II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 332

14. Der Schleier der Beatrice box 20/4
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Kayßler hatte wenig Empfindung, aber immerhin Kraft. Nur
de Sektsches Cheater.
Irene Triesch zeigte als Beatrice überaus feinen
Zum ersten Male: „Der Schleier der Beatrice.“
Takt. Alles heroische Feuer bändigte sie mehr, als in diesem Stücke
Schauspiel in fünf Akten ven Arthur Schnitzler.
nötig schien. Aber es ging von ihr sellsam berauschend wie der Duft
einer schwülen Sommernacht aus.
F. E. Schnitzlers Schauspiel hat schon eine Vergangenheit.
Es war dem Stck, wie man sich erinnert, nicht beschieden,
In kleineren Rollen fielen in der Fülle des Zettels Otto
jungfräulich von der Bühne her zu wirken. Vielmehr wurde
Sommerstorff (der letzte gute Sprecher), Oskar Sauer,
es zum Anlaß eines Streites zwischen dem Burgtheater¬
Hanns Fischer und Kurt Stieler auf; auch Louise
direktor und dem Dichter. Und dann stritten sich die anderen
Dumont hatte einige Stellen zu sprechen, in denen ihr Temperament
auflodern konnte.
Bühnen darum, wer es zuerst nicht aufführen wollte, bis das
Breslauer Lobe=Theater genügend Achtung vor Schnitzler
und vor den Aufgaben einer vorwärtsstrebenden Bühne hatte und
die Aufführung veranstaltete. Nun endlich hat sich auch Herr Brahm
ben nötigen Ruck gegeben. Er wird nun freilich schmunzeln und sagen,
daß der Erfolg des gestrigen Abends sein langes Zögern legitimiert.
Aber wie schwach, wie hart an der Grenze eines Durch¬
falls auch dieser Erfolg war, es war trotzdem die Pflicht
des Deutschen Theaters einem so reichbegabten, in seiner Schwäche
noch interessanten Manne die Tür zu öffnen. Selbst wenn man für
die Ausstattung etwas tiefer in den Beutel greifen müßte.
Arthur Schnitzler erschien vielfach. Indessen wird er selbst em¬
pfunden haben, daß nicht in dem Klatschen einiger Gruppen, nicht im
Zischen anderer, sondern in dem kühlen Schweigen der Majorität
das Urteil für ihn und das Schauspiel lag. Er hat mit diesem Stück
wiederum einen Schritt von seinem eigensten Ackerland auf ein für
ihn unfruchtbares Gebiet getan. Nicht ohne liebenswürdigen Cynismus
ist er ein Mann der weichen, aber nicht der großen Gefühle. Hier jedoch
möchte er es sein, wenn er auf dem blutig=roten Hintergrunde einer
dem Untergang geweihten italienischen Stadt aus der Renaissance¬
zeit großzügige Menschen zeigen will, einen Fürsten, einen Dichter, i
und zwischen ihnen ein Weib, alle phantastisch beleuchtet von der
Brandfackel des nahen Todes. Aber gerade diese Stimmung der zwölften
Stunde gibt er uns nicht. Was er uns gibt, ist etwas Polterdrama,
etwas Reflexionsdrama und dazwischen ein Märchenweben, dem
leider nur die Naivetät des Märchens fehlt.
Vom Stück soll noch gesprochen werden. Die Ausstattung war
für die Gewohnheiten des jetzigen Deutschen Theaters einige¬
maßen reichlich. An Einzelheiten merkte man freilich die Unlust,
mehr als das unerläßlich Notwendige zu tun. Die Darstellung war
schwach. Wer immer und immer sagte, daß Stilgefühl und
Sprechkunst den Schauspielern der neueren Schule abhanden ge¬
kommen seien, hat immer und immer wieder die Wahrheit
gesagt. Rudolf Rittner (er gab den Dichter) versagte
fast ganz, Albert Bassermann, der einen treuherzigen
Jüngling zu spielen hatte, nicht minder. Der Fürst des Herrn