II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 103

17.2. Der tapfere dassian box 22/7
Kunst = Wissen = Leben
Der tapfere Gassian.
er Chronist vermerkt: Erster Spielabend der Schausvielgruppe
der Literarischen Gesellschaft. Markstein in der Geschichte dieser Ver¬
inigung:
öchstspannung im vollen Hause, dann Stimmung und am
Schluß Begeisterung Neue Wege für die „Literarische“. zu neuem Ruhm.
in Chronist darf ja nicht propbezeien. Höchstens der Kritiker.
entlich. Dem aber sagen die Leitsätze des (sehr geschmackvollen)
ns: Lieohaberaufführungen wollen nicht als schauspielerische
ngen bewertet werden. Gewiß: sie wollen es nicht. Aber
sie ernster, kritischer Würdigung standhalten, dann. dächte ich,
besser. Das „Lob“ im Munde nachsichtig=lächelnder Duldsamkeit
schwerste Tadel. Die Schausvielgrupve hat etwas geleistet:
ehrliche. künstlerische Arbeit. Der Lohn sei: streuge Kritik: ihr
äftig genug, sie zu vertragen: ihr Mannen der Schauspielgruvve!
rweg: Ihr habt Mut! Artbur Schnitzler spielt sich nicht leicht.
Dialog, witzig geistvoll, pointiert, glitzert in allen Farben.
narbeit, wie seine Figuren, die mit feinsten Strichen gezeichnet
schrieb die zart=süße „Liebelei“ den keck=sprühenden „Anatol“
reilich, auch den „Reigen“. der nie für die Bühne bestimmt
er. von geschäftswütigen Direktoren auf die Bretter gezerrt.
des Dichters besudelt). Schrieb auch diesen „Tapferen
in Puppenspiel. Sind's Marionetten, diese Gestalten aus
knechtszeit: Martin, der junge Student mit dem Durst nach
en draußen, nach dem Abenteuer, der einer leichtfertigen
n nachläuft und sein treues Liebchen Marie darum verläßt:
Cassian, der bramarbasierende Landsknecht, dessen Lebensinhalt
I Weiber und das Raufen sind: diese Marie, die diesem Re¬
nisten und Raufbold aufliegt — kaum, daß sie ihn erblickt hat...?
Ein Puppenspiel voll Witz für den, der sich am Spiel ergötzen will. Für
den. der tiefer siebt. ein ironisch=wehmütiges Spiel mit — Menschen¬
seelen. Denn mit Menschenseelen spielen — die Dichter.
Die Hauptverson im Pupvensviel ist der Mann, der binter der
Bühne die Drähte zieht. Er haucht den Marionetten seinen Geist und
seine Seele ein Gestern hieß er Hermann Ballach, und er ist ein
ganzer, echter Künstler Verständnisvolles Einfühlen und Nachdichten
der Dichtung, das ist die Aufgabe des Regisseurs: Ballach löste sie fast
restlos. Nur in diesem kecken, sprübenden Stil darf Schnitzler gespielt
werden! Sehr hübsch schon der Gedanke, die Darsteller in Marionetten¬
art spielen zu lassen; und wie folgerichtig, stilecht wurde er durchgeführt
(die Umarmungsszene
in kleines Kabinettstück)! Jede Gruppie¬
rung. jede Stellung. jede Bewegung aufs kleinste genau der Situation.
der Stimmung angevaßt (Auftritt Cassians: Sterbeseene): liebevollste
Detailarbeit, und doch immer Wahrung der großen. künstlerischen
inie Eine schärfere Steigerung in den Würfelszenen, eine kleine
Beschleunigung des Temvos in den Anfangsszenen war der einzige
Wunsch, der offen blieb. Ballachs Hauptleistung zuletzt: die Rollen¬
besetzung: sie zeigte den sicheren Bühnenblick des Spielleiters. Grete
Schröder gab die Marie: echtestes Bühnenblut. Darf man nur
Tenöre entdecken? Heran, ihr Herren Direktoren; wer „entdeckt“ diese
Schröder? Ich verspreche euch, es lohnt sich! Diese Natürlichkeit.
diese Selbstverständlichkeit der Darstellung besitzt nur das echte, große
Talent: Bewegung. Mienensviel. Temverament — eine Leistung aus
einem Gusse. Prächtig gelang Hanns Sendler der Martin. ein
ganz köstliches Gemisch von Abenteuerlust. Naivität und Schwermut
und gerade dieser schwermütige Zug wirkt — ganz schnitzlerisch —
überwältigend lustig: nur ein wenia forscher hätte dieser Martin sein
können, der ia doch immerhin ein flotter Student ist. Als Gegenstück
dieses schmächtig=trübseligen Junkers Bleichwang stellte Wolfgang
Schmidt (tertlich nicht immer ganz sicher) seinen Cassian auf
zwei stramme Beine. halb Falstaft halb Münchhausen. kernig. robust.
lustig, prall, vom Scheitel bis zur Zehe ein echter Landsknecht. Werner
Fiuck ließ aus der kleinen Rolle des Dieners Laune und Temvera¬
ment sprühen: eine treffliche Charge.
Für das stimmungsvolle
Bühnenbild batte Bernhard Gasde gesorgt.
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