II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 547

siusgasse 8-
dem Schaffen des Wiener Dichters und dem
I., Wippling
seiner literarischen Nachfahren aus Prag und
laden der „S
dem Reich unwahrscheinlich. Von den Jungen,
züglich abe
die sich Befruchtung ihrer Phantasie bei der
einzusenden.
psychologischen Theorie holten und auf kaltem
Die Nane
Wege in dramatische Kunst zu verwandeln
sungen von
suchten, was ihnen die Psychoanalyse an Pro¬
zur Verlosur
blematik fertig ins Haus lieferte, trennt
Schnitzler somit außer der Ursprünglichkeit
der künstlerischen wohl auch die der stoff¬
Siu
lichen Inspiration. Wunderbar genug, diese
Frühzeitigkeit des Wissens um ein später von
Dichtung und Wissenschaft gleich heiß um¬
worbenes Mysterium, noch wunderbarer die
Der Betri
hellseherische Erkenntnis der Zugehörigkeit
von allerlei Unscheinbarem zu dessen Kern¬
nationale.
komplex, am wunderbarsten die Kunst, womit
gerade dieses Unscheinbare zu den bewegenden
In der Nai
Kräften damatischen Gescehens gemacht
ercigneten si
wurde.
spital, wo je
Schnitzlers Beatrice ist das später so
rates Dr. M:
berühmt gewordene „Kindweib“ dessen
ist, häßliche
spielerischer Unersättlichkeit alles zum Opfer
Mitternacht #
fallen muß, was sich ihm mit dem Anspruch
die im Par
auf Alleingeltung naht. Es kann nur, allen
venkranken
gehören, nicht einem; da es seine Liebes¬
Geschrei, d.
fähigkeit auf alle verteilt, bleibt für den ein¬
und Getra
und endet
zelnen zu wenig. An dieser Unfähigkeit,
Mitternacht
Liebesglück zu spenden, geht das Kindweib
Liedes „L
selbst, gehen die Männer, die es lieben, zu¬
grunde. Beatrice träumt, den einen liebend,
Die Patienten
vom andern; in ahnungsloser Einfalt erzählt
kranke, geri
sie ihren Traum dem Geliebten. Dieser, ein
kamen Tobsu
Dichter und somit Psychoanalytiker von
Gebrüll von
Beruf, stößt sie mit den Worten: „Träume
irritierten Kra
sind Begierden ohne Mut, sind freche
Das Personal
Wünsche, die das Licht des Tages scheuen“
Angstvorstellu
von sich. Beatrice flüchtet zu einem zweiten,
kranken zu 1
der Lärm gus
von diesem zu einem dritten, der zufällig
auf. Intervent.
Herzog von Bologna und als Feind Cesare
ersten Stock
Borgias ohnehin dem sicheren Untergang
geweiht ist. Der Herzog erhebt Beatrice am
Der ern
Vorabend der todbringenden Entscheidungs¬
schlacht zu seiner Gemahlin, sie aber, obwohl am
Ziel ihrer Träume, läuft im Brautschleier zu dem
Dichter zurück. In der richtigen Erkenntais,
daß er Beatrice nie ganz besitzen wird, tôtet
sich der Dichter; Beatrice flüchtet ins Leben
und zum Herzog zurück. Den Brautschleier
aber — o verräterische Symptomhandlung! —
läßt sie im Gemach des toten Geliebten zu¬
rück. (Siehe Freud: „Psychopathologie des All¬
tagslebens“, Kapitel: Vom Vergessen und
Verlegen.) Der Herzog, den Verlust des
Schleiers entdeckend und den richtigen Zu¬
sammenhang ahnend, befiehlt seiner Gattin,
ihn dorthin zu führen, wo der Schleier ge¬
blieben ist: dort, fühlt er, wird er auch den
Schlüssel zu Beatricens Wesen finden. Er
findet beides, erkennt an der Leiche des toten
Freundes die Hoffnungslosigkeit seines Wer¬
bens um die Seele des Kindweibes Beatrice.
Ihr aber, die schaudernd ihrer Verderblichkeit
inne wird und um Tod fieht, gewährt
der eigene Bruder den erlösenden Dolchstich.
Solche Modernität des dramatischen Vor¬
wurfs vermag natürlich weder der archaisie¬
rende Rhytmus der prachtvollen Jamben,
noch die Verlegung des Geschehens in die

Renaissance zu verdecken:: begreiflich, daß
sich das alte Burgtheater von dem „Schleier
N
der Beatrice“ befremdet abwandte, weniger
Led
begreiflich, daß das neue so lange zögerte und
dem repräsentativen Werk Schnitzlers eine
so schwache Aufführung bereitete. Das hie¬
für erforderliche Maß in Haltung und Sprache
hatte allein Herr Aslan, dem für seine Auf¬
der bekannten Ma
gabe, als Herzog die anderen zu überragen,
mehrere Haupteslängen zur Verfügung
standen. Fräulein Hilde Wagener, lieb- Wien, L. Schauff