II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 213

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Der Schleier der Beatrice
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vom
#=Schleier der Beatrice". Schauspiel von Arthux Schuitzlex.
Berlin. S. Fischer. 1901.
Mit diesem Werke ist Schnitzler aus dem gewoh ten Kreise seiner
Dichtungen herausgetreten. Er bemüht sich hier nicht mehr um die
Darstellung von Gefühlen, die nur im Lichte des nämlichen Tages,
der sie gebracht, groß erscheinen und späterhin doch nur eine leise iro¬
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nisch=wehe Erinnerungsstimmung zeegen. Es handelt sich hier auch
##icht mehr um Menschen, die nur für die Zeit ihrer Gefühle und
durch diese besonderen Werth erhalten und, ist das Minuten= ober
bestenfalls Monateschicksal ausgelebt, wie Wachskerzchen verlöschen. Im
„Schleier der Beatrice“ sind große Schicksale an innerlich bedeutenden
Menschen vorgezeigt, während in den meisten der früheren Werke Schnitzler's
große Schicksale kleine Menschen überkamen; nun mag diese Gegeneinander¬
stellung leicht äußerlich und doktrinär klingen, wie ja auch selbstverständlich ve
keine Werthung zwischen Dichtungen nach der Größe ihrer Helden oder deren jr
Schicksalen beabsichtigt ist. Allein gerade für Schnitzler bedeutet der „Schleier jus.
der Beatrice“ einen großen Schritt ins Freie hinaus. Das dichterische
Problem, das alle seine Stücke enthalten, ist hier nun einmal losgelöst das
vom kleinen Beiweik wienerischer Art, am Menschen gezeizt, die edel den
Ab
Abo Geschicke tragen. Dieses Problem aber scheint nir dies zu sen: In
jedem Menschen lebt die Sehnsucht, sein Schicksal zu erleben, und
die
daran, wie er es erlebt, und was mit ihm geschieht, wenn es vollstreckten¬
Inl ist, mag man erkennen, wie viel Großes und Persönliches in ihm war.
ng*)
*Am dramatischen Dichter ist es nun, den Charakter der Menschen zu eben
wot zeigen in den Stunden, wo ihn das Schicksal überkommt. Das ist der sigen
Sinn der „Liebelei“, des „Vermöchtniß“, vieler der kleinen, innigen 1
Novellen Schnitzler's. Noch nie ist jedoch das Dramatische in diesem
Problem so rein ausgeprägt gewesen wie im „Schleier der Beatrice.“
Das Stück spielt zu Bologna, im 16. Jahrhundert. Der
Herzog von Bentivoglio hat einen entscheidenden Kampf mit Borgia zu
fechten. Es ist die letzte Nacht. Filippo Loschi, ein Dichter, erlebt das
Geschick seines Lebens. Er hat Teresina geliebt, eine vornehme
Dame; allein die Liebe ist verklungen. Er weiß nichts mehr
von der Zeit, da diese Leidenschaft ihn füllte: er liebt eine
andere, Beatrice, ein sechzehnjähriges Kind. Drei Tage kennt er
sie, brei Tage gehört sie ihm. „Im Herbste fallen Blätter, im Früh¬
jahr sprießen andere!“ sagt er, als Einer ihn treulos neum. In
jener letzten Nacht aber vor dem Morgen, da um Bologna gekämpft
werden soll, kommt Beatrice und weiß von einem Traum der letzten
Nacht zu erzählen. Der Herzog selbst sei im Traume ihr Gemahl ge¬
wesen. Da weist Filippo die Geliebte von sich. „So menig warst Du
mein, daß, schlossest Du die Augen, Deine Seele auf Abenteuer aus¬
fliegen konnte und ich war Dir nur von Tausend Einer.
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Beatrice
geht, der Traum wird Wahrheit. Der Herzog nimmt Beatrice zum
Weibe, vom Hochzeitsfeste aber schleicht sie hinweg zu Filippo. Sie
will mit ihm sterben. Dann aber, als sie glaubt, das todtbringende
Gift getrunken zu haben, erfaßt sie die Lebenssehnsucht wieder: Sie will
nicht sterben, bevor sie ihr Schicksal vollendet, ihr Leben ausgetrunken hat.
Filippo, ein zweites Mal durch sie enttäuscht, tödtet sich, und Beatrice verläßt
ihn, kehrt zum Hof zurück. Doch sie hat den Schleier, den ihr der Herzog
gab, beim Todten zurückgelassen und den muß sie dann von der Leiche holen,
vom Gemahl begleitet. Das war die einzige Mögkichkeit, ihr Leben zu
retten; denn ihre Flucht war entdeckt worden. Als sie nun mit dem
Gemahl an Filippo's Leiche steht, da löst sich alles in ihr, die Lebens¬
sehnsucht und die Todesfurcht. Der Eine starb um sie. Sie hatte ihn
um eines Anderen willen verrathen, und den wieder um ihn ... Der
Herzog sagt es ihr:
„Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,