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14. Der Schleier der Bestrice
Kunst wird geschenkt, nicht verkauft. Der Irrthum konnte auch
in den Künstlern entstehen, weil sich für die Erzeugnisse der
Kunstimitation ein Markt gebildet hat; mit Recht, denn Ware
muss Käufer finden. Aber Kunst ist keine Ware, und es ist besser,
einige Genies verhungern, die übrigens auch bisher von ihrem
Genius nicht leben konnten, als dass das ganze deutsche Volk
geistig verhungert und unfähig wird, jemals Genies hervorzu¬
bringen.
Wir haben den Pressemarkt, die Theaterbörse, den Literatur¬
handel betrachtet. Es wäre leicht, das Vordrängen des Materia¬
lismus auch auf den anderen Gebieten zu verfolgen. Man könnte
darlegen, wie in der Medicin aus finanziellen mehr wie aus
wissenschaftlichen Gründen das Specialistenthum vordringt, die
Chemie zur industriellen Fachwissenschaft wird und im Worte
Brotstudium der Ton immer mehr auf die erste Silbe fällt. Es
liesse sich die Jagd der Anwälte nach fetten Processen schildern,
bei der sich die wenigsten nach dem Rechte ihres Clienten
fragen und erwähnen, wie dieser Stand immer mehr mit — oft
recht unreinlichen — Nebengeschäften, wie Hypothekaranlagen,
Capitalsverbindungen, Güterverkäufen, Concursmasseverwaltungen,
verbunden wird und der schöne Grundgedanke dieses edelsten
Berufes — einer mit maschineller Geistlosigkeit arbeitenden Justiz
die Eigenheit des Einzelnen, auf den ein Gesetz, mit Strenge
geübt, nie passt, entgegenzustellen — in Gefahr ist, völlig ver¬
loren zu gehen. Aber über diese Entwicklungen hinweg müssen
wir auf den Gipfel der socialen Pyramide steigen und die völlige
Veränderung zeigen, die der Amerikanismus in der Monarchen¬
stellung bewirkt hat. Das Wort -Deutscher Kaisere ist geblieben,
aber der Begriff hat eine gewaltige Umwälzung erfahren. Die
Betrachtung der Krone muss auch die Krone unserer Be¬
trachtungen sein.
—
*
Dem Thronfolger!*)
Kaiserliche Hoheit,
es ist mir bewusst, dass diese Anrede nicht Ihren vollen Titel
wiedergibt, aber ich glaube aus Ihrer Auswahl der Ehrencavaliere
*) Es wurde dafür Sorge getragen, dass der Brief in die Tländ¬
Adressaten gelang..
354 —
14. Der Schleier der Bestrice
Kunst wird geschenkt, nicht verkauft. Der Irrthum konnte auch
in den Künstlern entstehen, weil sich für die Erzeugnisse der
Kunstimitation ein Markt gebildet hat; mit Recht, denn Ware
muss Käufer finden. Aber Kunst ist keine Ware, und es ist besser,
einige Genies verhungern, die übrigens auch bisher von ihrem
Genius nicht leben konnten, als dass das ganze deutsche Volk
geistig verhungert und unfähig wird, jemals Genies hervorzu¬
bringen.
Wir haben den Pressemarkt, die Theaterbörse, den Literatur¬
handel betrachtet. Es wäre leicht, das Vordrängen des Materia¬
lismus auch auf den anderen Gebieten zu verfolgen. Man könnte
darlegen, wie in der Medicin aus finanziellen mehr wie aus
wissenschaftlichen Gründen das Specialistenthum vordringt, die
Chemie zur industriellen Fachwissenschaft wird und im Worte
Brotstudium der Ton immer mehr auf die erste Silbe fällt. Es
liesse sich die Jagd der Anwälte nach fetten Processen schildern,
bei der sich die wenigsten nach dem Rechte ihres Clienten
fragen und erwähnen, wie dieser Stand immer mehr mit — oft
recht unreinlichen — Nebengeschäften, wie Hypothekaranlagen,
Capitalsverbindungen, Güterverkäufen, Concursmasseverwaltungen,
verbunden wird und der schöne Grundgedanke dieses edelsten
Berufes — einer mit maschineller Geistlosigkeit arbeitenden Justiz
die Eigenheit des Einzelnen, auf den ein Gesetz, mit Strenge
geübt, nie passt, entgegenzustellen — in Gefahr ist, völlig ver¬
loren zu gehen. Aber über diese Entwicklungen hinweg müssen
wir auf den Gipfel der socialen Pyramide steigen und die völlige
Veränderung zeigen, die der Amerikanismus in der Monarchen¬
stellung bewirkt hat. Das Wort -Deutscher Kaisere ist geblieben,
aber der Begriff hat eine gewaltige Umwälzung erfahren. Die
Betrachtung der Krone muss auch die Krone unserer Be¬
trachtungen sein.
—
*
Dem Thronfolger!*)
Kaiserliche Hoheit,
es ist mir bewusst, dass diese Anrede nicht Ihren vollen Titel
wiedergibt, aber ich glaube aus Ihrer Auswahl der Ehrencavaliere
*) Es wurde dafür Sorge getragen, dass der Brief in die Tländ¬
Adressaten gelang..
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