II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 496

11. Reigen
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WIEN
M. 20230
12. Februar 1921
Theaterordnung vom Jahre 1850 beruft, auf die sich
übrigens auch der Erlaß des Bundesministers ausdruck¬
lich bezieht, verweist die Bun#esregierung nunmehr auf
jenes Gesetz, welches den Uebergang zur bundesstaatlichen
Verfassung regelt. Angelegenheiten der Theaterpolitik und
Theaterzensur seien Bundessache und die Landeshaupt¬
leute seien an die Weisungen der Bundesregierung sowie
der einzelnen Bundesminister gebunden.
Trotz des schroffen Gegensatzes der juristischen
Meinungen hofft man in Regierungskreisen, der Konflikt
würde auf gütlichem Wege geschlichtet werden, ohne sich
darüber des näheren zu äußern, wie die beiderseitigen
Standpunkte niteinander versöhnt werden könnten.
Theaterleute wußten heute übrigens bereits zu erzählen,
daß Artur Schnitzler des Kampfes, der um sein Werk
entbrannt ist, gründlich müde und nicht übel gesonnen sei,
durch eine Zurückziehung des „Reigen“ dem Konflikt ein
Ende zu bereiten.
Der Rechtsstandpunkt der Regierung.
Mittei ungen von informierter Seite,
Wie wir von informierter Seite elfahren, steht die
Regierung auf dem Standpunkte, daß das Vorgehen des
Bundesminisiers Dr. Glanz in Angelegenheit des Ver¬
botes der „Reigen“=Aufführung verfassungsmäßig voll¬
kommen korreit sei. Die Begründung hiefür liege in der
Tatsache, daß die Artikel 10 bis 13 und 15 des Bundes¬
verfassungsgesetzes, in welchen für später die Kompetenzen
zu regeln sind, noch nicht in Kraft stehen. Vielmehr ist
nach § 42 des Uebergangsgesetzes die bisherige Kompetenz¬
abteilung inzwischen aufrecht geblieben, so daß Ange¬
legenheiten der Theaterpolizei und
Theaterzensur Bundessache sind und von
einzelnen Landeshauptleuten nicht im eigenen Wirkungs¬
sondern als mittelbare Bundesverwaltungs¬
kreise,
angelegenheit durchgeführt werden. Nach Artikel 103 des
Bundesverfassungsgesetzes sei auf dem Gebiete der mittel¬
baln Bundesverwaltung der Landeshauptmann an die
Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen
Bundesministerien gebunden. Befolge er eine solche
Weisung nicht, so könne er von der Bundesregierung beim
Verfassungsgerichtshofe belangt werden.
Aus dieser Auffassung gehe hervor, daß der Minister
des Innern dem Bürgermeister Reumann als Landes¬
hauptmann von Wien den Auftrag zum Verbot der
„Reigen“=Aufführung nach dem Stande der Gesetzgebung
zu erteilen berechtigt gewesen wäre und daß die Nicht¬
befolgung dieses Auftrages einen schweren Verfassungs¬
konflikt herbeizuführen geeignet sei.
In den maßgebenden Regierungskreisen gibt man der
Ueberzeugung Ausdruck, daß Bürgermeister Reumann
als verantwortlicher Leiter der Geschäfte der Bundeshaupt¬
stadt Wien einen Kompetenzkonflilt gewiß nicht leichten
Herzens heraufbeschwören, sondern nach reiflicher Prüfung
der Gesetzeslage seinen bisher eingenommenen Standpunkt
der Auffassung des Bundesministeriums akko modieren
werde.
Man rechnet damit, daß dieser Konflikt zwischen der
als Landes¬
Bundesregierung und dem Bürgermeister
hauptmann von Wien=Land in freundschaftlicher Weise
beigelegt werden dürfte und daß das Verbot der „Reigen“¬
Aufführung vom Bürgermeister Reumann an die Polizei¬
direktion weitergeleitet werden wird.
Die heutige Rede des Ministers Dr. Glanz im
Nationalrate.
Bundesminister Dr. Glanz hatte heute abend eine
Konferenz mit dem Bundeskanzler Dr. Mayr, in der
die heutigen Vorfälle im Nationalrate besprochen worden
sind. Bei diesem Anlasse konnte festgestellt werden, daß
dem Bundesminister Dr. Glanz bei seiner heutigen Rede
im Nationalrate jede Provozierung irgendener Partei
fernlag und daß er auch mit dem von sozkaldemokrati¬
chen Rednern und Zwischenrufern am meisten be¬
anstandeten Schlußpassus seiner Ausführungen nicht die
Absicht hatte, gegen seine Beusteilung der Sache vom ver¬
son
fassungsrechtlichen Standpunkte die Kritik abzulehnen,
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