II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 129

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14. Der Schleier der Beatriee
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Weltrundschau.
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Künstlerin in Frau Schratt betrifft,
trice Poppe. Unsere relativ beste
so ist diese vor dem Altern bewahrt,
Beatrice wäre doch wohl Fräulein
denn mädchenhafte Leidenschaft war
Witt. Mit herzlichem Gruß 2c. 2c.“
nie ihre Sache. Als ganz junges
Um die Bedeutung dieses Brie¬
Mädchen war sie am holdesten dann,
fes hat sich nun ein Kampf entspon¬
wenn sie nicht Mädchen spielte, son¬
nen. Direktor Schleuther erfüllte
dern Jünglinge. Und in der Folge
nämlich Schnitzlers Wunsch nach einer
lag ihre Stärke einerseits auf dem
Bestimmung des Aufführungstermins
Gebiet der Salondamen und ander¬
nicht und auf die neuerliche Mah¬
seits auf dem der volkstümlich öster¬
nung des Autors vom 1. Septem¬
reichischen Gestalten. Die Darstelle¬
ber erfolgte die Ablehnung. Direktor
rinnen der einen wie der anderen
Schlenther, der übrigens bedauert,
können noch viel älter sein als Frau
nicht dem Rat des jungen Mannes
Schratt — sie können sogar älter
aus Schnitzlers Liebelei „Man soll
aussehen, als Frau Schratt aussieht.
nicht Briefe schreiben,“ gefolgt zu
Warum verläßt also diese Künstlerin
sein, behauptet, daß der Inhalt jenes
die Bühne? Warum ist sie des Thea¬
Briefes bei allem „vertraulichen
ters müde? Sollte es vielleicht ein
freundschaftlichen Charakter“ doch „zu¬
höherer Wunsch sein, daß die Freun¬
rückhaltend und völlig unverbindlich“
din des kaiserlichen Hauses dem In¬
sei. Doktor Schnitzler dagegen, der
triguenkampf auf den Brettern, die die
den Brief damals mit Erteilung des
Welt des Burgtheaters bedeuten, ent¬
Erstaufführungsrechts an das Burg¬
zogen wird?
theater beantwortet hat, bringt zur
Der Kampf scheint ja jetzt aufs
Unterstützung seiner Auffassung des
neue zu entbrennen. Zwei Jahre sind
Katharina Schratt.
„freundschaftlichen" Briefes noch einen
erst vergangen, seitdem Herr Max
weiteren vom 17. Juni, in welchem
Burkhardt aus dem Direktionsfessel geschleudert wurde und nun
Direktor Schleuther auf das Recht der ersten Aufführung ver¬
zupft und zerrt es auch schon an seinem Nachfolger Paul Schlen¬
zichtete. Man kann doch logischerweise, so meint er, auf das
ther von allen Seiten. Doktor Schleuther war früher als Kriti¬
Aufführungsrecht eines Stückes nicht verzichten, das man nie¬
ker ausgesprochener Parteimann. Seiner kritischen Thätigkeit in
mals augenommen haben will. Und auf seine Seite sind sechs
Berlin verdankt Gerhart Hauptmann zum großen Teil seine
namhafte Wiener Kritiker getreten, die Herren Hermann Bahr,
Bühnenerfolge. Der Hauptmannschen Partei gehört nun auch
Julius Bauer, J. J. Da¬
der Wiener Arthur Schnitzler-an,' insoweit eben ein Wiener
vid, Robert Hirschfeld,
mit einem Norddentschen Gemeinsames haben kann. Direktor
Felix Salten und Ludwig
Schlenther kam also als Schnitzlers Freund nach Wien und
Speidel, die in den Wie¬
er brachte ja auch bereits einen Schnitzler=Abend, wie er einen
ner Zeitungen eine lange
Hauptmann=Abend gebracht hat. Aber dann schien es doch, als
Erklärung veröffentlich¬
ob Schleuthers alter Parteieifer erkaltet wäre. „Jedes zu große
ten, die mit den Worten
Übergewicht auf einer Seite stört die Freundschaft,“ hat schon
schließt: „Wir erachten es
der alte Knigge gesagt. Im Dezember vorigen Jahres reichte
im Interesse der Autori¬
nun Arthur Schnitzler, der Verfasser der auch in Deutschland
tät des Direktors des
wiederholt aufgeführten Stücke „Liebelei“ und „Freiwild,“ sein
Burgtheaters für geboten,
neuestes Werk „Der Schleier der Beatrice“ dem Burgtheater ein
daß sein in Ausübung des
und nach der Erklärung des Autors besprach er mit dem Direktor
Amtes hinausgegebenes
schon bei einer bald darauf erfolgten Begegnung Besetzungs¬
Wort einer gewissen Ver¬
fragen. Ein Bedenken gegen die Aufführbarkeit wurde nicht
läßlichkeit nicht entbehre.“
geäußert. Hierauf erfolgte die Übergabe der gedruckten Exem¬
Arthur Schnitzler.
Dagegen bestreitet aller¬
plare und sechs Wochen später traf folgendes Schreiben des
dings Direltor Schleuther in seiner Eutgegnung, ein bindendes
Direktors im Hause Schnitzler ein: „Lieber Dr. Schnitzler!
Wort gegeben zu haben.
Anbei das Resultat meiner ersten flüchtigen Durcharbeitung.
Die ganze Streitfrage geht über eine Theatersensation eigent¬
Nicht alle meine Striche sind mir selbst schon zweifelsohne.
lich hinaus. Sie hat auch abgesehen davon ein Recht darauf,
Am strittigsten wohl die Weglassung des Andrea. Freund¬
in einer Weltrundschau als pikante Zeitillustration vermerkt zu
schaftlich warnen möchte
werden, und ein Philosoph könnte daraus ein ganzes Buch spinnen.
ich Sie vor dem Deutschen
Aber überlassen wir das den Philosophen und schließen wir
Theater, das bei seinem
unsere Zeilen mit der Hoffnung, daß sich vom alten herrlichen
jetzigen Personal, ohne
Burgtheater bald wieder glänzende Thaten berichten lassen und
Kainz und Sorma, der
nicht bloß ein Zank zwischen Autor, Kritikern und Direktor
Riesenaufgabe nicht ge¬
und der Rücktritt einer so interessanten Künstlerin wie Katha¬
wachsen ist. Übrigens
rina Schratt.
würde ich die Erstauffüh¬
Zu unseren Porträts bemerken wir noch, daß Ludwig
rung am Burgtheater zur
Speidel, einer unserer hervorragendsten Feuilletonisten, der
Vorbedingung der An¬
langjährige Schauspiel=Kritiker der Neuen Freien Presse ist.
nahme machen. Ichglaube,
Zugleich schreibt er für das Fremdenblatt Musik=Rezensionen.
nur das Burgtheater kann
Speidel ist ein geborener Schwabe, im April dieses Jahres
dieses Stück spielen. In
hat er seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Die Würde des
Berlin allenfalls die Hof¬
Burgtheaterdirektors, die ihm einmal angetragen wurde, lehnte
bühne. Filippo Christians,
er damals ab. Hermann Bahr hat in den letzten Jahren
Direktor Schlenther.
Herzog Matkowski, Bea=, mit seinem Wiener Stück „Das Tschaperl“ und der Komödie