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viegender Art nicht vorbereitet war. Die
Folgen waren zunächst
Lärmszenen,
dann stürmische Auftritte, schließlich
Keilereien und Prügeleien mit
Ordnungsrufen ohne Zahl.
Der Streitfall ist kurz gefaßt folgender
Minister Dr. Glanz, die Regierung
und die christlichsoziale Partei stehen au
dem Standpunkt, daß die weiteren Auf¬
führungen des „Reigen“ aus sittlichen
Gründen untunlich seien, so daß aus
ethischen Motiven mit dem Verbot
vorgegangen werden mußte. Die Sozial¬
demokraten sehen dagegen von dem
Theaterstück vollkommen ab und nehmen
nur Stellung dagegen, daß sich der
Bundesminister des Innern über die
nieue Verfassung hinweggesetzt und über
den Landeshauptmann von Wien hinweg
eine Verfügung getroffen habe.
Der Führer der Sozialdemokraten,
Präsident Seitz, der heute zum ersten¬
mal seit langem wieder die Redner¬
tribüne bestieg, kennzeichnete in scharfen
Worten die in der sozialdemokratischen
Partei gegen Minister Dr. Glanz herr
chende Mißstimmung und drohte, unter
tützt von seinen Klubkollegen, mit den
schärfsten Repressalien für den Fall, als
es der Bundesminister auf einen Ver¬
fassungskampf ankommen lassen würde.
Er teilte hiebei mit, daß der Landes¬
hauptmann das Verbot des „Reigen
üiberhaupt nicht zur Kenntnis nehme, so
daß jetzt abzuwarten sei, was Dr. Glanz
nun verfügen werde.
Die Ursache des Krawalls im Hause
bildete der Schluß der Rede des Ministers
Dr. Glanz, welcher erklärte, er überlasse
das Urteil über sein Wirken getrost
allen anständigen Menschen
Darüber entstand ungeheure Erregung
in den sozialdemokratischen Bänken
Einige der größten Schreier wollten auf
den Minister losgehen, wurden dabei, von
den Christlichsozialen daran gehindert
Dadurch entstand das übliche Ge¬
dränge vor der Ministerbank, das
wieder zu Keilereien führte, in deren
Verlauf der gewesene Landeshauptmann
Sever von dem christlichsozialen Ab¬
geordneten Pischitz einen Stoßins
Gesicht erhielt. Es wurden natürlich
noch mehrfach Püffe und Stöße aus¬
4
geteilt, doch war es in dem Gedränge
und dem hereschenden Durcheinander
nicht möglich, in verläßlicher Weise Ur¬
heber und Empfänger festzustellen.
Die unmittelbare politische Folge des
Zwischenfalles ist jedenfalls die arge Ver¬
stimmung auf beiden Seiten des Hauses,
die darin ihren Ausdruck fand, dat die
Sozialdemokraten für alle dem Hause
vorliegenden Gesetzesvorlagen sofort die
Durchführung der ersten Lesung ver¬
langten, was natürlich eine Hinaus¬
schiebung der Ausschußberatungen auf
mehrere Tage bedingt.
Nach Schluß der Haussitzung er¬
warteten einige sozialdemo¬
kratische Abgeordneten unter
Führung des Abg. Zelenka
Dr. Glanz beim Ausgang aus
dem Sitzungssaal und wollten die
Szene aus dem Nationalrat dort fort¬
setzen. Nur dem Dazwischentreten einiger
Christlichsozialer ist es zu danken, daß
neue Zusammenstöße vermieden blieben.
Frlaß über das Verbot der Auftührung des
„Reigen“ sofort zurückziehen wolle.
In Begründung der Dringlichkeit führte
Abg. Leuthner aus, er wolle sich durchaus
nicht in eine Diskussion über ästhetische oder
ethische Fragen einlassen und gar nicht fragen,
was der „Reigen“ künstlerisch und ethisch be¬
deute. Wollte man die Frage beurteilen, was
der „Reigen“ künstlerisch, ethisch bedeutet, so
würde sich herausstellen, daß Stücke wie der
„Reigen“ in zahlreichen Fauen aufgeführt
wurden, ohne irgendeinen Anstoß bei frommen
Hemütern zu erregen wie beispielsweise im
Josefstädter Theater. Es handelt sich hier um
die rein gesetzliche Seite der An¬
gelegenheit
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht
dem Landeshauptmann, in diesem Falle dem
Bürgermeister von Wien, die Entscheidung zu
gegen die, wenn sie einmal im bejahenden
Falle erfolgt ist, eine Entscheidung der Re¬
gierung nicht angerusen werden kann. Nur in
dem Falle, wenn sie verneimnend aus¬
gefallen ist, ist eine Berufung an die Regierung
möglich.
Bundesminister Dr. Glanz: In
Beantwortung der soeben gestellten Anfrage
nöchte ich dem hohen Hause mitteilen: Schon
vor der Zulassung der Aufführung des
Reigen“ die durch den Magistrat in seiner
Eigenschaft als politische Lanoesstelle erfolgt
st, hatte der Herr Polizeipräsident von Wien
auf die schweren Bedenken gegen die
Aufführung dieses Bühnenwerkes aufmerksam
gemacht
Die Aufführung des Stückes gab alsbald
zu lebhaften Erörterungen in der
Oeffentlichkeit Anlaß. (Gegenrufe bei den So¬
zialdemokraten: In der „Reichspost“. Lär¬
nende Zwischenrufe auf den sozialdemokrati¬
schen Banken. Gegenrufe bei den Christlich¬
ozialen.) Hirbei sprach sich die über¬
viegende Mehrzahl der öffent¬
lichen Stimmen gegen die Auffüh¬
rung aus. (Abgeordneter Seitz, wo haben Sie
das gezählt? Großer Lärm.)
Der Gesamteindruck war, daß die Auf¬
ührung eine arge Verletzung, der
öffentlichen Sittlichkeit bedeute und
daß sie mit dem sittlichen Empfinden weiter
Kreise der Wiener Bevölkerung in scharfem
Gegensatz stehe. (Lebhafter Beifall und Hände¬
klatschen bei den Christlichsozialen, großer
Lärm bei den Sozialdemokraten. Abg. Seitz:
Woher wissen Sie das? Aba. Pick: Sie
bringen hier nur ästhetische Meinungen vor,
ber kein einziges Argument. Abg. Doktor
Mataja: Der Präsident als Krawallmacher.
Abg. Dr. Bauer: Ein solcher Schreier wie
der Mataja wagt das zu sagen.)
Minister Dr. Glanz (der Mühe hat, sich
verständlich zu machen): Aus Rücksichten der
öffentlichen Sicherheit habe sich das Bundes¬
ninisterium entschlossen, die weitere Auf¬
führung des „Reigen“ zu verbieten.
Stürmischer Beifall bei den Christlichsozialen.)
Die Vorgänge in dem Stücke sind durchaus
indeutiger Art.
Die deutsche
Kultur in Oesterreich wird gewiß keinen
Schaden erleiden, wenn Schaustellungen solchen
Vorgänge auf öffentlicher Bühne unter¬
leiben.
(Stürmischer Beifall und
Händeklatschen. Gegeneuf bei den
Sozialdemokraten. Dr. Bauer: Es handelt
sich hier um eine Verfassungsfrage
Das, was Sie sagen, hat mit der Verfassung
nichts zu tun.) Ich glaube auch nicht, daß die
breiten Massen der Wiener Bevölkerung es
als besonderen Verlust betrachten werden
wvenn einer kleinen Zahl frivole:
Genießer diese dem sittlichem Empfinder
und dem Ernst dieser Zeit widersprechenden
Vergnügungen entzogen werden.
Mehrere Sozialdemokraten dringen ar
den Platz des Ministers ein und schleuder
stürmische Zurufe gegen die Ministerbank. De
Präsident erteilt in dem herrschenden Lär
mehreren Abgeordneten Ordnungsrufe, mn
80
800
02
N
M
W
von Karl Schönherr
dargestellt vem
EkI-Ensemble
in den Wiener Kinos anzusehen
Die „Neue Freie Presse“ schreib
über diesch Film unter anderm:
#uch diechechetgonpandeen
Erwartungen blieben, wie man
ohne
Uebertreibung sngen
arf. hinter dem zurück, was
geboten wurde Die wundervoll
schten Gestalten und Köpfe der
Schanspieler die im Ziliertul
aufvenommenen Landschaften,
die zu Ausserster dramatischer
Wirksamkeit gesleigerten
Ep
soden wirken durch die Natür¬
lichkeit der Szenerie und Dar¬
stellung noch erschütternder
als vor der Bühne herab. Es
war, ein grosser, ungetrübter.
durchans künstlerischer
Eindruck.
Astoria-Fim, Wien, VI.
Perlen, J
eder Art
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viegender Art nicht vorbereitet war. Die
Folgen waren zunächst
Lärmszenen,
dann stürmische Auftritte, schließlich
Keilereien und Prügeleien mit
Ordnungsrufen ohne Zahl.
Der Streitfall ist kurz gefaßt folgender
Minister Dr. Glanz, die Regierung
und die christlichsoziale Partei stehen au
dem Standpunkt, daß die weiteren Auf¬
führungen des „Reigen“ aus sittlichen
Gründen untunlich seien, so daß aus
ethischen Motiven mit dem Verbot
vorgegangen werden mußte. Die Sozial¬
demokraten sehen dagegen von dem
Theaterstück vollkommen ab und nehmen
nur Stellung dagegen, daß sich der
Bundesminister des Innern über die
nieue Verfassung hinweggesetzt und über
den Landeshauptmann von Wien hinweg
eine Verfügung getroffen habe.
Der Führer der Sozialdemokraten,
Präsident Seitz, der heute zum ersten¬
mal seit langem wieder die Redner¬
tribüne bestieg, kennzeichnete in scharfen
Worten die in der sozialdemokratischen
Partei gegen Minister Dr. Glanz herr
chende Mißstimmung und drohte, unter
tützt von seinen Klubkollegen, mit den
schärfsten Repressalien für den Fall, als
es der Bundesminister auf einen Ver¬
fassungskampf ankommen lassen würde.
Er teilte hiebei mit, daß der Landes¬
hauptmann das Verbot des „Reigen
üiberhaupt nicht zur Kenntnis nehme, so
daß jetzt abzuwarten sei, was Dr. Glanz
nun verfügen werde.
Die Ursache des Krawalls im Hause
bildete der Schluß der Rede des Ministers
Dr. Glanz, welcher erklärte, er überlasse
das Urteil über sein Wirken getrost
allen anständigen Menschen
Darüber entstand ungeheure Erregung
in den sozialdemokratischen Bänken
Einige der größten Schreier wollten auf
den Minister losgehen, wurden dabei, von
den Christlichsozialen daran gehindert
Dadurch entstand das übliche Ge¬
dränge vor der Ministerbank, das
wieder zu Keilereien führte, in deren
Verlauf der gewesene Landeshauptmann
Sever von dem christlichsozialen Ab¬
geordneten Pischitz einen Stoßins
Gesicht erhielt. Es wurden natürlich
noch mehrfach Püffe und Stöße aus¬
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geteilt, doch war es in dem Gedränge
und dem hereschenden Durcheinander
nicht möglich, in verläßlicher Weise Ur¬
heber und Empfänger festzustellen.
Die unmittelbare politische Folge des
Zwischenfalles ist jedenfalls die arge Ver¬
stimmung auf beiden Seiten des Hauses,
die darin ihren Ausdruck fand, dat die
Sozialdemokraten für alle dem Hause
vorliegenden Gesetzesvorlagen sofort die
Durchführung der ersten Lesung ver¬
langten, was natürlich eine Hinaus¬
schiebung der Ausschußberatungen auf
mehrere Tage bedingt.
Nach Schluß der Haussitzung er¬
warteten einige sozialdemo¬
kratische Abgeordneten unter
Führung des Abg. Zelenka
Dr. Glanz beim Ausgang aus
dem Sitzungssaal und wollten die
Szene aus dem Nationalrat dort fort¬
setzen. Nur dem Dazwischentreten einiger
Christlichsozialer ist es zu danken, daß
neue Zusammenstöße vermieden blieben.
Frlaß über das Verbot der Auftührung des
„Reigen“ sofort zurückziehen wolle.
In Begründung der Dringlichkeit führte
Abg. Leuthner aus, er wolle sich durchaus
nicht in eine Diskussion über ästhetische oder
ethische Fragen einlassen und gar nicht fragen,
was der „Reigen“ künstlerisch und ethisch be¬
deute. Wollte man die Frage beurteilen, was
der „Reigen“ künstlerisch, ethisch bedeutet, so
würde sich herausstellen, daß Stücke wie der
„Reigen“ in zahlreichen Fauen aufgeführt
wurden, ohne irgendeinen Anstoß bei frommen
Hemütern zu erregen wie beispielsweise im
Josefstädter Theater. Es handelt sich hier um
die rein gesetzliche Seite der An¬
gelegenheit
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht
dem Landeshauptmann, in diesem Falle dem
Bürgermeister von Wien, die Entscheidung zu
gegen die, wenn sie einmal im bejahenden
Falle erfolgt ist, eine Entscheidung der Re¬
gierung nicht angerusen werden kann. Nur in
dem Falle, wenn sie verneimnend aus¬
gefallen ist, ist eine Berufung an die Regierung
möglich.
Bundesminister Dr. Glanz: In
Beantwortung der soeben gestellten Anfrage
nöchte ich dem hohen Hause mitteilen: Schon
vor der Zulassung der Aufführung des
Reigen“ die durch den Magistrat in seiner
Eigenschaft als politische Lanoesstelle erfolgt
st, hatte der Herr Polizeipräsident von Wien
auf die schweren Bedenken gegen die
Aufführung dieses Bühnenwerkes aufmerksam
gemacht
Die Aufführung des Stückes gab alsbald
zu lebhaften Erörterungen in der
Oeffentlichkeit Anlaß. (Gegenrufe bei den So¬
zialdemokraten: In der „Reichspost“. Lär¬
nende Zwischenrufe auf den sozialdemokrati¬
schen Banken. Gegenrufe bei den Christlich¬
ozialen.) Hirbei sprach sich die über¬
viegende Mehrzahl der öffent¬
lichen Stimmen gegen die Auffüh¬
rung aus. (Abgeordneter Seitz, wo haben Sie
das gezählt? Großer Lärm.)
Der Gesamteindruck war, daß die Auf¬
ührung eine arge Verletzung, der
öffentlichen Sittlichkeit bedeute und
daß sie mit dem sittlichen Empfinden weiter
Kreise der Wiener Bevölkerung in scharfem
Gegensatz stehe. (Lebhafter Beifall und Hände¬
klatschen bei den Christlichsozialen, großer
Lärm bei den Sozialdemokraten. Abg. Seitz:
Woher wissen Sie das? Aba. Pick: Sie
bringen hier nur ästhetische Meinungen vor,
ber kein einziges Argument. Abg. Doktor
Mataja: Der Präsident als Krawallmacher.
Abg. Dr. Bauer: Ein solcher Schreier wie
der Mataja wagt das zu sagen.)
Minister Dr. Glanz (der Mühe hat, sich
verständlich zu machen): Aus Rücksichten der
öffentlichen Sicherheit habe sich das Bundes¬
ninisterium entschlossen, die weitere Auf¬
führung des „Reigen“ zu verbieten.
Stürmischer Beifall bei den Christlichsozialen.)
Die Vorgänge in dem Stücke sind durchaus
indeutiger Art.
Die deutsche
Kultur in Oesterreich wird gewiß keinen
Schaden erleiden, wenn Schaustellungen solchen
Vorgänge auf öffentlicher Bühne unter¬
leiben.
(Stürmischer Beifall und
Händeklatschen. Gegeneuf bei den
Sozialdemokraten. Dr. Bauer: Es handelt
sich hier um eine Verfassungsfrage
Das, was Sie sagen, hat mit der Verfassung
nichts zu tun.) Ich glaube auch nicht, daß die
breiten Massen der Wiener Bevölkerung es
als besonderen Verlust betrachten werden
wvenn einer kleinen Zahl frivole:
Genießer diese dem sittlichem Empfinder
und dem Ernst dieser Zeit widersprechenden
Vergnügungen entzogen werden.
Mehrere Sozialdemokraten dringen ar
den Platz des Ministers ein und schleuder
stürmische Zurufe gegen die Ministerbank. De
Präsident erteilt in dem herrschenden Lär
mehreren Abgeordneten Ordnungsrufe, mn
80
800
02
N
M
W
von Karl Schönherr
dargestellt vem
EkI-Ensemble
in den Wiener Kinos anzusehen
Die „Neue Freie Presse“ schreib
über diesch Film unter anderm:
#uch diechechetgonpandeen
Erwartungen blieben, wie man
ohne
Uebertreibung sngen
arf. hinter dem zurück, was
geboten wurde Die wundervoll
schten Gestalten und Köpfe der
Schanspieler die im Ziliertul
aufvenommenen Landschaften,
die zu Ausserster dramatischer
Wirksamkeit gesleigerten
Ep
soden wirken durch die Natür¬
lichkeit der Szenerie und Dar¬
stellung noch erschütternder
als vor der Bühne herab. Es
war, ein grosser, ungetrübter.
durchans künstlerischer
Eindruck.
Astoria-Fim, Wien, VI.
Perlen, J
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Juweien-
geschart KRAMER, I. Graber
II. Stiege. 1. Stock. Telephon 14411.
Kein Gassenladen!
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