II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 461

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11. Reigen
Wiens und der jungen österreichischen Verfassung zu
um die Latrine.
kurz kommen — die Hauptsache ist, daß Herr Reumann
Wien, 11. Februar.
für einige Tage den Ruhm hat, sein bewährtes System
ium des Innern hat die wei¬
der Stadtverunreinigung auch auf das Literarische über¬
nitzters Reigen“ in den Kam¬
tragen zu haben, und Direktor Bernau weiter seine
oberstel Polizeibehörde hat es
Ueberpreise für Schweinernes einheimsen kann.
äft zustehenden gesetzlichen
Bürgermeister Reumann hat heute im Wiener Ge¬
Maßgebend für das Vorgehen
meinderate den Standpunkt eingenommen, auch er ver¬
Bürgermeister das Verbot der
urteile moralisch das umstrittene Stück, doch er bestehe auf
jals erste Instanz aufhebend,
einem Rechte, als verfassungsmäßige letzte Instanz in
gegenüber taub geblieben war
Theatersachen zu entscheiden. Wenn es nur verfassungs¬
er Aufführung des schmutzigen
mäßige Gründe sind, die ihn abhielten, seiner Verurtei¬
hatte, Inzwischen hatten
sich
lung des Stückes praktischen Ausdruck zu geben, warum
aus der Bevölkerung bei
der
hob er das Verbot der ihm unterstellten Wiener Polizei¬
ekelerregende Aergernis und
direktion, mit dem die Affäre anfing, auf? Er hätte es in
Rufes der alten Kunststadt
der Hand gehabt, diesen Skandal, den er kommen sehen
egierung mußte deshalb
mußte, namentlich nach den Erfahrungen von München
Ennern als oberste Instanz in
und Berlin, in der Wurzel zu ersticken. Er ließ es darauf
ssen. Nun sträubt sich Landes¬
ankommen. Er und niemand anderer veranstaltete mit
m nach der neuen Bundesver¬
seiner Aufhebung des bereits erfolgten polizeilichen
der polizeilichen Gewalt
als
Verbotes eine Machtprobe, ob seine Gewalt aus¬
is Verbot des Bundesministe¬
reiche, selbst eine solche Herausforderung der anständigen
ingen zu lassen und ermuntert
Bevölkerung durchzusetzen.
ktor, dem Verbote der Regie¬
Es entbehrt nicht eines gewissen, pikanten Reizes,
zu leisten. So fordert
die
wenn wir angesichts dieser Tatsachen die Gracchen wie¬
nau, ein sozialdemokratisches
der einmal über Aufstand klagen hören, wenn dieselben
eaterdirektor, der an dem
Leute über Verfassungsbruch Zeter und Mordio schreien,
geiler Gaffer schmunzelnd
die hier selbst die Verfassuna herabwürdigen und in den
ichend die Republik und ihre
Uebergriffen ihrer Arbeiterräte, in versuchten und wirk¬
n die Schranken. Denn höher
lich erfolgten Eingriffen in Schulfragen und Koalitions¬
stverständlich das für höchste
freiheit gegenüber der Verfassung und den Rechten
der Schieber auf die Zote.
des Staates reichlich das Ihre getan haben.
halt. Der Reigen um die
er dauern. Der sozialistische
Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes
es geschworen, mit seinen
wird es also der Firma Reumann und Bernau möglich
orgen, daß die schmutzigen
sein, den Theaterschmutz und die Herabwürdigung der
hen nicht gestört werden. Da
Kunst weiter zu kultivieren. Dies umso leichter, als die
Masse der politischen Anhänger des Herrn Reumann be¬
des Bundes in Polizeisachen
vertraut ist, so hat er es in
stimmt nicht in die Lage kommen wird, sich aus eigener
uf einen Rechtskonflikt an¬
Anschauung ein Urteil darüber zu bilden, mit welchem

Anordnung der Bundes¬
Rechte das Oberhaupt von Wien sich schützend vor dieses
zu verweigern. An der Re¬
Drama der obszönen Enthüllungen stellt, die für eine
den seine Pflicht verletzenden
kleine Schar von jenen sittenlosen Genießern reserviert
nVerfassungsgerichtshof
zur
sind, deren übersättigte und abgestorbene Instinkte durch
Es ist das Verdienst des
die zehn Reigendialoge einen neuen Kitzel erfahren.
Mit einer bemerkenswerten Offenheit räumen die
ann, aus einer Schmutz¬
Haupt= und Staatsaktion ge¬
sozialdemokratischen Führer in der heutigen Sitzung der
bei immerhin das Ansehen Nationalversammlung ein, zu wissen, daß die Prole¬
tarier, die schwer um des Lebens Notdurft ringenden
Männer und Frauen, an der Aufführung dieses Schau¬
und Zugstückes ganz uninteressiert sind und sich wahr¬
cheinlich mit Ekel und Zorn von der Darbietung ab¬
wenden würden, in der die Not ihrer hungernden Kinder
als Vorwand für die Aufpeitschung der perversen Empfin¬
dungen von ein paar Schiebern und schmuckbehangenen
Weibern verwendet wurde, sie geben es ohne weiteres zu,
daß nach dem Urteil Sach= und Kunstverständiger der
innere künstlerische Wert des Reigens keineswegs die un¬
geheuerliche Schamlosigkeit rechtfertigt, mit der das
schwerste und dunkelste Geheimnis alles Menschlichen auf
offener Bühne prostituiert wird. Und dennoch
gelten ihnen nichts die höchsten Interessen des
Volkes, die Voraussetzung zum inneren Wiederaufbau
und zur inneren Gesundung, das Bekenntnis zu einer
sittlichen Gesellschaftsauffassung der ohnehin so schwer
geschädigte Ruf und die Ehre dieser ihrer Verwaltung
und Obhut anvertrauten Stadt.
Die hovenständige christliche Bevölkerung wird es
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ihnen nie vergessen, daß sie eines politischen Machtkitzels
willen hohe geistige Güter der frechen Willkür fremd¬
rassiger Theatermacher preisgeben, daß Vernau, Schnitzler
und ihr Publikum sich gegenüber der Volksregierung,
gegenüber dem Willen des wirklichen Volkes als Herren
aufzuspielen wagen dürfen, daß angebliche Volksvertreter
offenkundigen Schmutz, der den Titel der Kunst
usurpirt, mit politischen Advokatenkniffen drapieren.
Der widerliche „Reigen“=Rummel hat das wahre
Gesicht marzsher Kulturkämpferei enthüllt, In einer
Zeit bitterster Not des Voltesretten sie für die Hun¬
egernden und Darbenden den — „Reigen“.
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