II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 477

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14. Der Schleier der Beatrice
nArtitel Welches immer die Art der Lösung sei, soviel obfektiv ausdruckte, nicht widerlegt werden, fünf Madaten befürworteruns
] Liebhaber gezeigt; auch das geht uns, gelinde gesprochen,
ihrer Hand, wäre auch dazu bereit, wenn nicht Sokrates ! zu haben, dem Asklepios einen Hahn zu schlachten.
gegen den Strich, weil wir uns gewöhnt haben, eine
Statt dessen hört er die reumütige Beichte der zer¬
hereinträte und seine warnende Stimme erhöbe.
andere Art Liebe mit seinem Namen zu verbinden. Es
knirschten Timandra an: da der Kerkermeister dem
Ordentlich setzt er dem pflichtvergessenen Schüler den
wäre nicht minder lächerlich, wenn es irgend wem
Todeskandidaten aus Barmherzigkeit gleich eine ganze
Kopf zurecht. Prophetisch wie Wildenbruchsche oder
heisiele, einen reichen Diogenes oder einen Moses
Kanne Schierling hingestellt hat, setzt Timandra den
Lauissche Helden, wenn sie die Größe des Vaterlandes
Mendelssohn als Adonis zu schildern. Auch der
Krug an die Lippen und stirbt zugleich mit ihrem
in begeisterten Worten voraussagen, schildert Sokrates
poetischen Lizenz, die Shakespeare und Schiller gewiß
hehren Opfer. Platon aber versichert uns noch, wenn er
seinem künftigen Biographen die glänzende Zukunft,
überaus
in reichstem Maße ausgenutzt haben, sind gewisse
diesen leidvollen Tag überlebe, dann könne ihn kein
die seiner harrt. Entbehren sollst du, sollit entbehren,
Artwürdiger
faktische Grenzen gesteckt. Der Dramatiker verfällt
Sturm mehr knicken, sodaß wir doch wenigstens über
1 klingt es in seiner Moralpredigt, damit du der Nach¬
biblischem
geradezu in unlauteren Wettbewerb, der seine Figuren
seine Zukunft einigermaßen beruhigt sind.
welt deine wundervollen Werke schenken kannst. Und
es Trauer¬
mit geschichtlichem Etikett herumlaufen läßt und uns
Nur in solchem überlegenen Ton kann man von
Platon, eben noch ganz Leidenschaft, ganz im Bann
et meines
dann die versprochene Marke nicht serviert. Ein Sokrates,
diesem ärgerlich flachen Machwerk berichten. Man tut
der geliebten Frau, folgt der höheren Einsicht seines
ist auf den
der an einer Timandra verblutet, würde jeden andern
es ungern, denn Adolf Wilbrandt ist kein dichtender
verehrten Lehrers und stürzt davon. Herein aber stürzt
Timandra“
Namen mit höherer Berechtigung führen. Auch sonst
Schulmeister, aber ein Parkett von Primanern würde
Timandra, racheschnaubend, wutentbrannt. Du hast
ch an Wil¬
ist Wilbrandts Trauerspiel leiver ein recht trauriges
kaum eine Gestalt von so erschütternder geistiger
mir meinen Platon geraubt, du alter Schulfuchser,
verkapptes
Spiel.
Impotenz für einen Sokrates hinnehmen. Mißbrauch
warte, ich will dir zeigen, was ein gekränktes Weib
Unterrocks¬
Da ist es Arthur Schnitzler weit besser ge¬
der poetischen Lizenz ist es, irgend eine Bühnennull
vermag. Den Kopf wird dich das kosten. Weidlich
en der Tat
lungen, das was er in seinem Renaissance=Schauspiel
mit einem hochiönenden Namen auszustatten. Wer
unbeliebt bist du bei den Athenern ohnehin, da brauch
verknüpft.
„Der Schleier der Beatrice“ ankündigte,
einen Sokrates a die Beine stellen will, muß ihm
ich die Flamme nicht viel zu schüren. Wie ein echter
le, die der
wirklich einzulösen. Er hat wenigstens Renaissanee¬
vor allem einen Kopf mitgeben. Mißbrauch der poe¬
Weltweiser, erhobenen Hauptes und ohne mit der
An dem
Stimmung zu erzeugen gewußt. Insofern setzt dieses
tischen Lizenz scheint mir hier aber auch an dem Stoff¬
Wimper zu zucken hört Sokrates die Schmäbungen
denen die
Werk die Linie der früheren fort. Es gibt von dem¬
lichen in zwiefacher Weise getrieben zu sein. Der
des rasenden Weibes an. Im nächsten Akt sitzt er
Buldenkonto
selben Schnitzler eine einaktige Groteske „Der grüne
Prozeß des Sokrates, eines antiken Volksseinds, mutet
aber bereits auf der Anklagebank; und zwar nicht, weil
urecht übei
Kakadu“, die mit ein paar meisterhaften Strichen ein
an wie ein Vorspiel zur Christus=Tragödie. Der
er die Jugend verführt und die schlechtere Sache zur
ein neuerer
Bild der französischen Revolution erstehen läßt. Hier
athenische Straßenphilosoph erliegt dem Unverstand der
besseren gemacht, sondern weil Timandra einem abge¬
aß er eine
ist die Skizze bedeutungsvoll erweitert. Renaissance ist
Menge und eröffnet eine glorreiche Reihe von Märtyrern.
wiesenen Liebhaber ihre Gunst versprochen, wenn er
ra vorge¬
nicht ein bloßes Schlagwort, das dem Zuschauer den
Es heißt, ihm seinen Nimbus rauben, seine kultur¬
den leidigen Sittenprediger aus der Welt schaffe.
Mann und
Rest der Gedankenarbeit aufbürdet, nicht ein abge¬
geschichtliche Bedeutung und zugleich seine menschliche
Natürlich verurteilen die wankelmütigen Athener den
wärmt und
griffener Akkord, sondern alle Lebenskräfte sind unter
Größe herabsetzen, indem man ihn über ein launisches
unbequemen Spötter, der ihnen längst ein Dorn im
Nun erst
dem Drucke schwerer Gefahr aufs äußerste gespannt.
Weibchen stolpern läßt. Wer uns eiwa Napoleons
Auge war, mit Stimmenmehrheit. Im letzten Akt
Aufgebot
Der Borgia vor den Toren! der Ruf treibt ganz
Sturz als eine Folge seiner Trennung von Josephine
finden wir ihn, von seinen Freunden umringt, im Ge¬
ein wenig
Bologna auf die Beine, im Anblick des Todes erwacht
Beauharnais darstellen wollte, würde alle Kritik ent¬
fängnis, wo er im Jahre 399 v. Chr. G. den Gift¬
eliebten zur
Seladon in i becher leert, ohne seine Getreuen vorher aufgefordertI waffnen. Zum zweiten wird Platon als schmachtender eine trunkene Lebensfreude, „carpe diem“ wird für Hoch