17.1. Der Puppenspieler box 22/6
Berliner Theater.
Deckisches Theater: „Der Puppenspieler“, Studie von Arthur Schnitzler
Residenz¬
und „Trugbild“, Schauspiel von Georges Rodenbach.
cheater: „Das beste Mittel“ (Le hon moven), Schwank von Alexander
Bisson, frei bearbeitet von Benno Jacobson.)
(Von unserem Correspondenten.)
Berlin, 14. September.
#
Das Deutsche Theater hat den ersten Premièrenabend seiner
neuen Spielzeit als einen der unglücklichsten zu verzeichnen. Neun
Jahre hat Herr Brahm sein Deutsches Theater von jedem fran¬
zösischen Stück ängstlich freizuhalten gewußt, nun da er mit
Maeterlinck's „Monna Vanna“ in der vorigen Saison ein beispiel¬
loses Geschäft gemacht hat, mußte er, da er einmal mit dem
Brauche brach, auf Rodenbach's „Trugbild“ verfallen, dem
sämmtliche Bedingungen für eine Bühnenwirksamkeit in erschreckender
Vollzähligkeit fehlen. Eine fadendünne Handlung, die kaum für
Telephon 12801.
einen Act ausreicht, ist für vier auseinandergezerrt; drei Menschen,
ein Monomane, eine Dirne und ein Vertrauter, von denen wir aber
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
nichts weiter erfahren, als daß sie eben monoman dirnenhaft und
dee Ausschnitt
befreundet sind, stehen in Beziehungen zu einander, deren Einzig¬
Nr. 91
artigkeit oder Niedagewesenheit jedes tiefere Interesse verhindert,
„OBSERYEI
und reden Dinge miteinander, die unendlich langweilen und auch
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
sprachlich keinerlei Reiz aufzuweisen haben. Was der feinen
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Novelle „Das todte Brügge“ ihre Bedeutung verleiht, war für
die Bühne theils nicht zu gebrauchen, theils nicht zu retten und
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
so bleibt nichts als eine peinigende Schauerlichkeit übrig.
Der monomane Held des Stückes betrauert seine verstorbene
Gattin. Mit ihr ist alle Lebenslust und alle Lebensfreude in
Ausschnitt aus: Fägliche Rur Echan, Berlin
ihm erstorben. Da begegnet ihm auf der Straße das Ebenbild
der Verstorbenen. Die Natur hat die Tiefbetrauerte ein zweites¬
mal für ihn geschaffen. Er folgt der Doppelgängerin ins Theater,
vomt 40/
wohin sie ihr leichtbeschwingter Beruf führt, denn sie ist —
Tänzerin. Er nimmt sie zu sich ins Haus, um, wie er wähnt,
ein zweites Liebesleben an der Seite der innigst Geliebten, die er
so früh verloren, zu führen. Aber seltsames Spiel der Natur:
Die Geliebte gleicht wohl äußerlich der Seligen vollkommen, aber
ihre Seele ist grundverschieden von der der Betrauerten. Sie ist
eine Dirne, die mit seiner Trauer ein leichtfertiges Spiel treibt,
Voranging eine Plauderei von Schnitzler —
die sich cynisch an den Reliquien vergreift, die der Erinnerung
anders kann man das anspruchslose Werkchen kaum
an die Verstorbene geweiht sind, und da sie in ihrem frivolen
bezeichnen, das in schwächerem Aufguß den
genialen, über alle Kleinlichkeiten hinausgediehenen
Uebermuth so weit geht, die Haare der Verstorbenen sich um
Bohemientypus zu schildern versucht, den Ibsen
den Hals zu legen, bricht der Wahnsinn in ihm aus und er er¬
des öfteren und schließlich auch Lessing im Derwisch
drosselt mit den Haaren das sündige Weib.
des „Nathan“ hingestellt hat. Der wahre Bettler
Das Publicum hielt sich, wie der Held des Stückes, an
ist der wahre König. Hier und da ein hübsches
die Aeußerlichkeiten, wollte nicht in die Tiefe der Seele dringen
Wort bei Schnitzler; im ganzen aber fehlt
und luchte bei den ernstesten Scenen. Selbst die glänzende Dar¬
die große, breit hingelegte Linie der plasti¬
stellung Oskar Sauer's, der als trauernder Gatte eine feine
schen Figurenzeichnung. Herr Bassermann gab
Seelenanalyse bot, und die realistische Leistung Irene Triesch',
den „Verlumpten“ mit feiner Strichelkunst. Frl. jnclusive
Für
die die frivole Tänzerin spielte, vermochten an dem Schicksal des ##
Triesch spielte im Rodenbachschen Stück die Porto.
Tänzerin als flinkes, intrigantes Grisettchen mit Zahlbar
Stückes nichts zu ändern.
starkem Haut=Gout.
Viel höher steht Schnitzler's dramatisch anspruchslose, dem
Paul Mahn. im Voraus.
1000
Inhalt nach nicht werthlose Studie „Der Puppenspieler“. Sie
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausscumtte ist das
spiegelt den Grundgedanken: Was gibt's denn im Leben Fest¬
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt; — auch steht es den
stehendes? Ist nicht Alles trügerisch, unter dem Blick zer¬
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
rinneno? Ein Sonderling, halb Ulrik Brendel, halb Narciß,
Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
lebt von der Illusion, Dinge und Menschen nach seinem Willen
Inhaltsangabe aller wichtigen Mittheilungen der Wiener Morgen¬
lenken zu können. Es ist eine Illusion: er glaubt zu schieben und
blätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung“)
er wird geschoben. Das klärt sich auf. Mehr geht nicht vor.
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirthschaftliche
Aber das Wenige in einer feinen, geistvollen Diction und mit
Leben des In- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mit¬
Blicken in die Vergangenheit und Zukunft. Ueber die außer¬
theilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
ordentlich geistvolle Art, in der Bassermann die Hauptrolle spielte,
Pnospecte gratis und franco.
habe ich bereits telegraphisch berichtet.
Die französischen Schwankautoren sind genügsame Leute.
Seit Jahrzehnten leben sie von Bruchtheilen der Ehe und werden
dabei steinreiche Leute, denn der liebe Publicus freut sich un¬
bändig wenn er von seinem Parketsitz aus beobachten kann, wie
dem blitzdummen Kerl da oben auf der Bühne von seiner herzigen
Gattin Hörner aufgesetzt werden, und er freut sich nicht minder,
wenn er spielend zu lernen vermag, wie man es anstellt, um
seine Frau auf anständige Weise betrügen zu können. So kommt.
es denn, daß Jahre hindurch dasselbe Stück gespielt wird,
das eigentlich nur den Namen ändert, und man ist schon zu¬
frieden, wenn es den Autoren gelungen ist, irgend einen Trie
beileibe nicht zu erfinden, sondern zu wenden, daß er wie neu aus¬
sieht. Alerander Bisson ist diesmal ganz im alten Geleise geblieben,
as beste Mittel“
Berliner Theater.
Deckisches Theater: „Der Puppenspieler“, Studie von Arthur Schnitzler
Residenz¬
und „Trugbild“, Schauspiel von Georges Rodenbach.
cheater: „Das beste Mittel“ (Le hon moven), Schwank von Alexander
Bisson, frei bearbeitet von Benno Jacobson.)
(Von unserem Correspondenten.)
Berlin, 14. September.
#
Das Deutsche Theater hat den ersten Premièrenabend seiner
neuen Spielzeit als einen der unglücklichsten zu verzeichnen. Neun
Jahre hat Herr Brahm sein Deutsches Theater von jedem fran¬
zösischen Stück ängstlich freizuhalten gewußt, nun da er mit
Maeterlinck's „Monna Vanna“ in der vorigen Saison ein beispiel¬
loses Geschäft gemacht hat, mußte er, da er einmal mit dem
Brauche brach, auf Rodenbach's „Trugbild“ verfallen, dem
sämmtliche Bedingungen für eine Bühnenwirksamkeit in erschreckender
Vollzähligkeit fehlen. Eine fadendünne Handlung, die kaum für
Telephon 12801.
einen Act ausreicht, ist für vier auseinandergezerrt; drei Menschen,
ein Monomane, eine Dirne und ein Vertrauter, von denen wir aber
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
nichts weiter erfahren, als daß sie eben monoman dirnenhaft und
dee Ausschnitt
befreundet sind, stehen in Beziehungen zu einander, deren Einzig¬
Nr. 91
artigkeit oder Niedagewesenheit jedes tiefere Interesse verhindert,
„OBSERYEI
und reden Dinge miteinander, die unendlich langweilen und auch
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
sprachlich keinerlei Reiz aufzuweisen haben. Was der feinen
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Novelle „Das todte Brügge“ ihre Bedeutung verleiht, war für
die Bühne theils nicht zu gebrauchen, theils nicht zu retten und
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
so bleibt nichts als eine peinigende Schauerlichkeit übrig.
Der monomane Held des Stückes betrauert seine verstorbene
Gattin. Mit ihr ist alle Lebenslust und alle Lebensfreude in
Ausschnitt aus: Fägliche Rur Echan, Berlin
ihm erstorben. Da begegnet ihm auf der Straße das Ebenbild
der Verstorbenen. Die Natur hat die Tiefbetrauerte ein zweites¬
mal für ihn geschaffen. Er folgt der Doppelgängerin ins Theater,
vomt 40/
wohin sie ihr leichtbeschwingter Beruf führt, denn sie ist —
Tänzerin. Er nimmt sie zu sich ins Haus, um, wie er wähnt,
ein zweites Liebesleben an der Seite der innigst Geliebten, die er
so früh verloren, zu führen. Aber seltsames Spiel der Natur:
Die Geliebte gleicht wohl äußerlich der Seligen vollkommen, aber
ihre Seele ist grundverschieden von der der Betrauerten. Sie ist
eine Dirne, die mit seiner Trauer ein leichtfertiges Spiel treibt,
Voranging eine Plauderei von Schnitzler —
die sich cynisch an den Reliquien vergreift, die der Erinnerung
anders kann man das anspruchslose Werkchen kaum
an die Verstorbene geweiht sind, und da sie in ihrem frivolen
bezeichnen, das in schwächerem Aufguß den
genialen, über alle Kleinlichkeiten hinausgediehenen
Uebermuth so weit geht, die Haare der Verstorbenen sich um
Bohemientypus zu schildern versucht, den Ibsen
den Hals zu legen, bricht der Wahnsinn in ihm aus und er er¬
des öfteren und schließlich auch Lessing im Derwisch
drosselt mit den Haaren das sündige Weib.
des „Nathan“ hingestellt hat. Der wahre Bettler
Das Publicum hielt sich, wie der Held des Stückes, an
ist der wahre König. Hier und da ein hübsches
die Aeußerlichkeiten, wollte nicht in die Tiefe der Seele dringen
Wort bei Schnitzler; im ganzen aber fehlt
und luchte bei den ernstesten Scenen. Selbst die glänzende Dar¬
die große, breit hingelegte Linie der plasti¬
stellung Oskar Sauer's, der als trauernder Gatte eine feine
schen Figurenzeichnung. Herr Bassermann gab
Seelenanalyse bot, und die realistische Leistung Irene Triesch',
den „Verlumpten“ mit feiner Strichelkunst. Frl. jnclusive
Für
die die frivole Tänzerin spielte, vermochten an dem Schicksal des ##
Triesch spielte im Rodenbachschen Stück die Porto.
Tänzerin als flinkes, intrigantes Grisettchen mit Zahlbar
Stückes nichts zu ändern.
starkem Haut=Gout.
Viel höher steht Schnitzler's dramatisch anspruchslose, dem
Paul Mahn. im Voraus.
1000
Inhalt nach nicht werthlose Studie „Der Puppenspieler“. Sie
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausscumtte ist das
spiegelt den Grundgedanken: Was gibt's denn im Leben Fest¬
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt; — auch steht es den
stehendes? Ist nicht Alles trügerisch, unter dem Blick zer¬
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
rinneno? Ein Sonderling, halb Ulrik Brendel, halb Narciß,
Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
lebt von der Illusion, Dinge und Menschen nach seinem Willen
Inhaltsangabe aller wichtigen Mittheilungen der Wiener Morgen¬
lenken zu können. Es ist eine Illusion: er glaubt zu schieben und
blätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung“)
er wird geschoben. Das klärt sich auf. Mehr geht nicht vor.
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirthschaftliche
Aber das Wenige in einer feinen, geistvollen Diction und mit
Leben des In- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mit¬
Blicken in die Vergangenheit und Zukunft. Ueber die außer¬
theilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
ordentlich geistvolle Art, in der Bassermann die Hauptrolle spielte,
Pnospecte gratis und franco.
habe ich bereits telegraphisch berichtet.
Die französischen Schwankautoren sind genügsame Leute.
Seit Jahrzehnten leben sie von Bruchtheilen der Ehe und werden
dabei steinreiche Leute, denn der liebe Publicus freut sich un¬
bändig wenn er von seinem Parketsitz aus beobachten kann, wie
dem blitzdummen Kerl da oben auf der Bühne von seiner herzigen
Gattin Hörner aufgesetzt werden, und er freut sich nicht minder,
wenn er spielend zu lernen vermag, wie man es anstellt, um
seine Frau auf anständige Weise betrügen zu können. So kommt.
es denn, daß Jahre hindurch dasselbe Stück gespielt wird,
das eigentlich nur den Namen ändert, und man ist schon zu¬
frieden, wenn es den Autoren gelungen ist, irgend einen Trie
beileibe nicht zu erfinden, sondern zu wenden, daß er wie neu aus¬
sieht. Alerander Bisson ist diesmal ganz im alten Geleise geblieben,
as beste Mittel“