II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 83

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Dr. Max Goldichmict
##e Bureau für
Zeitungsausschn,
verbunden mit direktem Nachrich
eigene Korresponden
Hienst durch
Berlin N. 24.
Telephol
3051.
Ausschnitt aus
Berliber Tageplat.
28 JUN. 1003.
Schnitzlers „Reigen“ auf der Bühne.
(Aufführung des Akademisch=dramatischen Vereins in München.)
G. Sch. Unser Münchener Korrespondent schreibt uns über
die Aufführung dreter Szenen aus Arthur Schnitzlers „Reigen“:
Einer meiner Freuhde, der mehrere Jahre an einer größeren
Bühne als Spielleiler tätig war, sagte mir einmal, daß das
Diktum des ersten Natoleons „Es gibt keine Unmöglichkeit“ auch für
den Regisseur gelte. Mein Freund kannte eben Schnitzlers „Reigen“
noch nicht. Die Vorgänge, die in dieser Dialogfolge durch Gedanken¬
striche bezeichnet sind, auf der Bühne oder in der Zeitung auch nur
versuchsweise anzudeuten, ist einfach unmöglich. Immerhin konnte
man gespannt sein, wie sich die Darsteller mit den Gedankenstrichen
abfinden würden.
Der Verein, den ich übrigens für derlei Experimente am wenigsten
berufen halte, hatte die Dialoge 4, 5 und 6, „Der junge Herr und
die junge Frau“, „Der Ehemann und die junge Frau" und „Der
Ehemann und das süße Mädel“ gewählt, die — wie soll ich doch
sagen? — relativ harmlosesten Stückchen des Cyklus. Aber auch in
diesen drei Szenen einer Ehekomödie bilden die Gedankenstriche die
Voraussetzung und die Handlung. Die Darsteller glitten einfach darüber
hinweg und in dem ersten Dialog „Junger Mann und junge Frau
wurden überdies die gefährlichsten Zeilen gestrichen. Die geistreichen
Sarkasmen, die psychologischen Feinheiten dieser Variationen über ein
unnennbares Thema konnten bei dem geladenen vorwiegend literarischen
Auditorium, das jede Pointe aufgriff, und dessen Phantasie einer greif¬
baren Andeutung nicht bedurfte, kaum versagen. Doch auch dieses
Muhlikum wurde durch die dreimalige Wiederholung der einen Mote
müde, und der Beifall nach den letzten Stückchen war lnur flau. 2
Abend ergab, was die Kenner des Buches schon vorher wußten:
keine Notwendigkeit besteht, Schnitzlers „Reigen“ auf die Bühne zu bring
Dem „Reigen“ voran ging ein einaktiges Drama „Die Tr
gödie des Triumphes“ von Karl Goldmann, wol
ein Mitglied des Akademisch=dramatischen Vereins. Die alte Geschicht
von dem Künstler, der von allen Fesseln befreit sein muß, so
er Unsterbliches schaffen. Ein Freund des Künstlers will e
versuchen, diesen von den Fesseln zu befreien. Er vermag
die edeldenkende Geliebte des Künstlers zum Verzichte zu
bewegen, aber der Onkel ist eine weniger heroisch angelegte
Natur. Der Onkel ergreift den Hammer, um die von seinem Neffen
begonnene Statue, natürlich ein Meisterwerk, zu zertrümmern. Der
Schlag trifft aber nicht den Marmor, sondern den beredten Freund
und Anwalt des Künstlers. Der Freund stirbt, der Künstler ist frei.
Die Tragödie des Triumphes. Der in jugendlich=pathetischer Sprache
geschriebene Einakter wurde höflichst, aber entschieden abgelehnt.
Hoffentlich läßt es Herr Goldmann bei diesem Versuche bewenden.
Der Akademisch=dramatische Verein sollte seine Kräfte nicht an Auf¬
gaben vergeuden, die doch nur für das Kaffeehausliteratentum
Interesse haben.
(Wir möchten diesem Bericht unseres Korrespondenten hinzufügen.
daß die Aufführung einiger der Dialoge aus Schnitzlers „Reigen“
auch in literarischer Beziehung ein ganz wertloses Experiment be¬
deutet. Das kleine Werk Schnitzlers, über das die Meinungen geteilt
ein können, das aber in keinem Falle auf die Bühne gehört,
sucht seinen Kunstwert in der Art, wiel sich die Dialoge
reigenartig miteinander verschlingen.

Einer folgt aus
dem anderen, und der Schluß verbindet sich wieder mit dem An¬
ang. Reißt man aus dieser Kette ein paar Glieder heraus,
o ist das, ganz abgesehen von allen anderen Bedenken, eine Barbarei,
deren sich ein Verein mit literarischen Bestrebungen am wenigsten
chuldig machen dürfte. Wir bezweifeln, daß Arthur Schnitzler zum
Aufführung und besonders zu dieser Art der Aufführung seine M¬
stimmung gegeben hat. D. Red.)