II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 497

„O SSLN VLENT
Nr. 41
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Wien, IX/1, Türkenstrasse 12.
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Lolom Zer
Ausschnitt aus:
21170 2
vom:
& Gastspiel von Mitgliedern des Wiener Hofburgtheaters.
Gestern kam im Stadthaussaal wieder einer unserer Modernsten
zum Wörtg nämlich Arthur Schnitzler mit seinem jüngsten
Bühnenwerk, dem Einaktereyelus „Lebendige Stunden“. Man
mag von diesen Jungen, die alle Formen unseres Daseins und
Wirkens auflösen wollen, da sie der naturwissenschaftlichen An¬
schauung widersprechen, man mag von ihnen halten was man
wolle, aber für eine sterbende Weltanschauung kämpfen sie nicht;
es wohnt ihren Werken, auch wenn sie, wie die „Lebendigen
Stunden“, vom künstlerischen Standpunkt aus nicht ganz ein¬
wandsfrei sein mögen, doch eine werbende Kraft inne, eine Kraft.
die mit fortreißt und sich in Beifallsstürmen äußert, wie sie
gestern den Stadthaussal durchbrausten. Schnitzlers Namen ist 8
Für
der besten einer: sein erster großer Bühnenerfolg „Liebelei",
stellte ihn mit einem Schlage in die vorderste Reihe der modernen gs.
Dramatiker, unter denen er durch seine erquickende Liebenswür¬

1digkeit und feinen Humor excellierte; sein Ansehen befestigte sich das
dann durch die Anatolskizzen „Freiwild“, „Das Vermächtnis“, den
Abom=Die Gefährtin“, „Der grüne Kakadu“ und „Paracelsus“, und
Abomendlich schlugen im letzten Winter die „Lebendigen Stunden“
an allen Orten, besonders in Wien und Berlin ganz ungewöhn= dle
lich ein. Allerdings sind die „Lebendigen Stunden“ nicht das jugt
InhalBeste, was Schnitzler bisher geschaffen. Aber die schwungvolle, liche
blä geistreiche Sprache, wie auch die dramatische Gestaltungskraft, Mit¬
wodtwelche besonders in dem zweiten Stücke „Die letzten Masken“ so
Lebewirkungsvoll, oft geradezu packend zum Ausdruck kommt, lassen
thei
über Manches hinwegsehen. Das erste Stück „Die Frau
mit dem Dolche“ nimmt etwas die Phantasie des Zu¬
schauers in Anspruch, ist aber hübsch, vielleicht auch etwas kühn
erdacht. Wie die Weltdame sich mit ihrem Liebhaber in der
Bildergallerie ein Stelldichein giebt, hier beim Anblick des Ge¬
mäldes „Die Frau mit dem Dolche“ durch die Aehnlichkeit ver¬
blüfft, sich vor ihrem geistigen Auge in einem Traumzustand eine
Szene abspielt, in der sie ihrem Gatten den Ehebruch bekennt und
dann ihren Liebhaber ersticht, ist gewiß nicht neu, aber das
Ganze ist originell aufgebaut und verblüfft durch den Schluß.
In diesem Stücke zeigt sich Schnitzler als ein starkes dramatisches
Talent. — Eine ungewöhnliche Gestaltungskraft beweist der
Dichter in dem zweiten Stück: „Die letzten Masken“,
während das dritte: „Litteratur", eine Art dramatisier¬
ten Feuilletons, durch eine Reihe heiterer Momente sowohl, wie
auch durch den schlagfertigen, geistsprühenden Dialog, eine be¬
hagliche Stimmung erzeugt und die Lachmuskeln ausgiebig in
Bewegung setzt. — So führen die „Lebendigen Stunden“ von
dem Ernsten, Erschütternoen ins humoristische hinüber, und das
ist ein großer Vorzug an diesem Einaktereyclus. — Das Be¬
merkenswerteste an dem gestrigen Abend aber war — auch wenn
man die „Lebendigen Stunden“ an sich nicht zu hoch einschätzt —
die Aufführung. Erst kürzlich hatten wir zwar Gelegenheit,
Mitglieder des Lessingtheaters in Berlin in einem Gastspiele zu
sehen. Wenn ihr Zusammenspiel auch ein gutes gewesen, so war
es doch weit nicht das, was gestern in dieser Hinsicht sowohl, als
auch in jeder Einzeldarstellung geboten wurde. Eine so vollen¬
dete Leistung, wie sie gestern Albert Heine, der seit 2 Jahren
vom Berliner Königl. Schauspielhause an die Wiener Burg
Albergestederr#t und hier Linnen kurzer Frist zum gefeierten:
Spielleiter der akadem. Vorstellungen und zum erschütternden
Darsteller dämonischer Charaktere, wie des Mephistopheles und
des Muleigh Hassan geworden ist, als Journalist Rademacher
bot, ist eben einzig dastehend. Verblüffend und hinreißend war
Clara Rabitow, die gleichsfalls zum jüngsten Burgtheater

zählt und dort „Maria Stuart“, „Julia“, „Thekla“, Clärchen“,
„Gretchen“ und „Hero“ verkörpert, als Pauline in „Die Frau
mit dem Dolche“, ebenso Ferd. Gregori als Leonhard und
alle die anderen. Jede Person war an ihrem Platze, jede bot ihr
Bestes . . . . .. nur im Einakter „Litteratur" nicht ganz. Wir
wollen jedoch die Heiterkeit, die manchmal sich aus dem Zu¬
schauerkreis auf die Darsteller übertrug nicht auf die bei manchen
Gesellschaften verbreitete irrtümliche Meinung zurückführen, daß
„für die dummen Provinzler das Schlechteste gut genug“ sei,
sondern nur auf den prächtigen, oft sogan drastischen Humor in
diesem Stücke. —
Morgen, Sonnabend, findet das zweite und letzte Gastspiel
der Wiener Künstler statt.
Telephon 12801.
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Ausschnitt
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Ausschnitt aus: Ostrauer Tagblatt
IVl 4002.
vom: 7
Theater und Kunst.
Ensemble-Gastspiel von Mitgliedern des
K. k. Hofburgtheaters. „Lebendige Stunden“ drei
(Einakter von Arthur Schnitzler. Die Sommersaison eilt
ihrem Gipfelpunkte zu, es ist daher gewiß nicht befremdlich,
daß man jeden Sonnenblick, der das tägliche Grau durch¬
reist, gern im Freien genießt. Nur daraus ist es zu er¬
klären, daß der Besuch zu wünschen übrig ließ. Das er¬
schienene Publikum schenkte den interessanten Leistungen, je
welche die Vorstellung mit sich brachte, ein außerorbentlich.
Für
reges Interesse. Es folgse sowohl den Halluzinationen der fer
„Frau mit dem Dolche“ als auch der Spitalsscene „Die a0s.
letzten Masken“ wie dem heiteren Genrebildchen „Literatur“s das
(„Wie Literatur entsteht“) mit der größten Aufmerksamkeit. es den
In Fräulein Clara Rabitow lernten wir eine Künstlerin
Abo von durchgeistigtem, zielbewußtem Schaffen kennen, die des ga die
Abo Dichters Gestalten, wie aus einem Bilde geschnitten, hinstelltrgen¬
und für dieselben zu interessiren weiß. Sie bewies dies itung")
lnt namentlich in dem ersten Stücke, urch eine herrliche Probe aftliche
di ihres hervorragenden Talentes, indem sie die Pauline, nament= Ar¬
wo lich in den Ausbrüchen wilder Leidenschaft und Selbstanklage
Le unvergleichlich gab. Es war ein Licht= und Schattenspiel der
Seele voll zutreffender Aeußerung. Herr Gregori Leon¬
hard sprach mit edlem Feuer, und den bis aus Herz hinan
kühlen Remigio Herr Heine gediegen. Diese Künstler glänzten
durch ihre verblüffende Vielseitigkeit und vorzügliche Charak¬
teristik und dazu bot ihnen insbesondere das Schauspiel
„Die letzten Masken“ reichlich Gelegenheit, welches das Ende
eines verkannten, vom Glücke im Stiche gelassenen Journa¬
listen zum Vorwurfe hat. Das Spiel des Herrn Heines
(Rademacher) zeichnete sich durch Klarheit und Natürlichkeits
aus; es war allen Mätzchen fern, eine höchstdiegene, vollen¬
dete Leistung. Einzig in seiner Art, treu dem Leben abge¬
lauscht, charakterisierte in Wort und Spiel Herr Gregoris
den emporgekommenen Dichterling Weihgast und Herr¬
Fischer der den posenreichen Jackwert sehr brav und
äußerst wirksam gab. In der Sterbescene bewies Herr¬
[Heine nach jeder Richtung hin, daß er seine Kunst ernste
nimmt und daß ihm die Prinzipien Lessings heilig sind. Das¬
am stärksten von sezessionistischen Parfum durchglühte Lust¬
spiel „Literatur“ erheiterte das Publikum ungemein. Frl.
Rabitow, diesmal in Momus Diensten, ergötzte durch die
drastische Zeichnung der schließlich den Mamon der Poesie
vorziehenden Margarethe und ihrer Rückerinnerungen an eine
verflossene Liebelei, während Herr Gregori, einzig in seiner
Art, in dem beschränkten aber correcten Edelmann und Sports¬
mann eine Type schuf, die lebhaft an ein Original derbesten
Wiener Gesellschaft erinnerte. Urkomisch gab Herr Heine
den Gilbert, welcher alle Pointen aufs Zutreffendste ins
Feld stillte. — Das Zusammenspiel in sämmtlichen drei
Stücken ließ nichts zu wünschen übrig. Herr Waschatko
und Fräulein Moucza, die weniger Gelegenheit hatten,
in den Vordergrund zu treten, entledigten sich ihre kleineren
Aufgaben mit aller Gewissenhaftigkeit. Wir werden uns,
dieses bestgelungenen Literaturschnitzelabendes und seiner Haupt¬
furheber stets gerne erinnern.