II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 339

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16. 1. Lebendige Stunden zuklus
— Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
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„OBSERYER‘
Nr. 78
L. österr. behördl. Sonc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“ —
ertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockho
Telephon 12801.
Musschnitt aus:
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVED“ Inschnit
13%
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I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, Wondon, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Seoiialatt, Wien
Theater= und Kunstnotizen.
Ausschnitt aus:
Das Ensemble des „Deutschen Theaters“ in Berlin
gibt gegenwärtig Gastporstellungen im Wiener Carl=Theater.
Es begann dieselben mit einem Einakter=Zyklus von Arthur
vore 1/1-7 77 2.
Schnitzler: „Lebendige Stunden“ welche in Wien mit
Interesse aufgenommen wurden. Der erste Einakter führt denselben
Titel wie der Zyklus. Er deutet auf die Absicht des Dichters, an
verschiedenen Beispielen zu zeigen, daß das Leben des Menschen in
jenen Augenblicken gipfelt, in denen es die höchste Energie aufbringt,
das sind die Augenblicke, in denen neues Leben erzeugt wird oder
Für
altes erlischt: Liebe und Sterben, dann die höchste Energie, die des jei
schaffenden Genius. Die Stunden, in denen diese Kraft regiert, sind
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die „lebendigen Stunden“. Das erste Schauspiel ist sozusagen die
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Vorrede. Ein junger Dichter sieht seine über alles geliebte Mutter
1dahinsiechen, was seine Schaffenskraft lähmt. Darum will sie ihr
### Den aufgeregtesten Abend hatten die Berliner bisher bei der Erst¬
Leiden freiwillig abkürzen. Als der Sohn dieses Geheimnis erfährt,
es aufführung von Schnitzler's „Lebendige Stunden“, denn es war eine
Abom will er sich töten. Um aber den Zweck des Liebesopfers zu erfüllen,
„Wiener“ Première. Es wird Viele geben, die den Stoff Schnitzler's
Abom kafft er sich zu neuem Schaffen auf. Der Genius zeigt ihm den Weg
zu Recht und Pflicht. Der zweite Einakter „Die Frau mit dem
gesucht finden. Daß die Erlebnisse der Künstler erst später, in der Repro¬
Dolche“ zeigt wieder den Triumph des Künstlers über den Menschen,
duktion, in den Werken dieser Künstler so eigentlich lebendig werden — ist
n0
es ist etwas von der Seelenwanderungs=Theorie und Auferstehungs¬
# dieser Satz so allgemein interessant? Und doch bewahrheitet er sich eft.
Inhal lehre der okkultistischen Theosophen darinnen; Hermann Kienzl nennt
#t Wieder ein kleines, der letzten Woche entnommenes Beispiel:
b14 das Drama ein verwirrendes, loses Spiel der Phantasie. Die moderne Frau
Vergangenen Sonntag besuchen zwei Freunde, darunter der Schrift¬
woau Pauline steht in einer Gemäldegallerie vor dem Bilde eines unbekannten
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Lebel Malers des 16. Jahrhunderts, das „die Frau mit dem Dolche“ dar¬
steller Viktor Léon, den Direktor Gabor Steiner in seiner Kanzlei in
theil stellt. Sie ist die Gattin eines erfolggekrönten Dichters, droht aber
„Venedig in Wien“. Sie drücken ihm ihre Theilnahme anläßlich des schreck¬
einem anderen ungeliebten Manne anheimzufallen, der ihre Sinne in
lichen Brandes aus, der in der vorvergangenen Nacht den herrlichen Römer¬
Aufruhr bringt. Durch die Aehnlichkeit des Porträts verleitet, bildet
saal in Schutt und Asche gelegt hatte.
sie sich ein, vor 400 Jahren die Gattin jenes Malers gewesen zu
„Ja, meine Herren!“ sagte Direktor Steiner resignirt, „es war eine
sein, den sie mit einem jungen Farbenreiber betrog, welch letzteren sie!
schreckliche Nacht und es ist ein furchtbarer Schaden; denn zum erstenmal
jedoch nach einer Nacht des Genusses reuevoll vor ihrem Gemahl
hatte ich heuer den Römersaal nicht verpachtet, sondern in eigene Regie
tötete. Der Meister bezwang sich jedoch und verewigte das schuldige
genommen. Viel, viel Geld ist uneinbringlich verloren! ...“
Weib im Bilde. Schließlich sagt Frau Pauline jenem Leonhard, den
sie, wie anno 1530, Lionardo nennt, die Nacht zu. Der dritte Ein¬
Doch plötzlich sprang der kleine Herr Steiner, wie von einer Feder
akter „Die letzten Masken“ führt uns in ein Spital zu einem sterbens¬
emporgeschnellt, von seinem Sitze auf. „Eines sage ich Ihnen aber“ — rief
kranken Komiker und einem zweiten Todeskandidaten, dem Journalisten
er zu Herrn Léon gewendet aus — „der Brand war furchtbar, aber
Rademacher. Dieser Enterbte des Glückes läßt einen glücklicheren
überwältigend schön! Ich habe so etwas noch nie gesehen! Zuerst kam es
Kollegen, einen Modedichter, aus dem Café holen, um ihm zu sagen,
roth, dann rosa, dann bläulich vom abschmelzenden Zinn — kurz in allen
daß er, der arme Teufel, die Frau des beneideten Reichen früher als
Geliebte besessen hat. Der Komiker animiert ihn auf der Jagd
Farben leuchtete und glühte es! Und deshalb sage ich Ihnen, in einer
nach Modellen für seine Kunst, die er aber nicht mehr wird ausüben
meiner nächsten Novitäten muß ein Brand vorkommen! Daß Sie es
können, ihm als angenommenen Gegner die Standrede zu halten.
wissen, Léon: Sie müssen mir einen Brand schreiben! Jetzt weiß ich's
Rademacher sprudelt all seine Zornesreden und seine Neidesgefühle
leider, wie man so ein Flammenmeer inszenirt und die Wiener werden
heraus. Als aber der Erwartete teilnahmsvoll kommt und auch von
seinen Enttäuschungen und der Fadenscheinigkeit seines Glückes erzählt,
schauen!“
schweigt der rächende Richter Rademacher. Infolge der Aufregung
Direktor Steiner hatte also beim Brand des Römersaales seine
aber stirbt er. Der vierte Einakter heißt „Literatur“ und ist ein
Schnitzler'sche „Lebendige Stunde". Wir wünschen ihm für den Verlauf
Satyrspiel. Eine raffinierte Schriftstellerin fängt einen albernen
seiner eben eröffneten Sommersaison freundlichere Stunden. Hoffentlich
Baron ein; sie und ein cynischer Kaffeehausliterat schreiben je einen
Roman, für den sie ihren einstigen sehr ungenierten, sehr intimen
kommt auch bald die Sonne hervor und bereitet milde Abende. Dann erst
Briefwechsel praktisch verwerten. Das Ensemble des „Deutschen
hat das Benedig=Theater seine werthvollen „lebendigen Stunden.“
J. 8t
Theaters“ in Berlin setzte sein Gastspiel im Carl=Theater
e
in Hauptmanns „Biberpelz“ und „Fuhrmann Henschel“ fort.
Als zweite Nopität brachten die Berliner Gäste ein holländisches
Seestück in vier Akten: „Die Hoffnung“ von Hermann Heyer¬
mans, einem der bedeutendsten unter den Modernen Hollands. Das
sozialdemokratische Drama (den Webern“ Gerhart Hauptmanns ver¬
gleichbar) zeigt uns, wie ein Schiffsreeder mit dem Leben der armen
Fischer spielt. Der Ausbeuter schickt widerstandsunfähige Boote in
die See, denn Schiff und Ladung sind versichert. Zu Hause erwarten
Wa
die Schiffersfrauen und Bräute den ziemlich sicheren Untergang ihrer
n genabe