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16.1. Lebendige Stunden — zyklus
S
die Regierung muß abwarten, was in Kroonstad
geschehen wird. In politischen Kreisen war man
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wandlung und die Pauline von heute gewährt ihrem Der letzte der Einacter, „Literatur“, ist der
Theäter am Franzensplatz.
girrenden Seladon ein Abschiedsrendezvous. Der Zu¬ feinste und geistreichste. Wir begegnen darin
Von den vier Einactern, die uns Arthur
schauer weiß nicht, wie ihm ist, wenn der dem keineswegs nur. der Phantasic des
Vorhang fällt. Vielleicht soll das Ganze eine
sitzler gestern geboten hat, möchten wir zunächst
Dichters entsprungenen Tyous der Schriftstellerin, welche:
Persiflage des Ueberweibes in der Moderne sein?
Frau mit dem Dolche“ als ein drama¬
die Geheimnisse ihres Schlafzimmers, die erotischen
Denn als geistvoller Satyriker tritt uns der
Cavriccio bezeichnen, in dem ein tieserer Gehalt
Erinnerungen an — vergangene Zeiten mit cynischer
Dichter in den drei übrigen Stücken entgegen. In
ht nicht zu suchen ist. Diese Frau Pauline ist
Unverhülltheit Jedem, der es lesen will, preisgibt.
seinen „Lebendigen Stunden“ zieht er gegen
jener „complicirten“ Seelenprobleme, mit deren
Wer ist dieser schriftstellernden Margarethe — so heißt
das Gottesgnadenthum und die Ueberschätzung des
diger Construction die modernen Dramatiker einige
sie in unserem Stücke — die „den weißen Hals des
Dichterlings zu Felde. Eine kranke Frau beschleunigt
hslung in das Ehebruchsthema des Theaters zu
Geliebten“ beschreibt und sich darin gefällt, „das Meiste,
mit selbstmörderischer Hand ihr Ende, weil sie sieht,
nsuchen. Frau Pauline schenkt ihrem Liebhaber
was über das Meiste geschrieben werden kann“ zu
wie ihre Krankheit dem „gottbegnadeten“ Sohn die
unst, aber nicht ihr Herz. Sie genießt die
offenbaren — nicht schon einmal in der Literatur be¬
Kraft zum geistigen Schaffen raubt. — In den
en seiner Umarmung und schüttelt ihn am
gegnet? Diese schmutzige Alkovenlyrik hält sie für hoch¬
„letzten Masken“ weicht Schnitzler's zersetzender
n Morgen ab, wie der Mann eine Dirne weg¬
interessante Documente des „modernen Weibes“ und
Um den Reiz des Abenteuers zu erhöhen, ge¬
Witz selbst vor der Majestät des Todes nicht zurück.
wenn sie für eine ihrer Dummheiten oder Gemein¬
Wir sehen ein Spitalszimmer, darin einen sterbenden
sie die Geschichte theilweise oder ganz dem
heiten gar keine andere „psychologische" Rechtfertigung
Journalisten und einen lungensüchtigen Schauspieler,
Jedoch nicht in dieser immerhin ungewöhn¬
findet, so sagt sie „Gott, ich war ja so complicirt“.
Erotik besteht das Capriccio, sondern in einem
der nur mehr acht Tage zu leben hat. Ersterer hat
Da sie sich im Schmutze gewälzt hat und frech genug
das dringende Bedürfniß, bevor es zu Ende geht,
Occultistische hinüberspielenden Theatercoup, der
ist, das weiter zu erzählen, so ist sie eine Schrift¬
einem literarischen Rivalen einige Unannehmlichkeiten
Handlung plötzlich ein drei Jahrhunderte älteres
stellerin, sie gehört zur Literatur, also zur Aristokratie
zu sagen und er probirt, diesen erwartend, mit dem
erungsbild einschiebt. Wir finden das Liebes¬
des Geistes. Aber auch aristokratisches Blut will sie
hustenden Schauspieler die Scene, die er ihm zu machen
in dem abgelegenen Winkel einer Bildergalerie
in ihren Adern haben. — „Wie so denn?“ fragt der
gedenkt. Aber alle die großen Worte bleiben, als der
Em Bilde einer Dame mit dem Dolche, in der
Mann, der zur Zeit der Handlung ihr Geliebter ist. —
Gegner erscheint, ungesprochen. Der Sterbende
e sich selbst wiedererkennt. Und während sie
„Na, ich habe Dir doch erzählt, daß im Hause meiner
Eltern Aristokraten verkehrten.“
emüht, dem Liebhaber seinen sonderbaren Stand¬
kommt zur Einsicht, daß es überflüssig sei, sich mit
einem Menschen einzulassen, der morgen noch auf dieser
klar zu machen, verwandelt sich die Scene und
Man sieht, die Schnitzler'schen Stücke haben, ob¬
Erde herumgehen wird. Die beklemmende Spitals¬
ehen, wie die Pauline des 16. Jahrhunderts
gleich sie modern sind, in ihrer Art ihre Moral, die
Atmosphäre legt sich Einem widerlich auf die Brust,
ungestümen Liebhaber in Gegenwart des Gatten
dadurch nichts an Werth und Wahrheit einbüßt, daß
Dolch in die Brust stößt. Dann neuerliche Ver= aber die Scene ist von grüßer dremalischen Wirkung. der Dichter sie mit viel Geist und großem theatrali¬
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16.1. Lebendige Stunden — zyklus
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die Regierung muß abwarten, was in Kroonstad
geschehen wird. In politischen Kreisen war man
M
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wandlung und die Pauline von heute gewährt ihrem Der letzte der Einacter, „Literatur“, ist der
Theäter am Franzensplatz.
girrenden Seladon ein Abschiedsrendezvous. Der Zu¬ feinste und geistreichste. Wir begegnen darin
Von den vier Einactern, die uns Arthur
schauer weiß nicht, wie ihm ist, wenn der dem keineswegs nur. der Phantasic des
Vorhang fällt. Vielleicht soll das Ganze eine
sitzler gestern geboten hat, möchten wir zunächst
Dichters entsprungenen Tyous der Schriftstellerin, welche:
Persiflage des Ueberweibes in der Moderne sein?
Frau mit dem Dolche“ als ein drama¬
die Geheimnisse ihres Schlafzimmers, die erotischen
Denn als geistvoller Satyriker tritt uns der
Cavriccio bezeichnen, in dem ein tieserer Gehalt
Erinnerungen an — vergangene Zeiten mit cynischer
Dichter in den drei übrigen Stücken entgegen. In
ht nicht zu suchen ist. Diese Frau Pauline ist
Unverhülltheit Jedem, der es lesen will, preisgibt.
seinen „Lebendigen Stunden“ zieht er gegen
jener „complicirten“ Seelenprobleme, mit deren
Wer ist dieser schriftstellernden Margarethe — so heißt
das Gottesgnadenthum und die Ueberschätzung des
diger Construction die modernen Dramatiker einige
sie in unserem Stücke — die „den weißen Hals des
Dichterlings zu Felde. Eine kranke Frau beschleunigt
hslung in das Ehebruchsthema des Theaters zu
Geliebten“ beschreibt und sich darin gefällt, „das Meiste,
mit selbstmörderischer Hand ihr Ende, weil sie sieht,
nsuchen. Frau Pauline schenkt ihrem Liebhaber
was über das Meiste geschrieben werden kann“ zu
wie ihre Krankheit dem „gottbegnadeten“ Sohn die
unst, aber nicht ihr Herz. Sie genießt die
offenbaren — nicht schon einmal in der Literatur be¬
Kraft zum geistigen Schaffen raubt. — In den
en seiner Umarmung und schüttelt ihn am
gegnet? Diese schmutzige Alkovenlyrik hält sie für hoch¬
„letzten Masken“ weicht Schnitzler's zersetzender
n Morgen ab, wie der Mann eine Dirne weg¬
interessante Documente des „modernen Weibes“ und
Um den Reiz des Abenteuers zu erhöhen, ge¬
Witz selbst vor der Majestät des Todes nicht zurück.
wenn sie für eine ihrer Dummheiten oder Gemein¬
Wir sehen ein Spitalszimmer, darin einen sterbenden
sie die Geschichte theilweise oder ganz dem
heiten gar keine andere „psychologische" Rechtfertigung
Journalisten und einen lungensüchtigen Schauspieler,
Jedoch nicht in dieser immerhin ungewöhn¬
findet, so sagt sie „Gott, ich war ja so complicirt“.
Erotik besteht das Capriccio, sondern in einem
der nur mehr acht Tage zu leben hat. Ersterer hat
Da sie sich im Schmutze gewälzt hat und frech genug
das dringende Bedürfniß, bevor es zu Ende geht,
Occultistische hinüberspielenden Theatercoup, der
ist, das weiter zu erzählen, so ist sie eine Schrift¬
einem literarischen Rivalen einige Unannehmlichkeiten
Handlung plötzlich ein drei Jahrhunderte älteres
stellerin, sie gehört zur Literatur, also zur Aristokratie
zu sagen und er probirt, diesen erwartend, mit dem
erungsbild einschiebt. Wir finden das Liebes¬
des Geistes. Aber auch aristokratisches Blut will sie
hustenden Schauspieler die Scene, die er ihm zu machen
in dem abgelegenen Winkel einer Bildergalerie
in ihren Adern haben. — „Wie so denn?“ fragt der
gedenkt. Aber alle die großen Worte bleiben, als der
Em Bilde einer Dame mit dem Dolche, in der
Mann, der zur Zeit der Handlung ihr Geliebter ist. —
Gegner erscheint, ungesprochen. Der Sterbende
e sich selbst wiedererkennt. Und während sie
„Na, ich habe Dir doch erzählt, daß im Hause meiner
Eltern Aristokraten verkehrten.“
emüht, dem Liebhaber seinen sonderbaren Stand¬
kommt zur Einsicht, daß es überflüssig sei, sich mit
einem Menschen einzulassen, der morgen noch auf dieser
klar zu machen, verwandelt sich die Scene und
Man sieht, die Schnitzler'schen Stücke haben, ob¬
Erde herumgehen wird. Die beklemmende Spitals¬
ehen, wie die Pauline des 16. Jahrhunderts
gleich sie modern sind, in ihrer Art ihre Moral, die
Atmosphäre legt sich Einem widerlich auf die Brust,
ungestümen Liebhaber in Gegenwart des Gatten
dadurch nichts an Werth und Wahrheit einbüßt, daß
Dolch in die Brust stößt. Dann neuerliche Ver= aber die Scene ist von grüßer dremalischen Wirkung. der Dichter sie mit viel Geist und großem theatrali¬
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