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Reigen
bex 17/2
r
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Namburger Nachrichten
42 UEZ. 1900
A
Clopmehene Gangel
Weit energischer als gegen den Schmutz auf
er Straße ist jüngst hier gegen den sittlichen
Schmutz vorgegangen worden. Das Rectorat der
Miversität hat den Akademisch=dramatischen
Berein wegen einer scenischen Aufführung des
Schnitzler'schen Reige###gelöst. Die äußerst
chaffeinem höheren ethischen Stand¬
Hunkt geschriebene Besprechung jener unbegreif¬
ichen Aufführung durch ein hiesiges Blatt
die
frühere Augsburger
„Allgemeines
Zeitung") scheint die Universitätsbehörde
rst aufmerksam gemacht zu haben, was für
ine Gattung von Litteratur diese jungen,
ielfach erst dem Gymnasium entstiegenen Herren
flegen zu müssen glauben. Es ist unbegreiflich,
die man daran denken kann, einige dieser Dialoge
wischen Dirne und Mann mit denen Arthur
Schnitzler seinen schriftstellerischen Namen für
mmer geschändet hat — denn sie sind auch vom ein¬
eitig ästhetischen Standpunkt als „Kunstwerk
ine Absurdität — auf eine Bühne zu bringen!
Ver das schmutzige Zeug von berufswegen oder
onst gelesen hatte, traute seinen Augen kaum,
ls er die Ankündigung las; und daß die
Veranstalter selbst wenigstens ein dunkles
Jefühl für die Ungehörigkeit ihres Unternehmens
atten, bewies, daß die Darsteller vielfach unter
genommenen Namen auftraten. Ein Theil
rliberalen und die socialdemokratische Presse
rie natürlich „Denunciation!“, als der Finger
f diese schwärende Wunde unserer studirenden
igend gelegt wurde, und verschanzte
sich
hinter das „Kunstwerk, das nicht polizeilich
gemaßregelt“ werden dürfe. Als ob da noch
von Kunstwerk die Rede sein könnte! Und ist
es denn nur ein Zufall, kann es ein Zufall
sein, daß der Akademisch=dramatische Verein
fast ausnahmslos nur Stücke aufführte, die aus
Anstandsgründen von jeder öffentlichen Auf¬
führung ausgeschlossen waren. So führte man
sie denn vor einem geladenen Publicum au
vor einem „geladenen, an das sich Jeder,
der nur wollte, gegen Bezahlung anschließen
burger Nachrichten“ unter dem Titel „Zur Noth
der Zeit“ ein kurzes, aber furchtbar beredtes
und in dem es u. a. hieß: „Die Sitte? Ach
du lieber Himmel! Der Thron? Der Gottes¬
glaube? Die Achtung vor beiden und die
Hoffnung darauf ist längst „versimplicissimußt“
Zum Kampf gehört physischer Muth, getragen
von sittlichem Muth und der inneren Ueber¬
zeugung, daß man besser ist als (in diesem
Falle) die „rothen Borstenthiere. Mit diesem
„Simplicissimus“ und „Generalanzeiger“=Volk,
mit dieser Chambre separée=Aristokratie ist
im Kampf für „Thron und Altar“ nicht viel
zu machen. Das eben wird „oben“ und „unten
gefühlt und deshalb das rathlose Hinstarren auf die
anstürmenden rothen Hunnen.“
Reigen
bex 17/2
r
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Namburger Nachrichten
42 UEZ. 1900
A
Clopmehene Gangel
Weit energischer als gegen den Schmutz auf
er Straße ist jüngst hier gegen den sittlichen
Schmutz vorgegangen worden. Das Rectorat der
Miversität hat den Akademisch=dramatischen
Berein wegen einer scenischen Aufführung des
Schnitzler'schen Reige###gelöst. Die äußerst
chaffeinem höheren ethischen Stand¬
Hunkt geschriebene Besprechung jener unbegreif¬
ichen Aufführung durch ein hiesiges Blatt
die
frühere Augsburger
„Allgemeines
Zeitung") scheint die Universitätsbehörde
rst aufmerksam gemacht zu haben, was für
ine Gattung von Litteratur diese jungen,
ielfach erst dem Gymnasium entstiegenen Herren
flegen zu müssen glauben. Es ist unbegreiflich,
die man daran denken kann, einige dieser Dialoge
wischen Dirne und Mann mit denen Arthur
Schnitzler seinen schriftstellerischen Namen für
mmer geschändet hat — denn sie sind auch vom ein¬
eitig ästhetischen Standpunkt als „Kunstwerk
ine Absurdität — auf eine Bühne zu bringen!
Ver das schmutzige Zeug von berufswegen oder
onst gelesen hatte, traute seinen Augen kaum,
ls er die Ankündigung las; und daß die
Veranstalter selbst wenigstens ein dunkles
Jefühl für die Ungehörigkeit ihres Unternehmens
atten, bewies, daß die Darsteller vielfach unter
genommenen Namen auftraten. Ein Theil
rliberalen und die socialdemokratische Presse
rie natürlich „Denunciation!“, als der Finger
f diese schwärende Wunde unserer studirenden
igend gelegt wurde, und verschanzte
sich
hinter das „Kunstwerk, das nicht polizeilich
gemaßregelt“ werden dürfe. Als ob da noch
von Kunstwerk die Rede sein könnte! Und ist
es denn nur ein Zufall, kann es ein Zufall
sein, daß der Akademisch=dramatische Verein
fast ausnahmslos nur Stücke aufführte, die aus
Anstandsgründen von jeder öffentlichen Auf¬
führung ausgeschlossen waren. So führte man
sie denn vor einem geladenen Publicum au
vor einem „geladenen, an das sich Jeder,
der nur wollte, gegen Bezahlung anschließen
burger Nachrichten“ unter dem Titel „Zur Noth
der Zeit“ ein kurzes, aber furchtbar beredtes
und in dem es u. a. hieß: „Die Sitte? Ach
du lieber Himmel! Der Thron? Der Gottes¬
glaube? Die Achtung vor beiden und die
Hoffnung darauf ist längst „versimplicissimußt“
Zum Kampf gehört physischer Muth, getragen
von sittlichem Muth und der inneren Ueber¬
zeugung, daß man besser ist als (in diesem
Falle) die „rothen Borstenthiere. Mit diesem
„Simplicissimus“ und „Generalanzeiger“=Volk,
mit dieser Chambre separée=Aristokratie ist
im Kampf für „Thron und Altar“ nicht viel
zu machen. Das eben wird „oben“ und „unten
gefühlt und deshalb das rathlose Hinstarren auf die
anstürmenden rothen Hunnen.“