei vorkommt, möchten wir doch
bezweifeln. Das frische Bauernkind gewöhnt sich nicht recht
an die Hofluft und sehnt sich wohl oft in die frühere Um¬
gebung zurück Genug, im kunstfreudigen Süden konnte der
Gedanke entstehen, dies Marionettentheater zu höheren
benutzen. Ein romantischer
künstlerischn Zwecken zu
Gedanke, der unserer Tage würdig ist. Auch ein
Stück überkultur, welche die
verlorene Natur sucht.
Das Theater des Hrn. Brann stellt sich, rein äußerlich
betrachtet, als eine Sehenswürdigkeit dar, mit allen Neuerungen
der Technik versehen, mit der Lautenschlägerschen Drehbühne,
mit künstlerisch entworfenen, in der Nymphenburger Porzellan¬
manufaktur gearbeiteten Möbeln, mit feinen, zierlichen. durchaus
stilgemäßen Figürchen von größter, fast natürlich anmutender
Bewegungsfähigkeit. An den Nachmittagen gibt es Franz
Poccis Zzuberstücke, die zu dieser Miniaturkunst passen
Abends führt man — bei uns wenigstens — eine Groteske
von Arth.
r Schnitzler „Der tapfere Cassian“ und eine
komische=per „La Seia padrona“ von Pergolese auf. Die
Over ist entzückend und wird vorzüglich gesungen, während das
für die Puppenbühne berechnete Stück des Wiener Dichters
eine nur mäßige Wirkung erzielt. Um die Vorstellungen be¬
mühen sich außer dem geschickten Impresario und seiner tech¬
nischen Hilfstruppen Hr. Pianist Karl Pretzsch und ein paar
andere heimische Kräfte, die ihre Namen verschweigen.
Könnten wir doch echte Puppenspiele, wie sie Engel und Koll¬
mann gesammelt haben, in diesem stilvollen Rahmen sehen,
den Faust, den steinernen Gast! Dann erst wären wir ganz
befriedigt. Aber wir danken es den Münchnern, daß sie unserem
Puppenspieldirektor auf der Kreuzstraße sein Repertoire nicht
wegnehmen.