II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 92

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Reigen
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Für die Italiener ist eine kleine Geschichte bezeichnend, Für ihre Wahrheit will ich nicht
bürgen. aber jeder, der die Ausstellung zu besichtigen bestimmt war, wird wenigstens zugeben.
dass sie gut erfunden ist. Einer Dame aus der ersten Beamtengesellschaft, die leider malt, wird
ein Bild zurückgewiesen. Weinend geht sie selbst zu den Richtern der Kunst. Man konnte ihre
Tränen nicht sehen. eher noch ihr Kunstwerk, das man wohlwollend unter dem anderen Krims¬
Krams versteckte. Ja, das muss man sagen, der Italiener hat ein Herz. Aber nicht für die Kunst.
Was ist also weiter über die Italiener zu sagen? Weder Maler noch Bildhauer zeigen einen
originellen Zug. Nicht einmal der Halbgott der italienischen Moderne, der verstorbene Napolitaner
Morelli, dessen Werken man einen Saal gewährt hat, ist originell. Aber Morelli, dem man
künstlerisches, hohes Talent nicht abstreiten kann, ist wenigstens interessant, Interessant durch
die Zersplitterung seiner Persönlichkeit. Man hält es kaum für möglich, dass sämtliche Bilder
von demselben Meister stammen. Ein Familienbild in glatter, alttränkischer Manier. Ein Damen¬
bildnis nach modernem englischen Rezept. Ein Page im Garten. von dem man glauben könnte,
dass er von Thoma inspiliert sei. Endlich eine Reihe historischer Bilder àla Piloti und nicht zu
vergessen, die „Versuchung des heiligen Antonius“, mit welcher er sich die Gunst seiner Lands¬
ente wohl am meisten erworben hat, die aber künstlerisch sehr wenig zu schätzen ist
Was die Bildhauer anlangt. so ist. wie ich schon bemerkte, auch hier auf dem Gebiete
der Plastik nicht viel zu sagen. Das einzige Weik, das in grellem Widerspruch zu der italienischen
Alltagsmanier steht, gehört dem in Paris lebenden Italiener, dem führenden Impressionisten
Medardo Rosso an. Schade, dass der Künstler nur mit einer kleinen Bronze, die keinen vollständigen
Einblick in die Eigenpersönlichkeit des Schöpters gibt, vertreten ist. Aber auch in diesem kleinen
Werke, das sich in die Unzahl der hausbackenen Salonplastik verirrt hat, zeigt sich schon der
denkende und empfindende Künstler, der sich ein anderes Ziel gesteckt hat. als dekorative liand¬
arbeit. Rosso steht hoch über der italienischen Plastik. Man kann nur bedauern, dass nicht eine
Sammelausstellung seiner Werke dlie werktäglichen Seelen seiner Landsleute etwas in Aufregung
gebracht hat. Denn es dünkt mir, für Medardo Rossos Impressionen ist weder das italienische
Künstlertum noch die italienische Gesellschaft reif.
Wilhelm Schöller.
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Münchener Brief.
München, im Juli 1903.
Wenn ich auf die letzten Theaterwochen zurückblicke, die in die jetzige Berichts¬
periode fallen, so ist es in litterarischer Beziehung herzlich wenig, was den Geist oder
das Herz länger beschäftigte, als bis zum letzten Fallen des Vorhanges. Von
Bataille's schrecklicher Dramatisierung der Tolstoi'schen „Auferstehung“ kann
man sagen, daß sie nicht einmal sonderlich geschickt ist, in dem ganz gewöhnlichen
Sinne der Philippi und Konsorten genommen. Dennoch läßt sich nicht wegleugnen,
daß das Werk, in den Hauptrollen famos gespielt und mit sehr starkem Beifall auf¬
genommen wurde, der öfters gerade da kräftig einsetzte, wo ob der skrupellosen