II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 41

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17.2. Der tanfereCassian
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allen Sozialdemokraten geleistet hat: er war ein Jugend=Bildner in
des Wortes bester Bedeutung. In seinem selbständigen „Arbeiter¬
verein“, den freilich eine engherzige Parteiorganisation am Ende
doch zu erdrosseln wußte, hat Friedrich Bosse Menschen zu Menschen
erzogen: sein Idealismus ging vom Herzen zum Herzen, nicht bloß
vom Munde zum Munde — Bosse erzog der roten Internationale
weniger forsche Agitatoren; er stattete sie vielmehr mit überzeugungs¬
treuen Pionieren aus, die da nicht bloß wagen, nein auch wägen,
wenn ihrer größere Aufgaben im Daseinskampfe harren.
Friedrich Bosse war es auch, der vor noch gar nicht so langer
Zeit mit mir über die „Leipziger Volkszeitung“ sprach. Was er
mir da sagte, behalte ich besser für mich; denn es könnte sonstens
wohl gar geschehen, daß die Lensch und Keimling ihrem verblichenen
Genossen lediglich deshalb ein böses Wort nachreden möchten, weil
es Friedrich Bosse Zeit seines Lebens nimmer über sich gewann, an
jenen Schimpforgien skrupellos mit teilzunehmen, die unter den Volks¬
zeitungsleuten allemal dann gang und gäbe sind, wenn mein Name
wieder einmal besonders eifrig in der Offentlichkeit diskutiert wird.
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Leipziger Theater.
Neues Theater.
Colombine (Text von Pserhofer); Der tapfere Kassian (Text von
tler): Venus im Grünen (Text von Lothar). Musik zu allem:
Oskar Straus.
Schon in der Überschrift habe ich das Wesentlichste kritisch geäußer::
drei Herren hapen gedichtet (der eine schlecht; der andere leidlich; der dritte
schnoddrig) und Oskar Straus machte etwas Musik dazu. Das ist das
große Geheimnis. Lediglich deswegen gab's vom Stadttheäter aus eine
ungewöhnliche Reklame: eine Erst= und zwei Uraufführungen — noch dazu
alles, Stück für Stück, unter persönlicher Leitung des Komponisten!
Wir hätten also in diesem Fall den reinen Jahrmarkt von Tönen Und
das eben ist das Böse an der Geschichte: wo die Kunst in sich, an sich nichts
fertig bringt, muß der Tamtam herhalten. Vogel=Strauß=Politik. Schnurrig,
wie Namen und Tatsachen hier zusammentreffen.
Also: Herr Pserhofer schrieb anno dazumal (und zwar nach einem tüchtigen
Prunkreißer aus der Feder des Breslauer Rechtsanwalts Dr. Erich Korn)
einen Einakter „Colombine". Schrieb ihn mit Tinte und in schlechten
Versen. Alles auf den Effekt zugeschnitten. Und dasselbige Ganze in lauter
larmoyante Sauce eingebuttert. Herr Oskar Straus aber gedachte auf der
Skala solcher Worte zum — Opernkomponisten zu werden. Als solcher rührte
er dreist und gottesfürchtig des Herrn Pserhofer süßlich=schlierige Tunke noch
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