16.4. Literatur
schnrlanse und Welt, Berlin
S
S
Darmstadt. Vier Opern Verdis, scche
Meisterwerke „Rigoletto“ (mit Walter Som¬
mer als erfolgreichem Gast in der Titelrolle),
„Der Maskenball“, „Aida“ und „Der Trou¬
badour“, gaben bei ihrer Aufführung am
Hoftheater (zur Hundertjahrfeier des
Meisters) dem Italiener Arturo Vigna
Gelegenheit, seine feldherrnmäßige Dirigenten¬
kunst auch hier sieghaft zu entfalten. Ein
hinreißendes, feuriges Temperament, gebän¬
digt durch Kunstverstand — das war der Ge¬
samteindruck, den man von dem Manne mit¬
nahm. Nach den Goethespielen, in denen vor
allem Hans Baumeister als Egmont,
Tasso und Beaumarchais geglänzt, kam man
uns im Schauspiel „Hochmodern“ mit drei
Einaktern von Wedekind („Der Kammer¬
sänger"), Salten („Auferstehung") und
Schnitzler („Literatur"). Das Wedekindsche
Stuck zeigt wenigstens Spüren von Leben,
zeigt trotz aller inneren Brüchigkeit Ansätze
Hinter den possen¬
von Gestaltungskunst.
haften Grimassen lauert blutige Satire, in
dem ganzen grotesken Ulk steckt noch ein
ernster Kern. Auf den dramatischen Plau¬
dereien der beiden Wiener dagegen lastet ganz
der Fluch des großstädtischen Nur=Literaten=
tums. Umspült vom Geiste der Frivolitäti
durchseucht von fauler Erotik, aufgeputzt mit
geistreichelndem Witzgeflunker, ungeniert von
Rücksichten auf sittliches Feingefühl, müssen
solche Machwerkchen gekunstelter Unnatus¬
jeden noch nicht vor allen guten Instinktens
Verlassenen anwidern. Das gilt in erhöhtems
Maße von den aufgeblasenen, affektierten¬
Nichtigkeiten des Wieners Peter Alten=
berg, dem die „Freie literarisch¬
künstlerische Gesellschaft“ einen
1
ihrer zehn Abende widmen zu müssen glaubte.
Es war ein glänzender Reinfall. Verdienst¬
licher war der Versuch derselben Gesellschaft,
Verhaerens dramatische Episode Phi¬
lipp II. (in der Uebersetzung von Stefan
Zweig) durch Berufskünstler und Dilettanten
aufführen zu lassen: ganz auf lyrisches Pa¬
thos gestellt, ohne dramatisches Mark und
Rückgrat, vermag das Stück trotz mancher
Schönheiten seinen Bühnenwert nicht zu er¬
weisen. Im Grauenhaften kann sich der
Dichter kaum genug tun; uns das Gruseln¬
zu lehren, ist aber nicht Aufgabe jdes tra¬
gischen Poeten.
box 22/3
Die einaktige Satyre ist eine intime Ent¬
hüllung aus der Hexenküche der Literatur vel¬
che der ironischen Feder Artur Schnitzlersent¬
stammt und welche die Thalia“ Gesellschaft
zum ersten Hal aufgeführt hat.-
Aus grossen und kühnen Zügen aus der In¬
tirität der Literatur, aus Zügen, welche den
tiefsten Geheimissen der Kunstverkstätte ab¬
gelauscht sind, ist dieses ironi che Bild zu¬
sammengesetzt, aus dessen skizzenhaften Unris¬
sen, bald hier, bald dort, ein tief bitterer
Ton hervorklingt, der in der Seele der jenigen
verborgen liegt, die nit der Literatur in en¬
gen Kontakt stehen.- Es ist unmöglich, dass
diese keine Bitternisse haben und eben des¬
halb karn es nicht anders sein, als dass sie
mit wahrster Liebe, mit sehnerslichster Liebe
die Literatur Tieben.-
Als ein liensch mit soicher Seele gab
sich Artur Schnitzler in dieser seiner Satyre
und eben deshalb var er uns so sympatisch und
WRN
schnrlanse und Welt, Berlin
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Darmstadt. Vier Opern Verdis, scche
Meisterwerke „Rigoletto“ (mit Walter Som¬
mer als erfolgreichem Gast in der Titelrolle),
„Der Maskenball“, „Aida“ und „Der Trou¬
badour“, gaben bei ihrer Aufführung am
Hoftheater (zur Hundertjahrfeier des
Meisters) dem Italiener Arturo Vigna
Gelegenheit, seine feldherrnmäßige Dirigenten¬
kunst auch hier sieghaft zu entfalten. Ein
hinreißendes, feuriges Temperament, gebän¬
digt durch Kunstverstand — das war der Ge¬
samteindruck, den man von dem Manne mit¬
nahm. Nach den Goethespielen, in denen vor
allem Hans Baumeister als Egmont,
Tasso und Beaumarchais geglänzt, kam man
uns im Schauspiel „Hochmodern“ mit drei
Einaktern von Wedekind („Der Kammer¬
sänger"), Salten („Auferstehung") und
Schnitzler („Literatur"). Das Wedekindsche
Stuck zeigt wenigstens Spüren von Leben,
zeigt trotz aller inneren Brüchigkeit Ansätze
Hinter den possen¬
von Gestaltungskunst.
haften Grimassen lauert blutige Satire, in
dem ganzen grotesken Ulk steckt noch ein
ernster Kern. Auf den dramatischen Plau¬
dereien der beiden Wiener dagegen lastet ganz
der Fluch des großstädtischen Nur=Literaten=
tums. Umspült vom Geiste der Frivolitäti
durchseucht von fauler Erotik, aufgeputzt mit
geistreichelndem Witzgeflunker, ungeniert von
Rücksichten auf sittliches Feingefühl, müssen
solche Machwerkchen gekunstelter Unnatus¬
jeden noch nicht vor allen guten Instinktens
Verlassenen anwidern. Das gilt in erhöhtems
Maße von den aufgeblasenen, affektierten¬
Nichtigkeiten des Wieners Peter Alten=
berg, dem die „Freie literarisch¬
künstlerische Gesellschaft“ einen
1
ihrer zehn Abende widmen zu müssen glaubte.
Es war ein glänzender Reinfall. Verdienst¬
licher war der Versuch derselben Gesellschaft,
Verhaerens dramatische Episode Phi¬
lipp II. (in der Uebersetzung von Stefan
Zweig) durch Berufskünstler und Dilettanten
aufführen zu lassen: ganz auf lyrisches Pa¬
thos gestellt, ohne dramatisches Mark und
Rückgrat, vermag das Stück trotz mancher
Schönheiten seinen Bühnenwert nicht zu er¬
weisen. Im Grauenhaften kann sich der
Dichter kaum genug tun; uns das Gruseln¬
zu lehren, ist aber nicht Aufgabe jdes tra¬
gischen Poeten.
box 22/3
Die einaktige Satyre ist eine intime Ent¬
hüllung aus der Hexenküche der Literatur vel¬
che der ironischen Feder Artur Schnitzlersent¬
stammt und welche die Thalia“ Gesellschaft
zum ersten Hal aufgeführt hat.-
Aus grossen und kühnen Zügen aus der In¬
tirität der Literatur, aus Zügen, welche den
tiefsten Geheimissen der Kunstverkstätte ab¬
gelauscht sind, ist dieses ironi che Bild zu¬
sammengesetzt, aus dessen skizzenhaften Unris¬
sen, bald hier, bald dort, ein tief bitterer
Ton hervorklingt, der in der Seele der jenigen
verborgen liegt, die nit der Literatur in en¬
gen Kontakt stehen.- Es ist unmöglich, dass
diese keine Bitternisse haben und eben des¬
halb karn es nicht anders sein, als dass sie
mit wahrster Liebe, mit sehnerslichster Liebe
die Literatur Tieben.-
Als ein liensch mit soicher Seele gab
sich Artur Schnitzler in dieser seiner Satyre
und eben deshalb var er uns so sympatisch und
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