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16.1. Lebendige Stunden zvklus
Kar Coldsch
ureau für 4.
7
O
%
Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
BERLIN N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
Teieraunn Aärser
I COLOSCHMIDT. Auguststr. 87.
aus
%
Kheinisch-Westph. Zeitung, Essen
dighkerisch wertvoller ist das dritte Schauspiel „Die letzten Masken“ zu
vegnschlagen.
Im Wiener Allgem inen Krankenhause liegt der
Kurnalist Rademacher im Sterten. Der etenfalls dem Tode
##fallene Schauspieler Jackwerth ist sein Zimm rnachbar. Während
S 2 JAN 1902
#er eine weiß, daß sein Ene bevorsteht und mit dem Leben,
das ihm so viele Enttäuschungen brachte, abrechnen möchte"
hält
sich
andere
für
und
geneien
mi det
die schönsten Pläne für die Zukunft. Dei Arzt macht seinen Abend¬
Berlin, 5. Jan Schuitzlers Einakter=Cyklus.
besuch. Rademacher bittet ihn noch flebentlich, ihm noch schrell einen
Mihur Schnitzler unstreitig das stä der jung ren
heißen Wunsch zu erfüllen: er möchte seinen Jugendlreund, den
Wiener Schule, hat mit seinem neuesten Einakter Quartett „Lebendige
Sahrif steller Weidgast noch diesen Abend spechen, da er ihm etwas
Stunden“ im Deutschen Theater einen ziemlch gedämpft einsetzenden,
sehr Wichti. es mitzuteilen habe. Der Arzt, der mit Weihgast be¬
Kann aber stä dig st igenden und zuletzt mächtig anschwellenden Erfo'g
feundet ist, vrspricht, ihn zu bringen. Der Schauspieler fragt
Ferzielt. Die vier Stücke, die ungleich in jeder Hinsicht sind, haben
neugierig, was Rademater denn noch so Eiliges zu beschten habe,
nur das Eine gemeinsam, daß in sämtlichen Vertreter der Literatur
und dieser entgegnet: er wolle sich vor seinem Ende die Genugtbuung
lund Kunst die Hauptrollen spielen. Der Gesamttitel „Lebendige
verschaffen, dem eh maligen Freunde, der unverdient so große äußerliche
Stunden“ ist ziemlich willkürlich dem Tiel des ersten Stückcens
Erfolge im Leben daven getragn habe, unverblümt zu sagen, daß er
entlehnt, das diese Ehre umso weniger verdien e, als es das weitaus
ihn stets in seiner ganzen Hehlheit durchschaut habe, ja daß sich sodar
Schwächste unter den vieren ist. Von des Gedankens Blässe ange¬
die eigene Gattin des „großen“ Mannes angeekelt von ihm ab ewand.
krankelt, behandelt dieser Auftakt zu den folpenden, lebensvollen und
und ihre Liebe dem verkannten, vom Schicksal so arg misgenommenen
eistsprühenden Dichtungen die eklügelte Frage, ob das ganze dich terische
Journalisten geschenkt hab:. Als dann aber Weibgast wirklich komm¬
chaffen des Sohnes auch nur eine „lebendiee Stunde“ der Mutter
und mit seiner hohlen Schöniednereiichtssagende Redensarten
ufzuwiegen vermag. Eine unheilbar erkrinkte Mutter hat sich nämlich
drechselt und innige Freundschaft heuchelt, da beingt es der Sterbende
it Morphium vergiftet, um ihren Sohn vom Anblick iheer Leiden
teils vor Ekel. teils aus Mitleid nicht fertig, dem Lebenden die letzte
befreien und ihn seinem Dickterberuf wiederzugeben. Das zweite
Maske vom Gesicht zu reßen, und im Gefühl seinr ganzen Große
chauspiel „Die Frau mit dem Dolcke“ wirkt mehr durch virtuose
und Ueberlegenheit nimmt der aufgeblasene Dichter von dem sterbenden
ate und äußerliche Eff kte, als durch innere Vorzüge und echt
Jugendfreunde Abschied. Es ist eine ung mein feine pbychologische
aterische Eigenschaften. Eine junge, hysterische Frau gibt sich mit
Studie, die Schnitzler hier im engen Raymen aufrollt, tieftründig
em Liebhaber ein Stelldichein in einem Bildermuseum vor
un lebenswahr, voll bieterer Satire und nicht oh# weitere Ausblicke
rem italienischen Gemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die hier mit
auf die Ni#tigkeit alls Ildischen im Agsicht des Tode¬
em Dolche dargestellte Frau hat eine frappante Aehnlichkeit mit ihr,
und der Ewigkeit. Den Vogel aber hat der Verfasser mit dem vierter
#nd je länger sie diese Frau betrachtet, desto bestimmter wird ihre
und letzten Stück abg schessen,
das er
bescheiden einer
MUeberzeugung, daß sie die hier im Bilde dargestellte Scene vor langer,
Schwank „Litteratur“ nennt und thatsächlich eine mit glänzenden
langer Zei selbst erlebt hat, und zwar mit demselben jungen Manne,
Witz, über egenem Geist und funkelnder Laune gesariebem
der ihr jetzt zur Seite sitzt Die Bühne verdunkelt sich piötzlich, der
Satire auf jene Kaff ehausliteraten ist,
die, an
eigener
Vorhang fällt und als er sich nach einiven Augenblicken wieder hebt, sehen] Gedanken
alm, ihre kleinen Erlebnisse
langen
zu
wir dieselbe Frau mit dem jungen Manne in der Tracht der Renaissance¬
Romanen auszumüzn suchn. Sie entblößen sich und ihre
zeit vor uns. Auf einer Staffelei steht das halb vollendete Bild
„stilisierten“ Leiden und Freud.n ohne Bedenken vor der Welt, nur un
der Frau mit dem Dolche, von dem Gatten gemalt Dieser kehrt von
sich einmal gedruckt zu sehen Sie eißelt Stnitzler in dieser über¬
einer Reise nach Flozenz heim, die Frau gesteht ihm, daß sie ihn während
mütigen Komödie, die zu den Lustigsten und Unterhaltendst u gebö t,
seiner Abwesenheit betrogen habe, und ersticht vor seinen Aupen ihen
was man seit lange auf der deutschen Bühne gesehen hat. Der
Verführer mit dem Dolche. Der Gatte, der nur Künsler ist, er. reift
litterarische Feinschmecker kommt hier auf seine Rechnung wie der naive
sofort den Piusel und die Palette, um sein Wek nach den eben ge¬
Zuschauer, der nur lachen will. Die Handlung ist hier Nebensache, die
wonnenen blutigen Eindrücken zu vollenden. Die Frau wendet sich
Bebandlung alles: die prächtige Zeich ung der drei Personen, des
mit Verachtung von iim, die Bühne verdunkeli sich abermals und
kunstfremden, am liebsten Stallluft atmenden Barons, der schrift¬
wir werden in das Museum zurückversetzt, wo die aus ihrem Traume
st lernden Frau mit der Vergangenheit, die sich eine ehrbare Zukunft
erwachende Frau dem Liebhaber das lan#e verweigerte Versprechen gibt,
schaffen will und des litterarischen Ziaeuners, der das Leben in vollen
ihn abends besuchen zu woll u. Man weiß nicht recht, was man aus dies m
Zügen genießen will, dazu der vollgefüllt Sack geistreicher Literatur¬
merkwürdigen Capriccio machen soll. Ist es eine neue Variation auf
bosheiten. Alles in allem; ein sehr glücklicher Abend, der für viele
das Thema von der Stelenwanderung? Ober von der sich durch die
Fehlschläge dieses Winters entschädigen konntel
Jadrhunderte gleichbleirenden Lust am Betrügen des Ewig=Weiblichen?
Jedenfalls ist das Stück effektvoll und fesselnd. Ungleich höher,
16.1. Lebendige Stunden zvklus
Kar Coldsch
ureau für 4.
7
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Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
BERLIN N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
Teieraunn Aärser
I COLOSCHMIDT. Auguststr. 87.
aus
%
Kheinisch-Westph. Zeitung, Essen
dighkerisch wertvoller ist das dritte Schauspiel „Die letzten Masken“ zu
vegnschlagen.
Im Wiener Allgem inen Krankenhause liegt der
Kurnalist Rademacher im Sterten. Der etenfalls dem Tode
##fallene Schauspieler Jackwerth ist sein Zimm rnachbar. Während
S 2 JAN 1902
#er eine weiß, daß sein Ene bevorsteht und mit dem Leben,
das ihm so viele Enttäuschungen brachte, abrechnen möchte"
hält
sich
andere
für
und
geneien
mi det
die schönsten Pläne für die Zukunft. Dei Arzt macht seinen Abend¬
Berlin, 5. Jan Schuitzlers Einakter=Cyklus.
besuch. Rademacher bittet ihn noch flebentlich, ihm noch schrell einen
Mihur Schnitzler unstreitig das stä der jung ren
heißen Wunsch zu erfüllen: er möchte seinen Jugendlreund, den
Wiener Schule, hat mit seinem neuesten Einakter Quartett „Lebendige
Sahrif steller Weidgast noch diesen Abend spechen, da er ihm etwas
Stunden“ im Deutschen Theater einen ziemlch gedämpft einsetzenden,
sehr Wichti. es mitzuteilen habe. Der Arzt, der mit Weihgast be¬
Kann aber stä dig st igenden und zuletzt mächtig anschwellenden Erfo'g
feundet ist, vrspricht, ihn zu bringen. Der Schauspieler fragt
Ferzielt. Die vier Stücke, die ungleich in jeder Hinsicht sind, haben
neugierig, was Rademater denn noch so Eiliges zu beschten habe,
nur das Eine gemeinsam, daß in sämtlichen Vertreter der Literatur
und dieser entgegnet: er wolle sich vor seinem Ende die Genugtbuung
lund Kunst die Hauptrollen spielen. Der Gesamttitel „Lebendige
verschaffen, dem eh maligen Freunde, der unverdient so große äußerliche
Stunden“ ist ziemlich willkürlich dem Tiel des ersten Stückcens
Erfolge im Leben daven getragn habe, unverblümt zu sagen, daß er
entlehnt, das diese Ehre umso weniger verdien e, als es das weitaus
ihn stets in seiner ganzen Hehlheit durchschaut habe, ja daß sich sodar
Schwächste unter den vieren ist. Von des Gedankens Blässe ange¬
die eigene Gattin des „großen“ Mannes angeekelt von ihm ab ewand.
krankelt, behandelt dieser Auftakt zu den folpenden, lebensvollen und
und ihre Liebe dem verkannten, vom Schicksal so arg misgenommenen
eistsprühenden Dichtungen die eklügelte Frage, ob das ganze dich terische
Journalisten geschenkt hab:. Als dann aber Weibgast wirklich komm¬
chaffen des Sohnes auch nur eine „lebendiee Stunde“ der Mutter
und mit seiner hohlen Schöniednereiichtssagende Redensarten
ufzuwiegen vermag. Eine unheilbar erkrinkte Mutter hat sich nämlich
drechselt und innige Freundschaft heuchelt, da beingt es der Sterbende
it Morphium vergiftet, um ihren Sohn vom Anblick iheer Leiden
teils vor Ekel. teils aus Mitleid nicht fertig, dem Lebenden die letzte
befreien und ihn seinem Dickterberuf wiederzugeben. Das zweite
Maske vom Gesicht zu reßen, und im Gefühl seinr ganzen Große
chauspiel „Die Frau mit dem Dolcke“ wirkt mehr durch virtuose
und Ueberlegenheit nimmt der aufgeblasene Dichter von dem sterbenden
ate und äußerliche Eff kte, als durch innere Vorzüge und echt
Jugendfreunde Abschied. Es ist eine ung mein feine pbychologische
aterische Eigenschaften. Eine junge, hysterische Frau gibt sich mit
Studie, die Schnitzler hier im engen Raymen aufrollt, tieftründig
em Liebhaber ein Stelldichein in einem Bildermuseum vor
un lebenswahr, voll bieterer Satire und nicht oh# weitere Ausblicke
rem italienischen Gemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die hier mit
auf die Ni#tigkeit alls Ildischen im Agsicht des Tode¬
em Dolche dargestellte Frau hat eine frappante Aehnlichkeit mit ihr,
und der Ewigkeit. Den Vogel aber hat der Verfasser mit dem vierter
#nd je länger sie diese Frau betrachtet, desto bestimmter wird ihre
und letzten Stück abg schessen,
das er
bescheiden einer
MUeberzeugung, daß sie die hier im Bilde dargestellte Scene vor langer,
Schwank „Litteratur“ nennt und thatsächlich eine mit glänzenden
langer Zei selbst erlebt hat, und zwar mit demselben jungen Manne,
Witz, über egenem Geist und funkelnder Laune gesariebem
der ihr jetzt zur Seite sitzt Die Bühne verdunkelt sich piötzlich, der
Satire auf jene Kaff ehausliteraten ist,
die, an
eigener
Vorhang fällt und als er sich nach einiven Augenblicken wieder hebt, sehen] Gedanken
alm, ihre kleinen Erlebnisse
langen
zu
wir dieselbe Frau mit dem jungen Manne in der Tracht der Renaissance¬
Romanen auszumüzn suchn. Sie entblößen sich und ihre
zeit vor uns. Auf einer Staffelei steht das halb vollendete Bild
„stilisierten“ Leiden und Freud.n ohne Bedenken vor der Welt, nur un
der Frau mit dem Dolche, von dem Gatten gemalt Dieser kehrt von
sich einmal gedruckt zu sehen Sie eißelt Stnitzler in dieser über¬
einer Reise nach Flozenz heim, die Frau gesteht ihm, daß sie ihn während
mütigen Komödie, die zu den Lustigsten und Unterhaltendst u gebö t,
seiner Abwesenheit betrogen habe, und ersticht vor seinen Aupen ihen
was man seit lange auf der deutschen Bühne gesehen hat. Der
Verführer mit dem Dolche. Der Gatte, der nur Künsler ist, er. reift
litterarische Feinschmecker kommt hier auf seine Rechnung wie der naive
sofort den Piusel und die Palette, um sein Wek nach den eben ge¬
Zuschauer, der nur lachen will. Die Handlung ist hier Nebensache, die
wonnenen blutigen Eindrücken zu vollenden. Die Frau wendet sich
Bebandlung alles: die prächtige Zeich ung der drei Personen, des
mit Verachtung von iim, die Bühne verdunkeli sich abermals und
kunstfremden, am liebsten Stallluft atmenden Barons, der schrift¬
wir werden in das Museum zurückversetzt, wo die aus ihrem Traume
st lernden Frau mit der Vergangenheit, die sich eine ehrbare Zukunft
erwachende Frau dem Liebhaber das lan#e verweigerte Versprechen gibt,
schaffen will und des litterarischen Ziaeuners, der das Leben in vollen
ihn abends besuchen zu woll u. Man weiß nicht recht, was man aus dies m
Zügen genießen will, dazu der vollgefüllt Sack geistreicher Literatur¬
merkwürdigen Capriccio machen soll. Ist es eine neue Variation auf
bosheiten. Alles in allem; ein sehr glücklicher Abend, der für viele
das Thema von der Stelenwanderung? Ober von der sich durch die
Fehlschläge dieses Winters entschädigen konntel
Jadrhunderte gleichbleirenden Lust am Betrügen des Ewig=Weiblichen?
Jedenfalls ist das Stück effektvoll und fesselnd. Ungleich höher,