II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 605

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14. Der Schleiereatrice
Burgtheater=Première.
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sein Fach ist Romanistik, und er soll jetzt
schon so schrecklich gelehrt sein und alle

Bücher gelesen haben, die es überhaupt gibt.
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Mein Vetter Franz meinte, er wäre eine
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Art dichtender Mezzofanti aller lebenden
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und toten Zungen, und man könne sich alle
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übrigen Dichter ersparen, weil man ihn als
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die Essenz aus allen, die je etwas Großes
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oder Schönes geschaffen haben, betrachten

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dürfe. Extrait de mille fleurs, meinte Franz
und lächelte ironisch, ich aber wurde böse
und sagte: ich lasse mir meinen Hofmanns¬
thal nicht vermießen und ich wäre überzeugt,
daß eines schönen Tages doch noch ein¬
mal etwas noch nicht Dagewesenes“ aus
ihm herauskomme. Nicht fern von den
beiden saß Peter Altenberg in einem
unmöglichen Anzug. Er trug ein weiches,
farbiges Touxistenhemd und gelbe Leder¬
gamaschen und benahm sich sehr aufgeregt.
Alle Leute in seiner Umgebung wurden auf
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ihn aufmerksam und bezeigten ihm ihre
Bucheinband des Werkes „Der Thor und der
Gereizheit. Aber das schien seinen Ab¬
Tod“ von H. von Hofmannsthal, Verlag von
Schuster & Loeffler in Berlin.
sichten zu entsprechen. Er soll nun ein¬
mal so sein, der Peter Altenberg. Vetter
Beatrice anbelangt, so kann er's ruhig ab= Franz erzählte mir, er sitze jeden Abend
im Löwenbräu, unweit des Burgtheaters,
warten, die Zeit für dieses Werk wird schon
mit einem kleinen Kreis von ehrlichen
kommen. Merk Dir das Datum dieser meiner
Prophezeiung. Weißt Du übrigens, daß er
einen Band Dialoge geschrieben hat, der
„Reigen“ betitelt ist und nur für persön¬
liche Freunde des Dichters gedruckt wurde?
Franz hat das Buch natürlich auch, aber



er will es mir erst leihen, wenn ich
verheiratet bin. Hältst Du das für einen
genügenden Grund, mich kopfüber in eine
Ehe zu stürzen? Bitte um postwendende
Antwort. Bräutigam brauchst Du nicht mit¬
zusenden, den suche ich mir schon selber aus.
Neben Schnitzler saß natürlich gleich
Hugo von Hofmannsthal. Er sieht noch
immer schrecklich jung und zappelig aus und
kann nicht einen Augenblick ruhig sein. Denk
Dir, er ist verheiratet mit einer hübschen,
kleinen Person, die sehr frische, rote Wangen
hat, gesund und vergnügt aussieht. Er wohnt
am' Land, wie sie hier sagen, in der Nähe
von Wien, weil seine Frau so viele Tanten
hat, die gar nichts zu thun haben und des¬
halb fortwährend Besuche machen wollen;
Peter Altenberg.
da kann er nicht weit genug wohnen, um
(Aufnahme von J. Löwy=Wien.)
die Leute abzuschrecken und am Dichten nicht
fortwährend behindert zu werden. Er ist
übrigens Privatdocent an der Universität, (C.
C .•