II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 48

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16.3. Die letzten Nasken
nicht genügt, da sie endlich Marheit haben
Die konservative Partei will ein Zustandenommen
(Telegramm unseten # „
wollten, wie es mit den direkten Reichs¬
der Reichsfinanzreform auf dem Boden der Reichsver¬
Die freisinnige Fraktionsgemeinsch
steuern werden solle. In dieser Beziehung hat
fassung und muß daher das Schwergewicht der aufzu¬
gestern abend in einer dreistündigen Sitz
bringenden Steuern auf die indirekte Besteuerung
nun auch wirklich die halbamtliche Erklärung
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Munse. der denseihe Aenmricher
Theater? Vom Sterben spricht man in guter
zwölfter Stunde am Sterbebett des
Gesellschaft nicht gern. Aber Sie waren einmal
und enthüllt sich in 15 Minuten so
mitgefangen, mitgehangen. „Nun begib
Feuilletons
ganzen Leere und Hohlheit, in seinen
dich in die Kammer der gnädigen Frau und sage
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der Freuden und Sorgen, entschlei
.Sie lesen die Stelle vielleicht selber wei¬
ihr“
Danziger Stadttheater.
Sterbenden derartig die ganze Nichtig
ter — Hamlet D. 1.
Masherade des Lebens, daß dieser
Also die letzten Fragen und Probleme.
Benefiz Oberregisseur Robert. „Der Tor und der
einziges der heiß ersehnten, lange vor
Ein junger Edelmann. Er hat nie gelebt. Auch
Tod“ von Hugo Hofmannsthal. — „Das Nacht¬
Worte spricht, sondern mit einem letzt
nie geliebt. Die zärtlich sorgende Mutter ver¬
nghl-den Kardinäle“ von Julio Dankas. — „Eine
des Schmerzes und der Verachtung
nichtete er durch Grabeskälte und heiße Zügel¬
Ikentinische Tragödie“ von Oskar Wilde. —
Narrenbühne des Lebens abtritt. (D
losigkeit, die Geliebte verließ er und brach ihr
„Die letzten Masken“ von Arthur Schnitzler.
Masken.)
Herz, den treuen Jugendfreund trieb er in den
5 Foß ich da gestern im Theaier? —
Und noch einmal hebt sich der
Tod. Und er selber? Unbefriedigt, unselig, mit
In emselben Theater, durch dessen heiße
einem Bilde des Lebens und
sich, mit der Welt und seinem Gotte verfallen —
Räumé die Frühlingsluft prickelt, die Klänge der
aber dieses Mal triumphiert das Le
ein saustischer Grübler, ein Bettelarmer trotz all
„Doljärprinzessin“ kitzeln? In demselben Theater,
heiße Leidenschaft siegt über alle Grü#
seines Reichtumes — es möchte kein Hund so
in dem die bombastischen Deklamationen rede¬
Blut ist das Lette.
länger leben.
brechender, redepeitschender Gastspielheroen die
Ein Ehegatte kehrt von einer langen
Da kommi der Tod und geigt ihm sein Lied.
Provinz zur Begeisterung rufen, in dem die Stars
reise zurück und merkt, daß er betroge
Verfalltag ist. Er soll sterben. Und nun? „Welch
schauspielerischer Weiblichkeit durch reich gepackte
fordert den hübschen, vornehmen Rivs
erbärmlich Grauen faßt Uebermenschen dich?“ Im
Kofferschätze und erstaunliche Verwandlungskünste
Zweihampf in seiner Wohnung.
Angesicht des Todes packt den Unseligen sein
der Kostüme zu ersetzen suchen, was ihnen an
flüstert die Frau dem jungen Geliebte
jämmerlich verfehltes Leben, packt ihn die qual¬
Geist und Seeie abgeht?
durch die Fachel, die sie den Kämpfende
volle Erkenntnis, daß er noch gar nicht gelebt hat.
Ein Sichheben des Vorhanges, ein großes Pu¬
muß, sucht sie den Gatten zu blenden,
Aber nun soll es anders werden, nun will er
blikum, das durch toppiges Zuspätkommen und
am richtigen Stoßen zu hindern. Aber
anfangen, zu leben, zu lieben, zu wirken. Zu
rücksichtsloses Sesselgeklapper, dann durch eine
siegt, der junge Geliebte wird vor den
spät. Verfalltag ist es. Die Totenglocke schallt,
unendliche Einfonie lieblichen Gekrächzes just die
Geliebten getötet.
die Uhr muß stehen, der Zeiger fallen. Armer be¬
schönsten Szenen, die tiefsten Worte stört — ganz
Und nun? Was wird geschehen?
trogener Tor. (Der Tor und der Tod.)
gewiß, ich saß im Theater.
rasende Mann die ehebrecherische Frau
Ein literarischer Abend von auserlesenem Ge¬
Reine, wahre Kunst und doch gewaltige Predigt.
selben Dolche vernichten, wird diese ih
schmack. Nein, das ist nicht das rechte Wort. Ein
Das Theater als Erzieher.
kommen?
philosophischer Abend. Ja, das war es. Zwischen
Hier also die ganze Wichtigkeit des Lebens im
Das wäre altmodisch und abgeschma
Philosophie und Dichtung. Etwas Eigenartiges,
Angesicht des Todes. Aber es gab auch die ganze
Gebanke an solche Trivialität. „Waru#
ztwas das gebieterisch zum Nachdenken zwang,
Nichtigkeit des Lebens im Angesicht des Todes.
du mir nicht, daß du so stark bist?“
ium Grübeln unter Umständen.
Gattin.
Ein armer Journalist. Er muß auch sterben,
Was bin ich? Wozu lebe ich? Welchen Sinn
Und er: „Warum sagiest du mir bis
ohne gelebt zu haben. Er hat es nie zu etwas
und Zweck hat all mein Sinnen, Wollen, Han¬
Augenblick nicht, daß du so schön bist?
gebracht, der arme Kerl. Hat ein Jammer¬
eln? Die ewigen, nie gelösten Rätsel des Lebens
Und in den Armen liegen sich beide.
dasein geführt, während sein Freund Weihgast
ind Sterbens, die nagende Frage nach dem
Seelen haben sich über dem gemordeten
ein weltberühmter, schwerreicher Dichter gewor¬
Parum, unser Ringen um eine Welianschauung,
gefunden. (Eine florentinische Tragödie
den. Und war dabei ein elender, flacher Tropf.
as so oft ein Ringen bleibt um eine Stellung
Oskar Wilde liebt den krassen E
Diesen Menschen haßt der arme Journalist
u den Problemen des Seins und Nichtseins —
klügelte er diesen plump sinnlichen Se
mit der ganzen Glut seiner Seele. Sterbend
as alles in einen kurzen Abend gepreßt, den
Warum nicht? Das Ueberraschende ma
noch einmal seine ganze Verachtung, seinen
nan an der Stätte der erquickenden Muse ver¬
Zwischen diesen grüblerischen, tiefern
vernichtenden Zorn ihm ins glattes feiste Antlitz
ebt — wunderbar, aber wahr. Nicht wahr, gnä¬
ige Frau, dazu gehen Sie eigentlich nicht ins I schleudern zu Können, ist sein letzter, dringender! schroff zufassenden Tragödien eine ruhi