II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 545

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14. Der1er der atrice

25. Mai 1925
Seite 5
Burgtheater.
Versagen ohne Ende.
Zu der Erstaufführung von Schnitzlers „Der Schleier
der Beatrice“ ist statt jeder besonderen Kritik folgendes
nüchtern festzustellen:
1. Es ist richtig, daß das Burgtheater die Pflicht —
hätte, diese reizvolle Dichtung, die man trotz manchen Schwä¬
chen den guten Schnitzlers zuzählen darf, endlich einmal auf¬
zuführen. Die Seelendämmerung, in die dieses Renaissance¬
Schauspiel getaucht ist, widerstreitet nur scheinbar dem
Theater, das auf dunkle Lebensrätsel, auf geheimnisvolle
Stimmen des Blutes, auf Irrlichter des Lebens und Ster¬
bens, wie sie gerade Schnitzler in allen erdenklichen Wand¬
lungen aufglühen und aufglimmen läßt, sich einzustellen
längst gelernt hat.
2. Es ist tief bedauerlich, daß das Burgtheater, das
in erster Linie berufen sein sollte, dem Wiener Dichter ge¬
recht zu werden (weil sein Bologna letzten Endes ebenso an
der Donau liegt wie sein Spaa), wohl Versäumtes nachzuholen
bereit, aber gutzumachen nicht mehr fähig ist. Ihm fehlen
so ziemlich alle Kräfte, die diesem Werke Leben geben könnten;
auf dem Wege vom Buch zur Bühne mißlingt ihm jegliches
Streben, die Funken zum Feuer anzufachen; kalt steht es
auf den Brettern, fremd und fern uns gegenüber.
3. Im entscheidenden Aufzug, da in Bolognas letzter
Nacht das Leben zu letzten Flammen auflodert und orgiasti¬
scher Taumel Weiblein wie Männlein ergreift, läßt nicht
nur die Spielleitung, sondern auch das stimmungslose und
zweckwidrige Bühnenbild selbst völlig im Stich.
4. Der Dichter ist entschieden gegen den falschen Ein¬
druck in Schutz zu nehmen, den im Burgtheater alle empfan¬
gen mußten, die den „Schleier der Beatrice“ zuvor nicht
kannten, Sein Heil liegt bei jenen, die sich vom Hören
ins Lesen flüchten.
5. Die Aufgabe, das Schauspiel dem Theater (mit nicht
zu bezweifelndem Erfolg) zu geben, harrt weiter der Lösung.
M. M.
„Soll man es sagen?“
Im Alademietheater hat uns das Burgtheater
tags darauf einen sehr heiteren Abend beschert. A Latzko
hat den famosen Einfall gehabt, einen alten Schwank von
Labiche „Soll man es sagen?“ frei zu bearbeiten,
eine jener französischen Wer=für=wen=Komödien, in denen es
toll drunter und drüber geht. Der Zuhörer, plötzlich zum
Gehirnakrobaten verurteilt, kommt nicht zur Besinnung. Dazu.
hatte die Spielleitung Hans Brahms Bühnenbilder und
Darstellung sehr geschickt ironisiert; die Kulissen, auf denen
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