II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 114

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14: Der Schleier der Beatrice

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Direktionsjahre Laubes Iu Zwecken einer bis nach Deutschland hinaus nachhallende Wirkung übte. Es richtung einer kritisch=ästhetischen Zensur vor Schaden bewahrt
keitsvorstellung war ein Stückchen geschrieben war die Plauderei „Mit der Feder“. Der Autor, der die werden. Für den müßte er allein aufkommen.
kleines historisches Genrebild, dessen Hauptrollen Kleinigkeit auf einen momentanen Einfall hin zu Papier!
Nicht blos in der „Papierform“ hält sich, sondern
ttich und die Gabillon bestimmt waren, gebracht hatte, ließ sie über ein Jahr lang unter Verschluß
re eine sogenannte Hosenrolle. Laube las das liegen und war über Werth oder Unwerth derselben so wenig reellste, handgreiflichste, brutalste Wirklichkeit ist und bleibt
die Zensur — mit wechselnden „Vororten“, wo sie ihre
und gab dem Verfasser sein Urtheil in knappster im Klaren, daß er ihr, als sie dann doch zu Laube hin¬
wanderte, die Einbegleitung mitgab: „Wenn Sie, ver jeweiligen Machtkonzentrirungen in Aktion treten läßt. Der
gkeit: „Langweilig bis zum Exzeß, nicht zu
Der Verfasser las es bei Julie Rettich vor, ehrter Herr Direktor, das Stückchen für brauchbar er=momentane „Vorort“ ist Berlin, die Metropole der
es wird gebeten, nicht umgekehrt
es Gemals Spruch lautete: „Unaufführbar, weil klären, werde ich es Ihnen ebenso glauben, wie wenn „Intelligenz=Zensur“
sdramatisch.“ Zerline Gabillon's scharse Auf= Sie es miserabel finden, denn ich habe absolut „Zensur= Intelligenz“ zu lesen. Die Stettiner Rede
kein Urtheil darüber.“ Worauf Laube replizirte: „Mir geht Kaiser Wilhelm's hat da offenbar ein Mi߬
nd noch kräftigere Akzente: „Lieber Freund, das hält
es mit dem kleinen Lustspiele gerade so wie Ihnen, lieber verständniß hervorgerufen, die Berliner Zensoren haben
um aus.“ Das Manuskript wanderte also in die
Freund, ich kenne mich auch darin nicht aus. Ich nehme es das „Keinen Pardon geben!“ aus der Ferne auf¬
ade und blieb dort über Jahr und Tag liegen,
jedenfalls und werde trachten, es bei Gelegenheit aufs geschnappt und, ohne den Zusammenhang zu kennen,
Drang und Zwang einer Wohlthätigkeitsvorstellung
als an ihre Adresse gerichtet aufgefaßt. Und seitdem wüthen
Theater zu bringen.“ Diese Gelegenheit ließ beinahe zwei
inen Versuch damit wagen ließ. Baron Münch
sie faktisch unter den Autoren, als hätten sie es mit drama¬
Jahre auf sich warten, während welcher Zeit Laube nur
hen als General=Intendant an Laube's Stelle
d der hatte über den Einakter zu urtheilen. Ihm ein einzigesmal ernstlich daran wollte, um mit Lewinsky,tischen Boxers zu thun. Kaum sind „Die strengen
der damals in seinen frappirenden Anfängen war, als —[Herrein“ von Blumenthal=Kadelburg ihren
kleine Arbeit interessant, nur substituirte er für
[Streichen — das heißt, ihrem Streichen — erlegen,
schüchtern=verwegenen Liebhaber zu experimentiren! Bei
che Hosenrolle einen männlichen Darsteller. So
näherer Ueberlegung wollte man es jedoch darauf nicht an-wird dem „Ausflug ins Sittliche“, den Georg
Peseprobe. Der Eindruck auf die zur Mitwirkung
[Engels unternehmen will, der Weg verlegt und
Schauspieler war da der gleiche, wie zu Laube's kommen lassen und so wurde weiter gewartet, bis die
der Verfasser des „Probekandidat“ muß es
treibende Gelegenheit doch endlich eines Abends kam.
geradezu lähmender — man wollte dem Autor
mit dem Verbot eines neuen Einakters büßen,
Moral: Ueber die Theaterfähigkeit und theatralische
klich rathen, die kleine Mißgeburt zurückzuziehen,
sein Lustspielmuthwillen Berlin als die Stätte
Wirksamkeit eines Stückes gibt es keine andere sichere daß
Flatante Niederlage zu ersparen. Aber die Zeit war
Prophezeiung, als die der Phropheten nach rückwärts —der freien Meinungsäußerung ironisirt hat. Das
die geplante Vorstellung konnte nicht verschoben
wenn es sich durch die Theateraufführung erprobt hat, dann Alles aber geschieht bereits im Zeichen der „Sachverständigen¬
nd so ließ man den Dingen in Gottes Namen
Kommission des Goethe=Bundes“, die natürlich auch schon in
läßt sich sehr scharfsinnig und geistreich beweisen, daß die
Die erste, die zweite, die dritte Bühnenprobe
Verbindung mit den Sach un verständigkeiten der Zensur
Wirkung vorauszusehen war, ebenso wie die Dur hfallsnoth¬
in der gleichen trostiosen Stimmung. Mitten in der
wendigkeit, wenn der Durchfall schon geschehen ist. Für gebracht wird. Daß die üblen Prophezeiungen einer
obe erhebt sich plötzlich August Förster, der die
Stücke von schwankender Werthbestimmung das richtige Kompromittirung des Goethe=Bundes sich so rasch ver¬
te, vom Sitze und sagt: „Kinder, mit dem Stück¬
wirklichen werden, daß die Polizei sich so beeilen werde, ihre
Horoskop stellen, dafür reicht keine. Direktions=Astrologie aus.
wir uns gründlich, es wird einen starken Erfolg
Das gibt wohl jeder Direktor von Einsicht und Beruf selbst neuesten Gehilfen so geschwinde bloßzustellen, hätte man denn
nd den hatte esfrichtig.
zu. Mit einem Wort, auch das Durchfallsrecht sollte den doch nicht gedacht. Der „mildernde, klärende und weg¬
s Aehnliches, gleichfalls aus der eigenen Erfahrung
weiserische Einfluß“ der „literarischen Sachverständigen“ hat
wirklichen dramatischen Autoren nicht verkürzt werden dürfen,
ffalls aus der Direktion Laube, dessen Gedächtniß
mit Treibhausschnelligkeit kuriose Früchte gezeitigt. Soll man
nicht einmal aus der wohlwollenden Absicht eines bevor¬
er wiederholt angerufen wird, weil sein Theater¬
sie an diesen erkennen? Die „Papierform“ der neuen
mundenden Schutzes vor Niederlagen. Wenn dem Theater¬
gewiß ein unanzweifelbarer war. Wiederum handelt
r um einen Einakter, der aber durch die Glanz= betriebe selbst kein allzugroßes Opfer damit auferlegt wird, Zensur-Institution mit der gefälschen Goethe=Marke hat sich
S. S.
Sonnenthal's und der Gabillon eine sollte der Autor von Bedeutung durch keinerlei Schutzvor=glorreich bewährt ...!