II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 204

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14. Der Schleier der Beatrice
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1. 0

In naher Erinnerung ist noch der Fall Schnitzler. So
lange Arkhur Schnitzler nicht ganz er selbst zu sein wagte,
so lange er über eine gewisse weiche Behandlung
akuralistischer Stoffe nicht hinausgewachsen war, blieb er der
Eberwöhnte Liebling der Theaterleiter. Da unterstand er sich,
ein Versdrama zu schreiben, das Niemand von ihm erwartet
hatte. Kein Meisterstück, aber doch ein Beweis, daß in Arthur
Schnitzler mehr lebt, als er uns bisher verrathen hatte. Man
weiß, wie „Der Schleier der Beatrice“ vom Di¬
rektor des Wiener Burgtheaters zuerst angenommen und dann
abgelehnt worden ist. Man hat dieser Sache die Ehre eines
großen Lärms erwiesen. Doch wohl mit Unrecht. Schön ist
es freilich nicht, es kommt aber beim Theater alle Tage vor.
Mir scheint es wichtiger, festzustellen, daß andere Theater¬
leiter sich einem so eigensinnigen Drama gegenüber gar
nicht erst durch Versprechungen kompromittiren. Der
Mensch hat ja mit seiner „Liebeler“ einen so schönen
Erfolg gehabt! sagen sie. Volle Häuser! Was will er noch
mehr? Ein bischen Wehmuth in der Liebelei, das hat der
tausendköpfige Brodherr ganz gern. Jetzt tritt dieser Mensch
aber dem Problem ernsthaft näher, er schüttelt an den
Illusionen der Liebe und des Lebensglückes, und diese
Illusionen sind auch Stützen der Gesellschaft. Ja, wenn in
dem Stücke noch eine Bombenspannung vorhanden wäre!
Aber da ist alles so geistig, so innerlich. Das führen wir
nicht auf! Arthur Schnitzler soll nicht glauben, er dürfe
schreiben, was er will. Erlaubt ist, was dem Publikum
gefällt.