II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 156

16.1. Lebendige Stunden zyklus
box 21/2
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Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSEHVEN Nr. 88
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachricht.
ist, und von einem jungen Sohne, der ein Dichter ist und in seiner
Wien, IX, Türkenstrasse 17.
Kunst einen verheißungsvollen Anlauf genommen hat. Die Da= noch se
hingeschiedene hätte aber wohl noch ein paar Jahre leben können; person,
Filiale in Budapest: „Figyelé“
sie hat sich selbst geopfert, um dem Sohne, der neben ihrem qual= Zügen
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockho
vollen Siechtum die Schwingen seiner Seele nicht zu entfalten ver= der ihn
erzählt,
mag, den Weg frei zu machen. Der Alte weiß es aus einem ffürzte,
hinterlassenen Briefe der Toten. Ihn, der mit ihr sein bestes
Ausschnitt aus:
will de
Stück Leben verloren, wurmt das Opfer der „lebendigen Stunden“, quälen
Könlgsberger Hartung'sche Zeitung
die er noch mit ihr hätte genießen können, für die künstlerische
einem.
Zukunft des Jungen so, er ist so überzengt von dem Recht des
Königsberg i Pr.
Lebens im Gegensatz zum Rechte der Kunst, daß er das ihm auf¬ stieg,
er 7// 7 7901.
und der
erlegte Stillschweigen bricht. Er ist eifersüchtig darauf, daß der ihm in
junge Mann in seiner Kunst ein Mittel finden kann, über das des Be¬
Erlebte hinwegzukommen; er will ihn daran hindern dadurch, daß
der Gel
er ihn mit der Last des Geheimnisses beschwert. Der junge Mann
ihrem
indessen entgegnet, daß er nun erst recht, damit das Opfer der Dichter
Mutter nicht umsonst gebracht sei, sich in seine Kunst versenken
herabla
müsse. Es ist, wie schon angedeutet, Schnitzler nicht gelungen, über
die Ing
das Konstruierte der Sache völlig hinauszukommen.
manche
Auch an dem zweiten Einakter, „Die Frau mit deu=Dolche“ heräus
ist es mehr der originelle und pikante Einfall, der blendet, als daß anc
daß eine tiefer greifende künstlerische Wirkung erreicht würde. In daß den
einer Gemäldegalerie treffen sich eine schöne Frau und ihr Lieb= mehr al
haber, dem sie noch nichts gewährt hat. Am Abend zuvor ist ein
De
Drama ihres Gatten aufgeführt worden, in dem er intime Vor- gesandt,
gänge ihres Ehelebens dem Lichte der Offentlichkeit preisgegeben
Art S
Kunst und Wissenschaft.
hat. Der Liebhaber bestimmt sie, sich ihm zu schenken, ihr vor¬
Thema
haltend, daß sie für ihren Gatten ja nur ein Objekt ihrer Kunst lustige
„Lebendige Stunden.“
sei. In dem Saale hängt ein Bild eines alten unbekannten
P. H.r. Berlin, 9. Jannar.
Witz un
slorentinischen Meisters, eine Frau mit einem Dolche in der Hand,
vagieren
Arthur Schnitzlers Einaktercyklus „Lebendige Stun¬
die mit der lebendigen Frau vor dem Bild eine merkwürdige Ahn¬
sischen
sden“, ohue Zweifel ein feines und geistreiches, ob auch nicht in
lichkeit hat. Und wie eine Vision zuckt es in der lebendigen Frau Kaffei
allen Einen Teilen gleichmäßig zu künstlerischer Vollendung gedie¬
auf: sie sieht sich als jene im Bilde geschaute Frau, die vor Jahr= Sports
heues Werk die jüngste Neuheit des Deutschen Theaters, wird
hunderten gelebt hat, und das Schicksal der Frau im Bilde den Du
durch eine Idee zusammengehalten, in der sich der Dichter, gewisser¬
steigt vor ihr auf. Sie war die Gattin eines gefeierten heiraten
maßen als Vertreter seiner Zunft oder vielmehr der gesamten
Malers, der sie liebt und bewundert. Aber während aufgebe.
Künstlerzunft, mit dem lebendigen Leben auseinandersetzt, dem
er fern von ihr weilt hat sie in einem hübschen Burschen ein
lebendigen Leben, das dem Künstler zum Stoff seiner Kunst wird.
sich soz
Spielzeug ihrer Lust gesucht. Als der Meister zurückkehrt, teilt sie
sie hat de
Sieht man näher zu, so wird man auf eine innere Verwandtschaft
ihm sofort mit, was geschehen ist. Er weist dem anderen, als zu und teil
des Themas mit dem Thema von Ibsens dramatischem Epilog
klein für seine Rache, einfach die Thür. Der schwört dem Meister,
„Wenn wir Toten erwachen“ stoßen.
Die Zur
Es existiert ein Gebiet, wo
ihn zu töten, wo er ihn fände. Da zieht die Frau den Dolch und
der Heir
Leben und Kunst einander, in einem tieferen Sinne, feindlich gegen¬ stößt den Mann nieder, mit dem sie nichts mehr gemein hat und
schen Ze
überstehen; wo die Kunst sich aus eigenem Recht an dem Recht der ihren Gatten bedroht. Wie sie dasteht mit dem gezückten Dolch,
lebt, such
des Lebens zu vergreifen scheint. „Und wenn der Meusch in
packt den Meister seine Kunst: jetzt weiß er, wie er das Bild seiner
schwund
seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide“
Frau, das er in Arbeit hat, vollenden soll. Und er geht aus
Heirat f
äußert sich der Goethesche Tasso. Hier ist der Punkt, an dem der
Werk. Die Scene hatte sich verwandelt, um diesen in der Vor¬
Romane
Widerspruch klafft. Was der gewöhnliche Sterbliche als zartestes
stellung der lebendigen Frau sich abspielenden Vorgang zu zeigen.
briefwech
Geheimnis und verborgensten Besitz in sein Innerstes verschließt,
Nun verwandelt sie sich wieder: und die aus ihrer Betäubung er¬
was er — sei es süßeste Wonne oder bit stes Weh — nur für
O Grau
wachte Frau, die im Geiste erlebt hat, was sie werden und ###
bringt
sich allein haben will — den Künstler drä gt es, gerade das, weil
sie für ihren Gatten thun könnte, die aber wieder erlebt hat,
es des Lebens tiefster Inhalt ist, künstlerisch zu gestalten. Er er¬
Heirat:
dem Künstlergatten die Kunst mehr ist als das Leben, vers hi
mans in
hebt sich über das Leben, er entwertet sozusagen das Leben, indem
dem Liebhaber das gewünschte Rendezvons.
es ihm zum Vorwurf für seine Kunst wird.
erteilt h
Für den dritten Einakter „Die letzten Masken“ ist die Be¬
so wiede
Der erste Einakter „Lebendige Stunden“ der dem ganzen
ziehung zu der leitenden Idee schwer herzustellen. Aber er ragt,
ren, bes
Cytlus den Titel geliehen hat, wie er sich auch als ein das an sich betrachtet, über seine beiden Vorgänger beträchtlich empor.
Entwickl
leitende Motiv darstellendes Vorspiel darstellt, bringt diese] In diesem mit starkem dichterischen Gefühl durchgearbeiteten Stück
Das
Idee am schärfsten und zugleich am meisten theoretisierend, liegt etwas, das uns eigentümlich bewegt und erschüttert. Das Albert
lam wenigsten künstlerisch dramatisch ausgereift zum Aus¬
Begebnis trägt sich in einem Krankenhause zu. Auch hier sehen Leistung.
druck.
Eine kluge und edle Frau ist nach langem,
wir einen Künstler diesmal einen Schauspieler, dem selbst das denen au
schweren Leiden gestorben. Sie wird betrauert von einem alten! Trübste zu einem Stoff für seine Kunst wird: an der Stätte des dem noch
Mann der früher ihr Geliebter, dann ihr treuer Freund gewesen] Jammers und Elends macht er, der selbst nahem Tode Verfallent.