II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 524

14: Der Schleier der Beatrice
Ausschnitt aus;
„Mäli Wieger Mittags-Zeitung
van
(Schnitzler#eiet des akademischen
Verba##s.) Der Entschluf, den „Schleier der Beatrice“
zu festlichem Anlaß durch einen Rezitator präsentieren zu lassen,
zeugte wohl die leise Nebenabsicht eines stummen, aber
wirkungsvollen Protestes gegen das, was unsere Direktoren, die
um jeden neuen Fulda und Sudermann Schlachten aufführen,
versäumt haben. Ueberwältigend zog dies tragische Spiel
trunkener, todesreiser Leidenschaften vorbei, leuchtend in seinem
stillen und satten Glanz, in seiner farbigen Fülle, seiner wilden
die Stunden
Intensität eines Lebensgefühles, das
zählt, in denen es sich noch berauschen darf, im
Klang seiner Verse, die wie verschleiert hinfließen, wie
auf einen transparenten Hintergrund gemalte Gewede schimmern.
Hert Onno vom Deutschen Volkstheater, einer unserer besten,
ein viel zu wenig geschätzter Schauspieler, in dem der göttliche
Funke ekstatischen Hingegebenseins an eine künstlerische Vision
lebt, hat das Drama mit energischen, aber klugen Strichen
hinreißend gelesen. In dampfender Glut, jede Nuance leiden¬
schaftlich ausschöpfend, vom Werk bezwungen und die Hörer
bezwingend, in seiner nervösen, fiebernden Sensibilität wesens¬
voll dem zarten, impressiblen, feinen seelischen Timbre dieser
Dichtung verwandt. Er hat dabei, was im Vortragssaal selten
ist, das Markante einzelner Situationen in Steigerung und
Plastik der Szene so festhalten können, daß die Wirkung
S
seiner Deklamation an Einheitlichkeit und Präzision die
fiktive Theaterwirkung der Szene überholte. Man hört, daß
Herr Onno von Wien scheiden soll Man hat gestern neuer¬
dings gesehen, wie sehr dies zu bedauern wäre. Und vielleicht
findet der Applaussturm, der in der Eschenbachgasse tobte, auch
in den Direktionskanzleien ein taugliches Gehör.
120
5 Beh, Wien
Ausschnitt aus:

15 MAI 1912
PG:
& Schnitzler=Vorlesung. Im akademischen Ver¬
band für Oileratür und Musik las der Schau¬
spieler Ferdinand Onno aus „Der Schleier
der Beatrice". Man denkt bei dem Namen Arthur
Schnitzler kaum an dieses Werk, und doch fand
es später seine Fortsetzung und Vollendung im
„Grünen Kakadu“, darinnen die flatterhafte
Rokokogeliebte des Komödianten von einem zum
andern gaukelt und dennoch immer zu ihm
wiederfindet; darinnen er die bittersüße Weis¬
heit spricht, ob diese ewige Wiederkehr nicht doch
die Liebe sei; wer weiß? Hier aber, angesichtsl
der entgötterten Liebe, tötet sich einer. Warum?
Der Gaukler fällt uns ein. Doch da ist eine
Beatrice, ein Stück Weibnatur, ein Stück Ur¬
trieb. Sie schwebt vom Dichter Filippo Loschi
zum Herzog von Bologna und wiederum zu dem
zurück, sie geht vom Armseligen zum Strahlen¬
den, vom Schwächeren zum Starken, dann aber
doch vom Toten zum Lebendigen. Wie die Ge¬
liebte in der schwindsüchtigen Novelle vom
„Sterben“, wie Leutnant Gustl und das Vor¬
märzmädel in dem Drama vom todgeweihten
Regiment folgt sie dem Ruf des Lebens, will,
was wir alle wollen, lieben und leben. Blut von
unserem Blute... Dramen zu lesen, ist stets
eine mißliche Sache: kann man aus einem!
Munde den Stolzen und den Demutsvollen, den
Zornigen und Bittenden gleichzeitig untereinan¬
der, gegeneinander, durcheinander sprechen?
Herr Onno fand sich mit technischem Geschick in
seine Aufgabe. Das Publikum dankte ihm dafür
durch vielen Beifall.
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1bMicre
Datum:
Schnitzler=Vorlesung. Im akademischen Ver¬
bänd für Literan und Musik las der Schau¬
spieler Ferdinand Onno aus „Der Schleier
der Beatrice“. Man denkt bei dem Namen Arthur
Schnitzker kaum an dieses Werk, und doch fand
es später seine Fortsetzung und Vollendung im
„Grünen Kakadu“, darinnen die flatterhafte
Rokokogeliebte des Komödianten von einem zum
andern gankelt und dennoch immer zu ihm
wiederfindet; darinnen er die bittersüße Weis¬
heit spricht, ob diese ewige Wiederkehr nicht doch
die Liebe sei; wer weiß? Hier aber, angesichts
der entgötterten Liebe, tötet sich einer. Warum?
Der Gankler fällt uns ein. Doch da ist eine
Beatrice, ein Stück Weibnatur, ein Stück Ur¬
trieb. Sie schwebt vom Dichter Filippo Loschi
zum Herzog von Bologna und wiederum zu dem
zurück, sie geht vom Armseligen zum Strahlen¬
den, vom Schwächeren zum Starken, dann aber
doch vom Toten zum Lebendigen. Wie die Ge¬
liebte in der schwindsüchtigen Novelle vom
„Sterben“, wie Leutnant Gustl und das Vor¬
märzmädel in dem Drama vom todgeweihten
Regiment folgt sie dem Ruf des Lebens, will,
swas wir alle wollen, lieben und leben. Blut von
unserem Blute... Dramen zu lesen, ist stets
eine mißliche Sache: kann man aus einem
Munde den Stolzen und den Demutsvollen, den
Zornigen und Bittenden gleichzeitig untereinan¬
der, gegeneinander, durcheinander sprechen?
Herr Onno fand sich mit technischem Geschick in
seine Aufgabe. Das Publikum dankte ihm dafür
#rch violdn Roifall