II, Theaterstücke 13, Das Haus Delorme. Eine Familienszene, Seite 4

13. Haus Delorne
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ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN O. 27, BLUMEN-STRASSE 80-81.
— zeinn: Die Zeit
25
S
dühente: Wien S. N0v 1004
Datum:
Tochter: „Ich habe nur Hunger auf Franz.“
Theater und Kunst.
Einzelne Szenen schildern die Verderbtheit dieser
Künstlerfamilie in krassen Farben, wobei der
Schnitzlers „Haus Delorme“ verboten.
Mutter eine besonders unehrenhafte Rolle zuge¬
teilt ist.
22: Berlin, 22. November. (Priv.=Tel.)
Artur Schnitzlers neues Sittenstück
Die Stellungnahme der Schauspieler gegen
„Haus Delorme“, dessen Aufführung heute
die Schnitzlersche Novität ist um so bemerkens¬
am hiesigen Kleinen Theater stattfinden
werter, als sie vom rein schauspielerischen Stand¬
sollte, ist von der Berliner Zensur verboten
punkt aus eine Reihe dankbarer Rollen enthält.
worden. Man bringt dieses Verbot mit der ab¬
Es steht nicht in Frage, daß auch dieses neue,
von Schnitzler vor Jahresfrist vollendete Werk
lehnenden und selbst feindseligen Haltung der
Darsteller gegen die ihnen übertragenen Rollen
literarisch durchaus ernst zu nehmen ist. Aber
in Verbindung. Zwar dementiert die Direktion
auch ohne die Qualitäten des Sittenbildes in
Betracht zu ziehen, ist die feindselige Haltung
ausdrücklich die Behauptung, daß die mitwirken¬
den Künstler sich mit Streikgedanken getragen
der Schauspieler scharf zu verurteilen, da sic
lediglich einen neuen und wenig erfreulichen
hätten, und versichert, die Aufführung sei nur
Beitrag zu der beinahe schon sprichwörtlichen
deshalb unterblieben, weil die Zensur ihre Ge¬
nehmigung versagt habe. Indessen ist es Tat¬
Empfindlichkeit und Eitelkeit des Schauspieler¬
sache, daß sich schon seit der ersten Leseprobe standes liefert. Die Kritik durch die künstlerische
bei der Regie und den Darstellern eine Miß= Darstellung müssen sich alle Stände und Berufe
stimmung gegen das Stück geltend machte, die
ohne Unterschied gefallen lassen, und man weiß,
schließlich in eine offene Stellungnahme gegen
daß dabei die Journalisten ebensowenig geschont
das Stück überging. Es widerstrebte den Dar¬
vorden sind wie der Offizier, der Lehrer oder
stellern, ihren eigenen Stand durch eine Wieder¬
Geistliche. Schnitzler selbst hat in der „Litera¬
gabe des Stückes zu „verunglimpfen“. „Haus
tur“ die beißendste Satire auf die Dichter ge¬
Delorme“ ist nämlich ein Schauspielerstück. Die
schrieben — und sicherlich haben die Poeten dabei
vier auftretenden Personen, die mit ziemlicher
richts anderes empfunden als das Vergnügen
an der gelungenen Satire. Um so mehr hätten
Demtlichkeit dem Wiener Milien entnommen sein
in diesem Falle die Schauspieler ihrerseits die
sollen, sind die Mutter Delorme, ihre Tochter,
die Operettensängerin ist, ihr Sohn und das
innere Freiheit und den überlegenen Humor!
Dienstmädchen. Die Tochter ist in interessanten
finden sollen, die Schnitztersche Satire auf gewisse!
Imständen durch ihren Geliebten Franz, das
anstößige Elemente ihres Berufes der öffentlichen
instmädchen ebenfalls durch den Sohn des
Kritik auszuliefern. Statt dessen geschah, was
Ises. Das hindert den Jüngling jedoch nicht,
sich seinerzeit schon in Wien gelegentlich der Erst¬
mit einem reichen Mädchen, Fräulein Pollack,
aufführung von Hermann Bahrs „Star“ an¬
deutete.
verloben. Fräulein Pollack erscheint eines
ends im Hause Delorme, und nach einer
Der Autor des von Zeusur und Darstellung
lden Liebesszene erklärt sie ihrem Verlobten,
gemeinsam verfemten Stückes, Artur Schnitzler,
ß ihr Vater falliert habe. Der Jüngling
war zur Premiere nach Berlin gefahren, von wo
et am Donnerstag zurückkehren wird.
timmt die Nachricht scheinbar mit Entrüstung
auf und will nunmehr die Tochter eines solchen
saters nicht mehr heiraten. In einer anderen
Ueber die Premiere der beiden anderen Ein¬
Szene erscheint der Geliebte der Tochter und zieht
akter Schnitzlers telegraphiert uns unser h=Kor¬
ich mit ihr zurück. Auf die Frage der Mutter, ob
respondent: Der „Grüne Kakadu“ hatte einen
ie nicht erst weisen wollten, antwortet die sehr großen Erfolg, Vorher wurde im Puppen¬
spielcharakter die Burleske „Der tapfere
Kassian“ gespielt, doch versagte die Wirkung.