II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 684

1.
Reigen
box 18/1
Riece & Seldel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Dard Bürsen-Zig
Zeitung:
Ort:
Datum: f 1117
Premiere mit Vorrede.
Schnitzlers „Reigen“ im Kleinen Schauspielhaus.
Das Spiel war halb gewonnen, noch ehe es über¬
haupt begonnen hatte. Gertrud Eysoldt, die
Frau= Direktor, erschien vor der Cardine. Ihre Er¬
regug nur mühsam niederzwingend, berichtete sie,
es süldrei Stunden vor Beginn der Vorstellung eine
Verfügung des Landgericht III eingetroffen, gemäß
welcher die Aufführung verboten worden sei. Unter
Strafandrohung natürlich. Aber nicht Geldbuße
wurde bei Zuwiderhandlung angekündigt, sondern
echs Wochen Haft! Das Kultus¬
ministerium, das dieses gerichtliche Eingreifen ver¬
anlaßt habe, sei schon etliche Tage zuvor gebeten
worden, zu der Probe einen Vertreter zu entsenden,
da die Aufführung doch oft ein anderes Bild von
einem Werke gebe, als das Stück, indessen ungeachtet
der Zusage sei dies nicht geschehen. Nun werde
aber — es handle sich doch immerhin um einen
Dichter, wie Schnitzler — die Aufführung dennoch
vor sich gehen.
Beifallssturm — Sympathiegetrampel. Und jetzt
konnte nach Frau Eysoldt der Dichter zu Worte
kommen. Schnitzlers „Reigen“ — vor langen Jahren
bereits erschienen — ist wohl kaum irgendwo be¬
reits zur Aufführung gelangt. Auch Schnitzler hat
wohl nicht daran gedacht, diese zehn Dialoge jemals
auf der Bühne zu sehen. Aber für unsere modernen
im „Reigen“ bewährte sich
Inszenierungsmacher —

gibt es, auch ohne Dreh¬
Hubert Reusch
bühne, keine Unmöglichkeiten mehr. Und so werden
Dialoge und Handlungsfetzen, denen sich das Theater
bisher aus technischen, oft auch aus künstlerischen
Gründen verschlossen hat, einem hochwohllöblichen
Publikum vorgeführt.
zwanzig Minuten Geplauder —

Vorhang hoch
Vorhang runter —
chneller Wechsel der kargen De¬
koration —
in diesem Falle ist Hauptrequisit das
Ein Spiel, das
Bett — Vorhang hoch — weiter
m „Reigen in knapp zwei Stunden abschnurrte.
Unter dem Beifall des anscheinend sehr befriedigten
und amüsierten Auditoriums.
Die Anfangs= und Schlußgestalt dieser Dialog¬
serie bildet die Dirne. Und von der Dirne schlingt
sich der Liebesreigen über den Soldaten, das Stuben¬
nädchen, den jungen Herrn, die junge Frau, den
Ehemann, das süße Mädel, die Schauspielerin und den
Dichter bis zum Grafen, der wiederum bei der Dirne##
endet. Die Erotik cancaniert mit fliegenden Röcken.
Marke: Ins Literarische gehobene Folies Caprice
Durchgeistigie Frivolitäten in Wiener Parfumierung,
die einen Teil von Schnitzlers Geistesschaffen bilden.
Erfreul herweise nur einen Bruchteil. Immer¬
hin, auch diese, aufs ganze gehenden Liebeleien sind
mnit zarten Schnitzlerstrichen gezeichnet. Liebens¬
vürdig, leicht, ohne Brutalität. Daher gibt es wirk¬
ich keine Ursache, sich zu entrüsten. Das flattert
behende vorüber, von Bild zu Bild, dieses sexuelle
Treiben. Erotik in ihren entgegengesetzten Polen:
Bemühen des Mannes um die Frau und seine.
immer nur seine Ernüchterung nach dem Liebes¬
rausch.
Den Schauspielern bietet die Dialogfolge keine
Gestaltungsaufgaben. Sie haben nur zu plaudern.
Dezent zu plaudern. Gleichsam über das Thema
inwegzuhuschen, es nur anzudeuten, beileibe nicht
u unterstreichen. Und mit gutem Geschmack ent¬
prachen sie alle dieser Forderung:
Else Bäck,
Kurt Götz und Viktor Schwanneke die sich
eide ganz in ihrem Elemente zu fühlen schienen,
oldi Müller„Blauche Dergan — sie gab
die Schauspiele##n #nt gsanter Betonung des Ko¬
mödiantentums
— L
Robert Forster=Lar¬
rinaga. Dieser hatts auch eine Musik geschrieben,
die als Lückenbüßerin beim Szenenwechsel gedacht
war, sich aber als überflüssig erwies.
pf.