Der Einakterstrauß erschien gestern in anderer
Zusammensetzung, und anders als vor sechs Jahren
hat er gewirkt. Dir. Brahm, im eigentlichsten Sinne
des Wortes unser literarischer Bühnenleiter,
und den Theateranforderungen, den Theaterpraktiken
gegenüber der Vertreter sorgsamster Rücksichtnahme
auf die Dichter und ihre Werke, hat diesmal der
Repertoir = Zweckmäßigkeit zuliebe der natürlichen
Gruppierung der Stücke Gewalt angetan. Er hat
aus dem ursprünglichen Dramenquartett die führende
Stimme, das Werk, das dem Zyklus den Namen
und den Inhalt gab, eben den Einakter „Lebendige
Stunden“, entfernt, und dafür den „Puppenspieler“ an
die Spitze gestellt, der zu dieser Komposition
nicht gehört und ihre Grundstimmung nich
teilt. Jener Einakter, „Lebendige Stunden“ eine#
gedämpfte, schwermütige Auseinandersetzung über den
Tod der Mutter eines Künstlers war handlungsarm,
beklemmend. Was an ihr fein gedacht und vornehm
empfunden war, das kam im harten Bühnenlicht nicht
zur Geltung. „Der Puppenspieler“ der immerhin!
mehr vom robusten Theaternaturell besitzt, ist um der
Wirkung willen vorangestellt worden. Und er hat
denn auch einigermaßen Eindruck gemacht. Ein starkes
Theater=Echo zu wecken ist freilich auch dieses Stückchen
nicht geeignet und sehr geräuschvollen Beifall hat keines
der vier Dramen hervorgerufen. Am lebhäftesten wirkte
noch „Die Frau mit dem Dolche“ und die übermütig
witzige, satirische Burleske „Literatur". Die
glei
Masken“ machten am wenigsten Eindruck un
still verüber. Kaum daß sich einige seeundl
Hände regten. Immerhin brachte der Abend
manches, woran ein feinhöriges Ohr sich erbauen und
ein theaterfreundlicher Sinn sich ergötzen kann. In
den Dramen das stille Träumen und Sinnen eines
Autors, der nicht immer und nicht bezwingend stark
Dramatiker, aber immer Dichter ist, in der Auf¬
führung die Gelegenheit zur Entfaltung ihres
Könnens für Irene Triesch und Bassermann
Dabei
kann man mit Interesse verfolgen, wie si
iden
vom tiefen, rauhen nordischen Grüble
m
seinen elegischen Wiener Träumer Schn
n.
Ein Tropfen des Bluts von Ulrik 2
m
„Puppenspieler“ wie ein Motiv aus „
in die „Lebendigen Stunden“ hinüberspie
willige Opfertod aus Liebe und das später
r
über diesen Opfertod.
Den „Puppenspieler“ bezeichnet Schnitzler als eine
Studie. Zu einer fesselnden Charakterstudie macht
Albert Bassermann den Künstler, der sein
Instrument fortwirft, den Mann, der seine großen
dichterischen Pläne geizig für sich behält, weil er zu
stolz ist, sie der Welt zu überantworten, und der auf
der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn balanciert.
Der Frau Hofmann und Herrn Stieler
blieb nichts anderes übrig, als dem Hauptdarsteller
möglichst frisch und natürlich zu assistieren. In der
„Frau mit dem Dolche“ bewährt sich wieder das
starke dramatische Naturell der Triesch, in dieser Frau,
die in einem Galerie=Bilde sich selbst erkennt und in
einer Art Traumszene eine packende tragische Episode
wiedersieht, die sie vor Jahrhunderten schon, in einem
ren Dasein erlebte und nun in ähnlicher Lage
erleben soll. Dem Leonardo, dem jugendkecken
aber, gab Herr Stieler mehr Wärmeßals der
re Darsteller der Rolle, dagegen schien die vor¬
mals von Sommerstorff gespielte Rolle des Malers
diesmal gestutzt und verkümmert zu sein.
Eine gewisse lähmende Schwere lag gestern über
der Darstellung der „Letzten Masken“. Die
Geschichte von dem sterbenden Journalisten, der in
seiner letzten Stunde den hohlköpfigen und darum schon
obenaufschwimmenden Rivalen niederschmettern will,
aber, von einem befreienden, tiefen Mitleid mit ihm,
mit dem ganzen Leben ergriffen, seine Enthüllungen
zurückhält, ist früher eindrucksvoller gespielt worden.
Herr Bassermann spielte zwar seinen Dichter
genau in der früheren Maske, aber etwas matter,
gedehnter im Ton und mit einer Dialektbeimischung,
die früher weniger hervortrat. Herr Reicher gab
dem Rademacher Gehalt und Charakter. Herr
Forest suchte dem Schauspieler möglichst viel Wirkung
abzugewinnen. Im lustigen Abschluß, der Burleske
„Literatur“ erfreute Bassermann wieder durch
die köstliche, in der Anlage so feine und an trefflichen
Details so reiche Charakterstudie, die er als vornehmer
Sportsman bietet. Irene Triesch überrascht und
überrumpelt hier durch einen herzhaften, derben, stets
aber im Dienste der Charakteristik stehenden Humor
und Herr Forest, der, wie vordem Rittner, dem
Schriftsteller eine Art Hartleben=Maske gibt, machte
sich ebenfalls um die heitere Wirkung verdient.
schloß denn der Abend unter regerem Beifall, der den
„lebendigen Stunden“ einiges lebendigere Interesse
verhieß.
J. L.
Zusammensetzung, und anders als vor sechs Jahren
hat er gewirkt. Dir. Brahm, im eigentlichsten Sinne
des Wortes unser literarischer Bühnenleiter,
und den Theateranforderungen, den Theaterpraktiken
gegenüber der Vertreter sorgsamster Rücksichtnahme
auf die Dichter und ihre Werke, hat diesmal der
Repertoir = Zweckmäßigkeit zuliebe der natürlichen
Gruppierung der Stücke Gewalt angetan. Er hat
aus dem ursprünglichen Dramenquartett die führende
Stimme, das Werk, das dem Zyklus den Namen
und den Inhalt gab, eben den Einakter „Lebendige
Stunden“, entfernt, und dafür den „Puppenspieler“ an
die Spitze gestellt, der zu dieser Komposition
nicht gehört und ihre Grundstimmung nich
teilt. Jener Einakter, „Lebendige Stunden“ eine#
gedämpfte, schwermütige Auseinandersetzung über den
Tod der Mutter eines Künstlers war handlungsarm,
beklemmend. Was an ihr fein gedacht und vornehm
empfunden war, das kam im harten Bühnenlicht nicht
zur Geltung. „Der Puppenspieler“ der immerhin!
mehr vom robusten Theaternaturell besitzt, ist um der
Wirkung willen vorangestellt worden. Und er hat
denn auch einigermaßen Eindruck gemacht. Ein starkes
Theater=Echo zu wecken ist freilich auch dieses Stückchen
nicht geeignet und sehr geräuschvollen Beifall hat keines
der vier Dramen hervorgerufen. Am lebhäftesten wirkte
noch „Die Frau mit dem Dolche“ und die übermütig
witzige, satirische Burleske „Literatur". Die
glei
Masken“ machten am wenigsten Eindruck un
still verüber. Kaum daß sich einige seeundl
Hände regten. Immerhin brachte der Abend
manches, woran ein feinhöriges Ohr sich erbauen und
ein theaterfreundlicher Sinn sich ergötzen kann. In
den Dramen das stille Träumen und Sinnen eines
Autors, der nicht immer und nicht bezwingend stark
Dramatiker, aber immer Dichter ist, in der Auf¬
führung die Gelegenheit zur Entfaltung ihres
Könnens für Irene Triesch und Bassermann
Dabei
kann man mit Interesse verfolgen, wie si
iden
vom tiefen, rauhen nordischen Grüble
m
seinen elegischen Wiener Träumer Schn
n.
Ein Tropfen des Bluts von Ulrik 2
m
„Puppenspieler“ wie ein Motiv aus „
in die „Lebendigen Stunden“ hinüberspie
willige Opfertod aus Liebe und das später
r
über diesen Opfertod.
Den „Puppenspieler“ bezeichnet Schnitzler als eine
Studie. Zu einer fesselnden Charakterstudie macht
Albert Bassermann den Künstler, der sein
Instrument fortwirft, den Mann, der seine großen
dichterischen Pläne geizig für sich behält, weil er zu
stolz ist, sie der Welt zu überantworten, und der auf
der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn balanciert.
Der Frau Hofmann und Herrn Stieler
blieb nichts anderes übrig, als dem Hauptdarsteller
möglichst frisch und natürlich zu assistieren. In der
„Frau mit dem Dolche“ bewährt sich wieder das
starke dramatische Naturell der Triesch, in dieser Frau,
die in einem Galerie=Bilde sich selbst erkennt und in
einer Art Traumszene eine packende tragische Episode
wiedersieht, die sie vor Jahrhunderten schon, in einem
ren Dasein erlebte und nun in ähnlicher Lage
erleben soll. Dem Leonardo, dem jugendkecken
aber, gab Herr Stieler mehr Wärmeßals der
re Darsteller der Rolle, dagegen schien die vor¬
mals von Sommerstorff gespielte Rolle des Malers
diesmal gestutzt und verkümmert zu sein.
Eine gewisse lähmende Schwere lag gestern über
der Darstellung der „Letzten Masken“. Die
Geschichte von dem sterbenden Journalisten, der in
seiner letzten Stunde den hohlköpfigen und darum schon
obenaufschwimmenden Rivalen niederschmettern will,
aber, von einem befreienden, tiefen Mitleid mit ihm,
mit dem ganzen Leben ergriffen, seine Enthüllungen
zurückhält, ist früher eindrucksvoller gespielt worden.
Herr Bassermann spielte zwar seinen Dichter
genau in der früheren Maske, aber etwas matter,
gedehnter im Ton und mit einer Dialektbeimischung,
die früher weniger hervortrat. Herr Reicher gab
dem Rademacher Gehalt und Charakter. Herr
Forest suchte dem Schauspieler möglichst viel Wirkung
abzugewinnen. Im lustigen Abschluß, der Burleske
„Literatur“ erfreute Bassermann wieder durch
die köstliche, in der Anlage so feine und an trefflichen
Details so reiche Charakterstudie, die er als vornehmer
Sportsman bietet. Irene Triesch überrascht und
überrumpelt hier durch einen herzhaften, derben, stets
aber im Dienste der Charakteristik stehenden Humor
und Herr Forest, der, wie vordem Rittner, dem
Schriftsteller eine Art Hartleben=Maske gibt, machte
sich ebenfalls um die heitere Wirkung verdient.
schloß denn der Abend unter regerem Beifall, der den
„lebendigen Stunden“ einiges lebendigere Interesse
verhieß.
J. L.