II, Theaterstücke 13, Das Haus Delorme. Eine Familienszene, Seite 7

13. Haus Delorne
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: VATERLAND, WIEN
2 11. 1
vom:
B
— [Ein verbotenes Theaterstück.] In
Berklu„ist ein Theaterstück verboten worden, welches den
Wiener jüdischen Schriftsteller Arthur Schnitzler zum
Verfasser hat. Das Stück führt den Titel =Haus Delorme¬
und schildert eine Schauspielerfamilie. Der Juhalt soll
derart sein, daß sogar die witwirkenden Künstler Front#
gegen das Stück machten.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Prager Tagblatt
vom: J04

Theater.
Der verbotene Schnitzler.
Das nem Schnitzlersche Stück „Haus De¬
lorme“, das gestern im Berliner „Kleinen Theater“
in Szene gehen sollte, wurde, wie wir in mehreren
deutschen Blättern lesen, nicht allein von dem üblichen
Schicksale eines Zensurverbotes betroffen.
Schon seit der ersten Leseprobe hatte sich bei der Regie
und den mitwirkenden Künstlern eine Mißstim¬
mung geltend gemacht, die schließlich in eine offene
und ehrliche Frontstellung gegen die
Dichtung überging. Nun hat allerdings auch
die Zensur ihr Veto eingelegt und ist denen zu Hilfe
gekommen, die mit dem Protest gegen das Kunstwerk
einen Kampf pra domogeführt hatten.
Haus Delorme“ ist ein Schauspielerstück und es ver¬
lautet mit Bestimmtheit, daß Schnitzler in seiner Ko¬
mödie die Schicksale einer Schauspielerfami¬
lie schildert, die für Eingeweihie eine unverkennbars
Aehnlichkeit mit denen der Familie einer sehr be¬
[kannten Wiener Künstlerin aufweisen. Die
vier Personen des Stückes sind: die Mutter Delorme,
ihre Tochter, die Operettensängerin ist, ihr Sohn und
das Dienstmädchen. Die Tochter ist in interessanten
Umständen durch ihren Geliebten Franz; das Dienst¬
mädchen durch den Sohn des Hauses. Das hindert den
Jüngling jedoch nicht, sich mit einem reichen Mädchen,
Fräulein Else Pollack, zu verloben. Die ehrenwerte
Mutter weiß um alles Bescheid. Fräulein Pollack er¬
scheint eines Abends im Hause Delorme, und nach einer
wilden Liebesszene erklärt sie ihrem Verlobten, daß ihr
Vater faliert habe. Der Jüngling nimmt die Nach¬
richt scheinbar mit Entrüstung auf und will nunmehr
die Tochter eines solchen Vaiers nicht heiraten. In
einer andern Szene wiederum erscheint der Geliebte der
Tochter und zieht sich mit dieser zurück. Auf die Frage
der Mutter, ob sie nicht erst speisen wollten, antwortet
die Tochter: Ich habe nur Hunger auf Franz!“ Eines
ganze Reihe von Szenen, die die Verderbtheit dieser
„Schauspieler"=Familie wiedergeben, in der der Mut¬
ter eine der degoutantesten Rollen zuerteilt ist, die je
für die Bühne geschrieben sind, lassen sich hier nicht wie¬
dergeben. Die Stellungnahme der Schauspieler des
„Kleinen Theaters“ gegen die Schnitzlersche Novität ist
um so bemerkenswerter, als vom rein schauspielerischen
Standpunkt eine Reihe durchaus dankbarer Rollen
darin enthalten ist.
So die deutschen Blätter. Es ist merkwürdig,
wie empfindlich die Schauspieler sind, wenn es sich da¬
rum handelt. Mängel und Auswüchse darzustellen, die
bei einer Person ihres Standes vorkommen. Einen
schurkischen König, einen elenden Wucherer, einen
lächerlichen Professor wiederzugeben erscheint ihnen nur
recht und billig, sogar sehr dankenswert. Aber einen
Schauspieler, der irgend eine dieser Eigenschaften be¬
sitzt, darzuftellen, dagegen sträubt sich ihre ganze Natur.
Es ist genau so, als wenn ein Schriftsteller sich sträu¬
ben wollte, einen Standesgenossen mit unangenehmen
Eigenschaften zu zeichnen. Es ist übrigens interessant,
daß es nicht das erste Stück Schnitzlers ist, das die Be¬
denken der Schauspieler erregt. Als sein packendes
Schauspiel „Freiwild“ in Prag aufgeführt werden
sollte, empörten sich alle Mitwirkenden über die Schmie¬
iren=Komödianten, die in dem Stücke vorkommen und
niemand wollte sie darstellen. Natürlich mußten sie
ihre Bedenken den geltend gemachten vernünftigen
Gründen gegenüber aufgeben und der Erfolg der Auf¬
führung bewies, daß nicht ein Mensch im Publikum
etwas die Schauspieler Entwürdigendes in dem Stücke
sand, daß vielmehr allen Künstlern, welche Schauspieler
darstellten, sehr dankbare Aufgaben zugefallen waren.
(Schnitzler hat übrigens dem Berliner Korrespondenten
der „N. Fr. Pr.“ erklärt, daß die Schauspieler sich
nicht geeignet haben „Haus Delorme“ zu spielen.)