II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 124

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14. Der Schleien der Beatrice
unterschrieben worden. Gibt es aber einen unterschriebenen
suchen, welcher Aufwand an Entgegenkommen nöthig war,
Revers, dann ist der Director erst recht zu nichts verpflichtet.
um die Firma Schönthan & Koppel=Ellfeld für das Burg¬
Feuilleton.
Er kann sich's noch immer wieder überlegen, immer wieder
theater zu gewinnen. Nur die österreichischen Dichter be¬
und immer wieder..
kommen die ganze Strenge des Gesetzes zu fühlen.
chleier der Beatrice.“
ist sehr nobel und hat allen Vortheil
Der Sachverhalt ist hinlänglich bekannt. Herrn Doctor
Dem Director des Burgtheaters gewährt der famose
hem Stück die Ehre hier angenommen
Schlenther wird der Vorwurf gemacht, er habe ein Stück
Revers noch einige ganz besondere Vortheile. Er kann
ß der glückliche Verfasser einen Revers
zuerst angenommen und dann abgelehnt. Herr Dr. Schlenther
immerzu Stücke annehmen. Da gibt es Stücke, nach welchen
kurgtheater unterschreibt gar nichts. Mit
entgegnet darauf, er habe das Werk „nie angenommen und
plötzlich in der Oeffentlichkeit gefragt wird: „Warum ist
ngt die Hofbühne das Recht, das be¬
erst abgelehnt“ — er setzt das Wort unter Gänsefüßchen
dieses begabte, jenes bedeutende Werk nicht im Burgtheater?“
zweier Jahre aufzuführen. Wird das
„als ihn Arthur Schnitzler vor eine unerfüllbare Be¬
Der Director kann geschwind erwidern: „O, bitte, das aus¬
er Zeit nicht gespielt, dann darf der
dingung stellte“. Wie lautet doch die bekannte Verantwortung?
gezeichnete Werk ist bereits seit längerer Zeit angenommen!“
dazu hat, noch länger warten. Be¬
„Erstens hab' ich mir den Krug nicht ausgeborgt; zweiten
Da gibt es Stücke, die im Ausland ganz unvermutheter
darüber gibt es nicht. Er darf aber auch
war er schon zerbrochen, wie ich ihn gekriegt habe, und
Weise einen großen Erfelg erringen. Allgemeines Erstaunen:
dem Archiv zurückverlangen, darf das Buch
drittens hab' ich ihn ganz zurückgegeben“?
Warum bleibt Wien zurück? Der Director gibt bekannt, das
und in die frische Luft bringen; er
Director Schlenther hat das Stück erst abgelehnt, als der
Stück sei bereits vor Jahren zur Aufführung erworben,
ahre als verloren ansehen und sich zum
Verfasser die „unerfüllbare Bedingung“ stellte, endlich
und ertheilt Auftrag, das Manuscript aus dem Archiv
anderen Worten, das Burgtheater sagt
Klarheit über das Schicksal seines Werkes zu erhalten. Ohn
zu exhumiren. Da gibt es Stücke von jungen Talenten,
Chriftsteller: Wenn Du willst, daß ich
diese Bedingung wäre das Stück bis heute nicht „abgelehnt“
die man annimmt, um nicht ein Odium auf sich zu laden.
nußt Du Dir Alles gefallen lassen. Ich
worden. Ohne diesen Wunsch nach Klarheit wüßte der Ver
Wird aus diesen Talenten, ohne Hilfe des Burgtheaters,
en, Du gar keine. Denn ich bin das
fasser bis heute noch nicht, woran er eigentlich ist. Her
etwas, dann hat das Burgtheater doch das Verdienst der
eater, und Du bist nur ein sündiger
Director Schlenther spricht trotzdem von „künstlerischen
ersten Aufmunterung, wenn auch nicht das der ersten Auf¬
Dich nicht, aber Du brauchst mich. Ich
Es scheiner
Gründen, die ihn zu der Ablehnung zwangen.
führung. Wird nichts aus diesen Talenten, dann wächst eben
ade, Du mir keine. Das Burgtheater
aber doch eher künstliche Gründe zu sein.
Gras über die Geschichte. Bei dieser Sachlage ist die Person
obel. Aber es ist eine Noblesse, die zu
des Directors die einzige Gewähr dafür, daß den Schrift¬
stellern nicht allzu übel mitgespielt werde. Seine Entschei¬
Für sein Zögern, Hinhalten, Verstecken und Irreführen
dung, gegen die es ja eine Appellation nicht gibt, bietet die
gibt der Director des Burgtheaters selbst überwältigend
usnahmsweise alle Schriftsteller diesmal
einzige Garantie, sein guter Wille die einzige Huffnung, sein
Erklärungen: „Nur weil mir diese Ueberzeugung sehr gegel
aß ein seccher Zustand unwürdig und
Versprechen den einzigen Trost, sein Urtheil den einzigen
das Herz geht, habe ich nicht das Herz gehabt, si
sich al eine Ausbeutung schlimmster
Anhaltspunkt für die gottverlassenen Autoren des Burg¬
Ihnen früher offen auszusprechen.“ Schnitzle
Es gib vohl in der ganzen Welt kein
theaters. Soll man da nicht dem Verlangen Ausdruck geben,
mußte warten, bis der Director mit seinen Seelenqualen zu
Erhältniß, in welchem der Stärkere seine
„daß sein in Ausübung des Amtes hinausgegebenes Wort
Ende war. Schade, daß Schnitzler von diesen innere
hwächeren so unverhüllt und ohne Scheu
einer gewissen Verläßlichkeit nicht entbehre . . .“? Es ist ein
Kämpfen, die Dr. Schlenther nöthig hat, um sich di
die
vielgeschmähten „Corsarenbriefe“
Ziel, auf's Innigste zu wünschen.
schlichte Wahrheit abzuringen, nichts ahnen konnte. Den
einst directorialer Willkür ausgeliefert
in seinem ersten Brief spricht Dr. Schlenther ganz side
im Vergleiche zu diesem Vertrage, und
vom Erstaufführungsrecht, erklärt, ohne daß ihn Je
Der Fall Schnitzler kann als Schulbeispiel dafür gelten,
einer umfangreichen schriftstellerischen
mand gefragt hätte, nur das Burgtheate
daß an der Verläßlichkeit des Directors Alles, am Revers
eseitigt. Niemand aber hat jemals ernst¬
könne ein solches Stück spielen, plaudert von de
nichts gelegen ist. Der Revers stellt nur eine leere
cht, die Schriftsteller vor der Zwangsjacke
Besetzung und von den Zuständen an fremden Bühnen, di
Formalität dar, eine Handlung, in der nach dem Burg¬
Ehnen im Burgtheater anselegt wird. In
so was nicht zustande bringen. Wie hätte der Autor d
theater=Ritus die Annahme eines Stückes symbolisch ausge¬
erdings begibt sich das Burgtheater seiner
auch nur im Entferntesten vermuthen könner
drückt wird. Der Director spricht, verspricht, schreibt, urtheilt,
eigt eine großartige Milde. Erfolgreiche
daß sein Stück dem Director mißfalle? Er hat auf all
beabsichtigt, plant. Aber wenn er sich nicht durch sein eigenes
ndes werden nicht so schroff behandelt.
weiteren Anfragen einfach keine Antwort gekriegt. Wen
Wort für gebunden erachtet, kann er sprechen, versprechen,
man sichere Contracte gegeben und ihnen
diese Directoren — gutherzig sind sie ja alle — doch nu
schreiben, beabsichtigen und planen, so viel er will. Er ist
stattliches „Einreichungshonorar“ bezahlt.
begreifen wollten, wie wenig man von ihnen verlangt: Auf
amtlich zu nichts verpflichtet, er darf sich noch immer hinter
aus Deutschland wurden ähnliche Ver¬
anden, und ich möchte hier nicht unter= den Reye#s-verstecken und sagen: Der Revers ist noch nicht richtigkeit! Kein Director braucht gefühlvoll und weinerlic
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