II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 102

14: Der Schleier der Beatrice box 20/1
Schmach beurtheilt. Aber Herr Bernhard Buch¬
binder, die Verkörperung des Missbrauchs kritischer
Amtsgewalt, Schnüffler und Producent, der übelste
Verpester der Wiener Vorstadtbühne, der dreisteste
Speculant auf die Verlotterung des Wiener Kunst¬
geschmacks, braucht nur eine seiner elenden und
geme nen Possen im Raimund-Theater zur Aufführung
bringen zu lassen, um der Zustimmung der strengen
Herren vom „Deutschen Volksblatt“ sicher zu sein.
Wenn irgendwo das Bestreben, die journalistischen
Tantièmenschmarotzer fernzuhalten und das Volks¬
empfinden vor Corrumpierung zu bewahren, in Action
zu treten hat, dann, sollte man doch meinen, kann es
keinen geeigneteren Anlass als die Première eines
Buchbinder'schen Werkes auf einer Wiener Volksbühne
geben. Aber am 27. October wird -Grubers Nach¬
folger- im Raimund-Theater aufgeführt, und am 28.
verkündet das „Deutsche Volksblatt' mit merklicher
Genugthuung: -Die gestrige Novität zeigt uns Bernhard
Buchbinder nicht ohne Erfolg bemüht, in den Bahnen
von Karlweis zu wandeln.=Und das ist nichtetwa Hohn,
sondern pure Anerkennung. Der von der Concordiapresse
gehätschelte Verwässerer O. F. Bergs wird ernstlich
als Lehrmeister einer neuen Volksdichterschule hin¬
gestellt. Auch die antisemitischen Blätter scheinen eben
unter jenen Bahnen von Karlweis, in denen zu wandeln
einem Journalisten erstrebenswert sein muss, die Süd¬
bahn am meisten zu schätzen. Herrn Bernhard Buch¬
binder — das „Deutsche Volksblatt’ erweist ihm literar¬
historische Ehren und lässt den -Herrne weg — werden
sodannrgut gezeichnete Situationen- und rmanch
hübsches Witzwort- nachgerühmt, das den Dialog
belebt-; man habe sich -vortrefflich unterhaltene u. S. w.
Der Hauptdarstellerin wird — ganz im Stile des anders¬
gläubigen Schmockthums — die aufdringlichste Reclame
gespendet und das Bedauern ausgesprochen, dass sie
wörtlich! — -nicht noch öfter und noch länger
auftrat, als das der Fall wars Wie man sieht, ist
eine Verständigung zwischen antisemitischer Kritik und
jüdischer Theaterwelt nicht gar zu schwer herzustellen.
Das „Deutsche Volksblatt“ versetzt nicht mehr blind¬
wüthig jedem andersgläubigen Autor einen Fußtritt und
ein Ausrufungszeichen hinter seinen Namen. Seine
Redacteure haben sich zu jener Höhe der Objectivität
erhoben, von der aus sie mindestens das Wirken der
schlechten und schädlichen Juden mit vorurtheilsloser
Nachsicht betrachten können.