II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 471

14: Der Schleier der Beatrice box 20/4
so furchtbar einsam fühlt? Sie bleibt: -Kannst du davon mich
jagen?e Gib Acht, wie raschle, entgegnet Filippo, das Gift
trinkend und ihr, die zagend das Glas an die Lippen führt, es
verächtlich aus den Händen schlagend. Und von dem Todten
eilt sie in besinnungsloser Angst fort: „Leben!e
Sie kommt zurück in das Schloss, in dem die ungeheuere
Todesahnung Aller sich in wilder Lust austobt, als wollten sie
das ganze Leben in einige karge Stunden pressen. Tolle trunkene
und noch immer dürstende Begierden sind aufgeloht. Eben hat
der Herzog Beatricens Abwesenheit bemerkt. Noch glaubt sie
sich durch eine sgute Lüges, die ihr Filippo höhnend vor¬
gesagt hatte, zu retten; da verräth sie ein Zufall. Wo ist ihr
Schleier? Sie soll ihn holen. Aber das Grausen der Erinnerung
hat sie gepackt. Wieder zu dem Todten gehen? Niel.. Doch
da ihr selbst der Tod droht, wird die wahnsinnige Furcht so
stark in ihr, dass sie sich bezwingt und mit dem Herzog in
das Haus des todten Dichters geht, den Schleier zu holen.
Und hier will der Herzog die Brautnacht halten. Noch
weiss er nicht, wo er weilt, Aber mit bitterem Hohne empfindet
er, dass er für die Hochzeit keinen besseren Ort finden kann
als diesen, wo Beatrice den Schleier liess.. Da sieht er die
Leiche und begreift die Wahrheit.
Der starb um dich? Und den verriethest du?
Und mich um ihn? Und wied’rum ihn um mich?
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?
Was ist mir alles dies? Nur eins bewegt mich?
Dass dieser einsam starb und jene floh
Zurück ins Leben, fort von dem Geliebten,
Indess er dalag wie ein todter Hund!
Warst du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, —
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Räthsel,
Mit eines Jünglings Herzen, weil’s dir just
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
Und leiden’s nicht, und jeder von uns wollte
Nicht nur das einz’ge Spielzeug sein — nein, mehr!
Die ganze Welt. So nannten wir dein Thun
Betrug und Frevel — und du warst ein Kind!
Und Beatrice, die Schuldig-Unschuldige, klagt:
Warum gerade mir dies alles, sagt?
Und warum ward ich ausersehn vor allen,
So vielen Leid zu bringen, und weiss doch:
Ich wollte Keinem Böses! Staun' ich nun,
Dass ich es bin, der alles dies geschah,
Und macht mich dieses ungewohnte Staunen
So müd’, dass nichts mehr in mir ist als Sehnsucht,
Daliegen, so wie du, und fertig sein!
Ich bitt’ euch, thut’s! Ein Stich, und allen ward
Nach Willen
Aber des Herzogs Dolch strägt kein Verlangene nach ihr.
Wohl aber jener ihres ehrbar-strengen Bruders Francesco.