II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 82

14. Der Schleier der Reatrice
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Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich=Ungarns.
Nr. 358
Wien, Vonnerstag, den 30. Dezember 1909.
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spielerischer Talentlosigkeit degradierte, sondern
Der Kampf um das Burg¬
Jahrelang tobte Ludw
einzig deshalb, weil ein gewisses Jungasien
burg, in Breslau und Ber
theater.
nicht zu Worte kommen ließ. Die Hetze gegen ihn
theater keine neuen Einakt
Wien, am 29. Dezember.
begann vor ein paar Jahren, als er mit anzuerkennender
einen ganzen Zyklus verfa
Es soll hier keine Ehrenrettung Schleuthers, keine
Energie Artur Schnitzlers—„Schleier der Beatrice“
hörig und ersparte es uns
Apologie seiner Burgtheaterdirektion versucht werden.
zurückwies. Ist es beim christlichen Wien schon vergessen,
die jungösterreichische Dra
Nichts wäre ungerechtfertigter, nichts weniger am Platz.
wie damals „liberale" Burgtheaterkritiker Proteste unter¬
Andere mochten mit ihrer
Eine elfjährige Untätigkeit hat das Burgtheater von
fertigten und ein großes Geschrei gegen Schlenther an¬
das Orpheum beglücken,
seiner stolzen Höhe noch tiefer hinabgeführt als dies
hoben? Das war der Anfang seines Niederganges, und
oder Pester Blatte klagen,
schon Schlenthers Vorgänger, Max Burckhardt,
man muß ehrlich sagen, dieser Anfang wäre so unehren¬
theater sei — Schlenther l
haft nicht.
getan hatte, den man nur nicht so ganz vergessen sollte,
dem Burgtheater damit wi
wenn man von einer Dekadenz der ersten deutschen
Wer sind Schlenthers lauteste Gegner und wer hat
hatte auch für diese Gefühl
Bühne spricht. Schlenther war ein schlechter Direktor,
den letzten Burgtheaterskandal bei dem gewiß mißratenen
Verständnis, wenn ihm in
dem alles abging, was einem Burgtheaterdirektor eigen
„Hargudl am Bach“ inszeniert? Doch nur die kritischen
spielerin beharrlich als
sein müßte:
Stilgefühl, Temperament, Kenntnis des
Wortführer Wiens, die Salten, Ludwig Bauer und ein
wurde, die zufällig Gattin
Wiener Geschmacks und vor allem historische Pietät für
paar andere pressierte Herren, die an Schlenther für seine
Großmeisters ist. Mochte i
unsere Burgtheatertradition. Er kannte sicherlich Laubes
ständige Nichtbeachtung ihrer eigenen Geisteserzeugnisse
auch kritisch sezieren, die
Burgtheaterschriften theoretisch sehr gut, aber in
oder der ihrer Freunde Rache nehmen zu müssen glaubten.
ins Burgtheater.
die Tat umgesetzt hat er daraus vielleicht nur das eine,
Nun erwies sich das Gezeter als wirkungslos, denn die
Das sind die Motive
daß er es ebenfalls für nötig erklärte, dem Burgtheater¬
Hoftheaterbehörden haben den nicht genug lobenswerten
unaufrichtigen Gegner nän
publikum hie und da leichtere Kost vorzusetzen. Nur
Geschmack, auf dieses Mißsallen unbefriedigter Autoren
liebende Publikum Wiens
daß aber Schlenther gleich die allerleichteste und aller¬
nichts zu geben. Also mußte Brachialgewalt angewendet
abzurechnen, aber das
seichteste wählte, daß er Kadelburg spielte, wo Laube
werden und dazu ergab die letzte Première Gelegenheit.
Denn gestürzt haben ihn
immerhin noch mit Seribe und Sardou gewirt¬
Das eigentliche Burgtheaterpublikum hatte mit dem
Gernegroße, die, wenn
schaftet hatte.
skandalösen Treiben gar nichts zu tun.
sagen wußten, eine klei
Aber Schlenther ist ja tot und Tränen sollen und
Daß Schlenther geht, ist nicht einen Augenblick zu
der Germanistik ins Feld
dürfen ihm nicht nachgeweint werden. Größere Gefahr
beklagen, nur seinen Nachfolger muß man warnen. Wehe
seinen „Tabellen“ erschlage
steht aber jetzt bevor und vor dieser soll noch im letzten
ihm, wenn er sich in ein kompromittierendes Verhältnis
Vergleiche zwischen 1809 U
Augenblicke mit größter Eindringlichkeit gewarnt werden.
mit den Salten, Julius und Ludwig Bauer, Hermann
sehr genau, daß die Sof
Die ihn stürzten und damit einem Nachfolger die Pfade
Bahr usw. einläßt. Da wäre es fast besser, Schlenther
die Römpler=Bleibtreu!
ebneten, werden wahrscheinlich Rechte geltend machen
bliebe, als daß man den Skandal erlebte, die Stücke
Dreißigjährigen nicht al
und dann kann ja die Zerstörung des Burgtheaters
der bisher Zurückgewiesenen aufgeführt zu sehen. Davor
rechnete er sogar heraus, d
unaufhaltsam ihren Weg nehmen. Eines sollte das
hat uns Schlenther immer zu bewahren gewußt, und
waren als die Kadelsburgs
deutsche Wiener Theaterpublikum Schlenther nämlich doch
diese Tatsache bildet einen guten Posten in seinem
in hundert Jahren nicht
nicht vergessen; er hatte den Mut, sich die gewissen
sonstigen Sündenkonto. Ihn konnten alle die Umtriebe,
Vielleicht ist es ein Ve
Wiener Stückeschreiber mit kräftiger Faust vom Leibe zu
alle Drohungen, die mehr oder weniger versteckt im In¬
leben, daß Schlenther gest
halten. Ihn befehdet man in einer gewissen Wiener
und Auslande deshalb gegen ihn vorgebracht wurden,
man seinen kritischen Wide
Presse doch nicht deshalb, weil er das Burgtheater zu nicht dazu bewegen, einer selbstsüchtigen Kritik in die
ihn zur Strecke brachten, un
einem Tummelplatze schriftstellernder und schau= Laube zu gehen.
für dieses Treiben ruhig hi