II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 72

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16.4. Literatur
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als drastisch abwechselnde Nachfolge des tief= und dichterisch beinahe sympathisch werden. Er ist ein ehrlicher Mensch, er
heater rmiteren.
empfundenen religiösen Mysterienzpieles „Jedermann“ — gleich warn alle exzentrischen und liebestollen Weiblein vor sich
Wien, 3. Februar,
drei noderne“ Premièren serpiert, die, genan besehen, weder selbst — und hat vielleicht wirklich daran die wenigste Schuld,
. drei Szeuen von Frank Wede¬
daß sich diese unverbesserlichen Schwärmerinnen ihm immer
gar so „modern“, noch (für Wien wenigstens) strenge genom¬
he“, tragische Posse in zwei Akten
men, überhaupt keine Premièren mehr waren, de alle drei
wieder und wieder ungerufen — und manchmal wohl auch
e. Übersetzt von Siegfried Tre¬
Stücke bereits auf kleineren Bühnen unserer Stadt — vor
unerwünscht — an den Hals werfen. Denn er hat doch nie
Lustspiel in einem Akt von Artur
Jahren schon! — ihre Erstaufführung erlebten. Ein trauriges
Zeit, muß heute in Paris und vielleicht übermorgen schon
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Zeichen fürwahr, wenn unsere Hofhühne zu den Ablegern eines
in Florenz singen, ist einmal im Norden, dann im Süden,
Wricht so ganz mit Unrecht bekämpf¬
Theaters in der Josefstadt greifen mus! Hat Deutsch=Öster¬
und pendelt mit der Pünktlichkeit eines transatlantischen Dop¬
bt sich das Wiener Hofburgtheater
reich wirklich so gar keine ringenden und beachtenswerten dichte¬
pelschraubenschnelldampfers zwischen Europa und Amerika um¬
dlichste Mühe, sein so schon mehr
rischen Talente mehr, daß im kaiserlichen Burgtheater immer
her. Verdient heidenmäßig viel Geld, gerade darum, weis *
Renommee einer ersten deutschen
wieder nur Franzosen, Ituliener, Spanier oder so ganz un¬
er so pflichtbewußt und tätig ist. Ein wenig schlägt diesem
en. Läßt man nämlich in seiner
deutsche Deutsche und vaterlandslose, alles und jedes mit der
Abgotte aller Opernbühnen, dieser Idealgestalt eines Lohen¬
berbunten Reigen all jener Novi¬
Lauge ihres zynischen Spottes übergießende Juden als Autoren
grin, Tristan u. s. w. immer noch der alte Tapezierergehilfe
che während der zwei letztvergan¬
figurieren müssen.
ins Gemüt. Er singt mit einer gerade so beharrlichen Verlä߬
gingen, vorüberziehen, so kann
Wedekinds oft genug schon besprochener und oft genug
lichkeit heute seine bezaubernden Arien, als er ehedem Ta¬
illen nicht des quälenden Gefühles
peten klebte. Jede Störung, die ihm den so über alles gefürch¬
schon von der liberalen Presse zum „Meisterwerk“ hinauf¬
hauung erwehren, für mehr oder
gelobter „Kammersänger“ leitete diesen gewagtester Experi¬
teten Kontraftbruch bringen könnte, sucht er aus kluger Ge¬
anemnandergereihte Versuche einer
mentalkunst gewidmeten Premierenabend ein. Wir machen die
schäftstüchtigkeit zu vermeiden. Wer nun auch immer das
ühne den zumeist restlos enttänsch¬
Bekanntschaft des erfolgreichen „Tenor-Tapezierers“, der es
störende Element sein mag, eine verzückte, dumme Anbeterin
haben ... Denn, was haben wir
seiner Kehle und last not leatt seinem pfissigen Impres¬
seiner goldenen und goldbringenden Stimme, oder ein alter,
te mit schwülserotischeen Inhalt,
sario verdankt, daß ihm die ganze Welt und insbesondere aber
weltunkundiger, aber wirklich großer Künstler, der als Opern¬
si wollendem, in Wahrheit aber so
— worauf Hirr Wedekind seine Handlung baute, — soundso¬
komponist die Huld und damit auch die Protektion des ge¬
iem Phrasengeklingel ausarteten,
viele schwärmerische Backsische und verrückte Weiber zu Füßen
feierten Kammersängers erwerben will, alles wird ohne viel
banale Lustspielmanier des seligen
liegen. Darai läßt sich am Ende gar nicht zweifeln, das
Unterschied und Federlesens zu machen, abgewiesen oder nasch,
ist lebenswahr und natürlich. Ein Tenor ist immer vergöttert
genug des grausamen Spieles!
nach einem knappen Viertelstündchen hoher Audienz, wieder
worden, und ein Geleyrter, der tiefgrändig wissenschaftlichen
as gediegeneres Werk zu Worte,
heimgeschickt. ... Da kommt einmal das Verhängnis in Ge¬
Boden kultiviert hat, ein Künsile, der schöpferisch in Marmor
e wahrhaftige Dichtung hätte ge¬
stalt einer exaltierten Frauensperson, einer, die, wie biele Hun¬
nd sie taube Ohren. Flugs spilte
und Erz arbeitet, ein gottbegnadeter Tichter, ein Raffael und
derte vor ihr, den Kammersänger mit Liebesbeteurungen be¬
lamm die anstürmende Flut nach= Michelangelo, ein Staatsmann m## alles, was wirklichen Wert
drängt, die ihm folgen will als getreue „Sklavin“ und die
n= und hausfüllender Sensations¬
in sich selbst trägt, sinkt vor den Angen der Wesen mit den
zuerst rast und dann ohnmächtig wird, weil dieser edle Lohen¬
eiherbusch“ und „Die fünf Frank¬
langen Haaren und dem kurzen Verstande einem Opernsänger
grin (der mehr nach fetten Tantièmen, als nach süßen Schäfer¬
das Opus gleichsam für immer
gegenüber, zumal einem schmachtenden, fettigen Tenor, ins
stündchen Verlangen trägt) sie mehr oder weniger brutal ab¬
Parchivs ein.
wesenlose Nichts zusammen. ... Und trotz all seiner Eitel¬
schüttelt. Diese Frau — die uns Wedekind als Mutter von
keit und Dummheit, trotz seiner empörend professionellen Auf¬
freilich noch sehr wenig bewähren¬
zwei Kindern vorstellt — kommt (auch wie so viele vor ihr!)
fletzten Jännertage — wahrscheinlich fassung eigener Kunst, #a## ans Wedelinds „Kammersänger“ knapp vor der Abreise des Kammersängers, also zur denkbar