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16.1. Lebendige Stunden Zuklus
ion 12801.
X. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„DBSERER“
Nr. a
#
I. österr. behürdl. conc. Burean für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
1 esne
3074
vom:
Theater.
Es gibt Bühnendichter, denen die Phrase und das
Philosophieren erlaubt ist = während man sonst nur nach
lebendiger Handlung schreit = zu diesen glücklichen, privi
legierten Ausnahmsmenschen gehört offenbar Arthur
Schnitzler. An der Wiege seiner dramatischen Taten
ist es ihm von der Presse gesungen worden, daß er „geist¬
reich“ ist, und d'eser Ruf erhält sich am sichersten schon
dadurch, daß sich niemand einen Mangel an Verständuis
vorwerfen lassen will — ob er nun Gutes oder Schlechtes
bringt. Für nichts ist die große Menge empfänglicher als
für einen Brocken Philosophie — eine Speise, die sonst von
ihr nicht allzu häufig gesucht, vielmehr als zu schwer ver¬
daulich gemieden wird, aber in dieser verdünnten Form an¬
genehm auregend wirkt. Diese philosophierende Rethorik ist
unzweifelhaft am Theater das, was man in der Literatur
„Schöngeisterei“ nennt —
was die Schwärmerei für einen
inclusive
„Belar (Le mondle on Pon somni) hervorruft. Philo¬
Porto.
sophie, wo sie zu einer tief begründeten Weltauschanung
Zahlbar
wurde und sich hoch über die kleinlich beengten Gesichts¬
im Voraus.
punkte der Meuschen erhebt, wirkt ganz anders. Ist sie der
Untergrund, der ein Dichtwerk trägt, fühlen wir kein eitles
### ist das
Vergnügen, daß unser geistiges Empfängnis grof genug ist,
Abo
ht es den
die bravonröse Spiegelfechterei mitzumachen, wir vergessen unser
irn.
Abe
Selbst, und jenes große Ahnen erschüttert unser Wesen, das
mehr im Gefühl als in der detaillierenden, geistigen Auffassung
iltend die
in Erscheinung tritt. Das wollte ich nur vorhersenden, bevor
lorgen¬
ich den allgemeinen Lobeschorus über den Einakterzyklus
Zeitung“)
„Lebendige Stunden“. von Schnitzler, der vorigen
schaftliche
Samstag zum ersten Mal im Deutschen Volkstheater
—
lichen mysteriösen Rückerinnerns der Seele, von dem sonderbaren
sehr erfolgreich in
Eindruck, als hätten wir dasselbe, was uns eben begegnet,
Szene ging, kritisie¬
schon längst einmal erlebt. Derlei Eindrücke haben die meisten
re. Der erste dieser
Menschen schon einmal durchkostet, und hängt das vielleicht
Einakter ist ein ge¬
damit zusammen, daß uns einen Atemzug lang die
sprochenes Feuille¬
a priori-Begriffe von Zeit und Raum versagen. Wenn die
ton ohne echte Le¬
Seele wandert, so müßte sie jedenfalls ihrer Vollendung zu¬
Man
benstragik.
schreiten; zwischen diesen beiden Leonoren des Leonardo und
muß kein junger
jener in der modernen Kunstgallerie ist aber wenig Gehalts¬
Dichter sein, um in
unterschied. Jene mit dem Dolch steht moralisch höher, denn
egoistischer Krast
sie tötet den Jüngling, in dessen Arme sie nur die Sinnes¬
über ein zermalm¬
leidenschaft warf, wie sie des edleren geistigen Bandes
tes Menschenschick¬
wieder inne wird, das sie an den Gatten fesselt — d
sal hinwegzuschrei¬
moderne gibt sich erst hin, nachdem sie vorher klar dargelegt
dazu g
ten
hat, welche Gefahren in ihrer Leidenschaft liegen, zu deren
nügt es schon einfach
Bändigung sie die Hilfe des Gatten als Reisebegleiter und
jung zu sein. Die
vermutlich auch Reisekassier leider vergeblich angerufen hat.
Jugend wendet sich
Diese Seelenwandlungstragödie ist zu viel Effekthascherei,
naturgemäß der Zu¬
als daß sie einen bleibenden Eindruck hervorbringen könnte.
kunft zu, sie löst die
Fräulein Sandrock und Herr Kramer gaben, was sie
Werdenden von ihren
konnten. Kraftvoll wirkte Herr Eppens — schade, daß
menschlichen Vor¬
wir ihn verlieren. Das philosophisch Tiefste und geistig Be¬
gängern, sonst wörde
deutendste sind „die letzten Masken“. Hier weht
das Bindeglied zwi¬
uns ein größerer Alemzug, ein tieseres Erfassen des all¬
schen den sich inzner
gemein Menschlichen entgegen. Der letzte, oft wie Humor
wieder verjüngenden
aufblitzende Ausdruck im Antlitz Sterbender, der vielleicht
Generationen kein
ein endliches Entschleiern der Wahrheit = eine große ironische
haltbares sein. Will
— oder auch nur ein letztes
Schlußbilanz des Lebens
Schnitzler sagen, das
Zucken der Gesichtsnerven bedeutet — wird dem sinnenden
vieser Sohn, dessen
Denker immer wie eine geheimnisvolle Offenbarung er¬
Mutter freiwillig
scheinen und ist von Schnitzler in machtvoller Wirkung erfaßt.
stirbt, um sein junges
Jedenfalls hat Schnitzler dieses letzte Ausflackern des Lebens sehr
Leben nicht mit Sorge
tief beobachtet und gut gestaltet. Wir sahen darin auch zwei
und Kummer durch
Meisterrollen. Direktor Weiße, dessen Sterbender durch ein¬
ihre unheilbare
sache Mittel packend wirkte. und Herr Brandt, der seine
Krankheit zu #
Rolle mit trefflicher Charakteristi“ ausstattete. Das letzte
stören, die sein Ta¬
Stück des Einakterzyklus „Literatur“ ist ein seines,
lent zersetzen — ein
geistvolles Lustspiel, welches Schnitzler unbedingt auf
morelisches Monstrum ist — weil) er seinen Schwerz in
dieses Gebirt weist. Die beiden Hauptpersonen sind witzig
Tichtungen ausleben wird? Sieht er darin ein Fatm der
und treffend gezeichnet und wurden von Frl. Sandrock
Dichterseele? Von einer moralischen Monstruosität kann aber
hera mit feinem kaustischem Humor #
16.1. Lebendige Stunden Zuklus
ion 12801.
X. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„DBSERER“
Nr. a
#
I. österr. behürdl. conc. Burean für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
1 esne
3074
vom:
Theater.
Es gibt Bühnendichter, denen die Phrase und das
Philosophieren erlaubt ist = während man sonst nur nach
lebendiger Handlung schreit = zu diesen glücklichen, privi
legierten Ausnahmsmenschen gehört offenbar Arthur
Schnitzler. An der Wiege seiner dramatischen Taten
ist es ihm von der Presse gesungen worden, daß er „geist¬
reich“ ist, und d'eser Ruf erhält sich am sichersten schon
dadurch, daß sich niemand einen Mangel an Verständuis
vorwerfen lassen will — ob er nun Gutes oder Schlechtes
bringt. Für nichts ist die große Menge empfänglicher als
für einen Brocken Philosophie — eine Speise, die sonst von
ihr nicht allzu häufig gesucht, vielmehr als zu schwer ver¬
daulich gemieden wird, aber in dieser verdünnten Form an¬
genehm auregend wirkt. Diese philosophierende Rethorik ist
unzweifelhaft am Theater das, was man in der Literatur
„Schöngeisterei“ nennt —
was die Schwärmerei für einen
inclusive
„Belar (Le mondle on Pon somni) hervorruft. Philo¬
Porto.
sophie, wo sie zu einer tief begründeten Weltauschanung
Zahlbar
wurde und sich hoch über die kleinlich beengten Gesichts¬
im Voraus.
punkte der Meuschen erhebt, wirkt ganz anders. Ist sie der
Untergrund, der ein Dichtwerk trägt, fühlen wir kein eitles
### ist das
Vergnügen, daß unser geistiges Empfängnis grof genug ist,
Abo
ht es den
die bravonröse Spiegelfechterei mitzumachen, wir vergessen unser
irn.
Abe
Selbst, und jenes große Ahnen erschüttert unser Wesen, das
mehr im Gefühl als in der detaillierenden, geistigen Auffassung
iltend die
in Erscheinung tritt. Das wollte ich nur vorhersenden, bevor
lorgen¬
ich den allgemeinen Lobeschorus über den Einakterzyklus
Zeitung“)
„Lebendige Stunden“. von Schnitzler, der vorigen
schaftliche
Samstag zum ersten Mal im Deutschen Volkstheater
—
lichen mysteriösen Rückerinnerns der Seele, von dem sonderbaren
sehr erfolgreich in
Eindruck, als hätten wir dasselbe, was uns eben begegnet,
Szene ging, kritisie¬
schon längst einmal erlebt. Derlei Eindrücke haben die meisten
re. Der erste dieser
Menschen schon einmal durchkostet, und hängt das vielleicht
Einakter ist ein ge¬
damit zusammen, daß uns einen Atemzug lang die
sprochenes Feuille¬
a priori-Begriffe von Zeit und Raum versagen. Wenn die
ton ohne echte Le¬
Seele wandert, so müßte sie jedenfalls ihrer Vollendung zu¬
Man
benstragik.
schreiten; zwischen diesen beiden Leonoren des Leonardo und
muß kein junger
jener in der modernen Kunstgallerie ist aber wenig Gehalts¬
Dichter sein, um in
unterschied. Jene mit dem Dolch steht moralisch höher, denn
egoistischer Krast
sie tötet den Jüngling, in dessen Arme sie nur die Sinnes¬
über ein zermalm¬
leidenschaft warf, wie sie des edleren geistigen Bandes
tes Menschenschick¬
wieder inne wird, das sie an den Gatten fesselt — d
sal hinwegzuschrei¬
moderne gibt sich erst hin, nachdem sie vorher klar dargelegt
dazu g
ten
hat, welche Gefahren in ihrer Leidenschaft liegen, zu deren
nügt es schon einfach
Bändigung sie die Hilfe des Gatten als Reisebegleiter und
jung zu sein. Die
vermutlich auch Reisekassier leider vergeblich angerufen hat.
Jugend wendet sich
Diese Seelenwandlungstragödie ist zu viel Effekthascherei,
naturgemäß der Zu¬
als daß sie einen bleibenden Eindruck hervorbringen könnte.
kunft zu, sie löst die
Fräulein Sandrock und Herr Kramer gaben, was sie
Werdenden von ihren
konnten. Kraftvoll wirkte Herr Eppens — schade, daß
menschlichen Vor¬
wir ihn verlieren. Das philosophisch Tiefste und geistig Be¬
gängern, sonst wörde
deutendste sind „die letzten Masken“. Hier weht
das Bindeglied zwi¬
uns ein größerer Alemzug, ein tieseres Erfassen des all¬
schen den sich inzner
gemein Menschlichen entgegen. Der letzte, oft wie Humor
wieder verjüngenden
aufblitzende Ausdruck im Antlitz Sterbender, der vielleicht
Generationen kein
ein endliches Entschleiern der Wahrheit = eine große ironische
haltbares sein. Will
— oder auch nur ein letztes
Schlußbilanz des Lebens
Schnitzler sagen, das
Zucken der Gesichtsnerven bedeutet — wird dem sinnenden
vieser Sohn, dessen
Denker immer wie eine geheimnisvolle Offenbarung er¬
Mutter freiwillig
scheinen und ist von Schnitzler in machtvoller Wirkung erfaßt.
stirbt, um sein junges
Jedenfalls hat Schnitzler dieses letzte Ausflackern des Lebens sehr
Leben nicht mit Sorge
tief beobachtet und gut gestaltet. Wir sahen darin auch zwei
und Kummer durch
Meisterrollen. Direktor Weiße, dessen Sterbender durch ein¬
ihre unheilbare
sache Mittel packend wirkte. und Herr Brandt, der seine
Krankheit zu #
Rolle mit trefflicher Charakteristi“ ausstattete. Das letzte
stören, die sein Ta¬
Stück des Einakterzyklus „Literatur“ ist ein seines,
lent zersetzen — ein
geistvolles Lustspiel, welches Schnitzler unbedingt auf
morelisches Monstrum ist — weil) er seinen Schwerz in
dieses Gebirt weist. Die beiden Hauptpersonen sind witzig
Tichtungen ausleben wird? Sieht er darin ein Fatm der
und treffend gezeichnet und wurden von Frl. Sandrock
Dichterseele? Von einer moralischen Monstruosität kann aber
hera mit feinem kaustischem Humor #