II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 239

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14. Der schleier der Beatrige
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Menechsuchung Ir
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richt betrifft, so treffen wir eine Reihe grund= werden dürfe.
Um die Zahl der gerichtlichen Beurteilungen beharrt.
sätzlicher und einschneidender Aenderungen. Vor
Schließlich ist auch das Begnadig
allem wird dem Richter die Möglichkeit gegeben,
von Polizeibußen zu vermindern, wird
die Vorschrift vorgeschlagen, daß im Falle, da recht zweckmäßig revidiert worden.
auf eine ihm unrichtig scheinende Anklage nicht
1 Ihre Erwartungen so täuschen! So unvermut#
höchster Instanz bestätigen. Aber weder das eine geschah
völlig neues Kleid schlüpfen! ... Aber vielle
noch das andere. Im Gegenteil. Ganz mäuschenstill
Feuilleton.
ich ihnen unrecht. Vielleicht spielt hier ein and
verhalten sie sich. Es ist, als wenn ihren geschickten
stand mit. „Der Schleier der Beatrice“ war
Fingern die Feder plötzlich entfallen wäre ... Wie
Der Schleier der Veatrice.
eine Ueberraschung, eine rechte Ueberraschun
kommt das? — fragt man sich unwillkürlich. Schnitzler
Es ist gerade ein Jahr her, da ging durch die
derartiges Stück hatte man von Schnitzler
gehört ja nicht zu jenen zahllosen Dichtern, deren
Blätter die Kunde von einem Konflikt zwischen Arthur
wartet und nun wissen die Herren nicht, was
Stimme man im Gewirr des Tages überhören kann.
Schnitzler und der Direktion des Wiener Burgtheaters.
dieser merkwürdigen Dichtung, die von den bi
Die Leute, die in litterarischen Dingen mitreden,
Der k. k. Direktor der Hofbühne, der bekanntlich
Schöpfungen Schnitzlers so seltsam absticht,
horchen auf ihn. Wie kommt es also, daß sie jetzt
seine Carriere damit begann, daß er Revolution machte,
mit welchem kritischen Maßstab sie an
seine neueste Dichtung so ganz und gar totschweigen?
um schließlich im Hafen einer allerunterthänigsten
herantreten sollen. Und da Schweigen Gold
Nun, ich will es erklären.
Reaktion einzulaufen, hatte ein neues Drama des
schweigen sie denn lieber und warten mit
Man ist heute daran gewöhnt, daß ein Dichter,
Dichters angenommen, sich sogar das Recht der Eist¬
urteilung ab, bis etwa eine günstigere Kon
der mit einem Drama durchschlägt, etwa den neuen
aufführung ausbedungen, aber nach einigen Mongten
diesem wunderlichen Wechselbalg leuchtet. Das
Stoff oder das originelle Motiv, dem er seinen Erfolg
das Stück unter nichtssagenden Vorwänden dem Ver¬
allerdings höchst lobenswert, wenn es nur nich
verdankt, fortan monopolisiert. Er läßt sein Erzeugnis
fasser wieder zurückgestellt. Eine Reihe Wiener Schrift¬
unwahrscheinlich klänge ... Man muß in¬ #
gleichsam schweigend bei der Kritik patentieren, die ihn
steller mit Ludwig Speidel und Hermann Bahr an der
die Entwicklung Schnitzlers von seinen feine
nun mit der neuen Marke in ihr Register einträgt.
Spitze erließ darauf einen geharnischten Protest, worin
echt französischer Grazie duftenden Anatol=Sce
Und nun weiß man, was man von ihm zu halten
Verwahrung eingelegt wurde gegen das ungerechte,
zu seinem grotesk=schönen, in der Art Tiecks
habe. Man braucht nur in jenes ordnungsmäßig
willkürliche, durch nichts zu entschuldigende Vorgehen
Spiel und Wirklichkeit geradezu verwirrend schn
rubricierte Register einen Einblick zu thun, — und
des Potentaten am Franzensring. Klar konnte man
„Grünen Kakadu“ genau verfolgt und die
Fabrikarbeiter,
erfährt es: A — Berlin W., I
indes aus diesen einander gegenüberstehenden Behaup¬
spezifisch romantischen Elemente, die seinen
C Litteratur=Café, Arthur Schnitzler — „süßes Mädel“.
tungen und Entgegnungen nicht werden, denn das
Stücken einen eigenartigen Reiz verleihen,
Und so oft der auf solche Weise glücklich Eingeschachtelte
eigentliche Streitobjekt, das abgelehnte Stück, war ja
haben, um seine letzte Dichtung als ein Resulte
genamit wird, erscheint er fortan immer mit einer
noch unbekannt. Nun liegt aber seit einiger Zeit „Der
Entwicklung begreifen zu können. Sonst kann
Etikette. So glaubt man sich vor jeder Ueberraschung
Schleier der Beatrice“ in Buchform*) vor — und
sich nicht erklären, wie einer, der bisher aussch
gesichert. Man setzt nämlich voraus, der erfolgreiche
seltsam! Man sollte meinen, jetzt werden die Herren
in der Sphäre modernen Lebens sich bewegte
Dichter werde doch aus seinem einmal erworbenen
draußen in den Litteraturcentren, die die Diplome der
manchmal sogar hart an die mit sozialen D#
Patent recht ausgiebigen Nutzen zu ziehen wissen und
Unsterblichkeit verteilen und über das Schicksal eines
spielenden Motive streifte, mit einem Mal eine#
der Kritik keine unangenehme Verlegenheit bereiten
Werkes das entscheidende Wort sprechen, der deutschen
schreiben konnte, die von all' dem nichts hat,
wollen. Nun hat aber Schnitzler in der letzten Zeit
Litteraturwelt ihr Urteil verkünden und entweder das
all den Verhältnissen, in deren Bann er bisher
dieses große Verbrechen doch begangen. Er wurde
Drama „retten“ oder das erste Verdammungsvotum in
himmelweit entfernt und die insbesondere von
seinen süßen Mädeln untreu. Er hat sie verlassen.
Das aber verzeihen ihm die Herren nie und nimmer, künstlerisch=sonveranen Hauch durchweht ist,
*) Bei S. Fischer, Verlag, Berlin.