11. Reigen
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Der Ratupf am Schihiers „Reigen.
Vor der 6. Strafkammer des Landgerichts III
Rechtsanwalt Heine: Ich möchte bei dieser
unter Voysitz des Landgerichtsdirektors Brenn¬
Gelegenheit auf folgendes hinweisen und einen
Antrag stellen. Unter den hier erschienenen von
hausen(begann heute die Verhandlung gegen die
der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen befin¬
Direktorer Frau Eysold und Sladek sowie den
den sich mehrere, welche an den bekannten Lärm¬
Regisseurk=Reusch und zehn Schauspieler und
szenen im Kleinen Schauspielhaus anläßlich der
Schauspiclerinnen des „Kleinen Schauspielhauses
„Reigen“=Aufführung am 22. Februar d. J. be¬
teiligt gewesen und sogar verhaftet worden
wegen Erregung öffentlichen Aergernisses durch
waren. Ich bitte deshalb die Akten des Polizei¬
Darstellung des Schnitzlerschen „Reigen". Die
präsidiums über diese Zeugen bezw diese Vor¬
Verhandlung findet im Schwurgerichtssaale statt,
fälle herbeizuschaffen. —
Staatsanwalt von
der sich bald mit zahlreichen Zuhörern, Zeugen
Bradtke widerspricht diesem Antrage. R.=A.
Wolfgang Heine weist darauf hin, daß an jenem
und Sachverständigen füllt. Die Anklage wird
Tage sogar Stinkbomben auf die Bühne ge¬
durch Staatsanw.=Rat v. Bradtke vertreten, die
worfen worden ien. Zu den Ruhestörern,
Verteidigung führen die Rechtsanw. Wolfgang
die verhaftet worden seien, habe u. a. auch
Heine, Justizrat Dr. Rosenberger und Rechtsanw.
die hier als Zeugin anwesende Frau Haupt¬
Neumond.
mann Möller gehört. Das Gericht setzt die Be¬
schlußfassung aus. Sodann beschließt das Ge¬
Die Vorgeschichte.
richt, am Sonntag, 6. November, mittags 12 Uhr,
eine gerichtliche Augenscheinseinnahme in Gestalt
Der Kampf hat bekanntlich schon eine lange
einer Separatvorstellung des „Reigens“ im Klei¬
Vorgeschichte. Er begann mit dem Zivilprozeß
nen Schauspielhause stattfinden zu lassen, zu der
der Direktion der Hochschule für Musik gegen die
sämtliche Zeugen und Sachverständigen unter
Direktion des Kleinen Schauspielhauses auf
Strafandrohung im Falle ihres Nichterscheinens
Unterlassung der Vorstellungen. Die Zivilkammer
geladen sind.
hatte damals zugunsten des Kleinen Schauspiel¬
hauses erkannt und die Schnitzlerschen Szenen
Es folgten dann die Angaben der einzelnen
nicht für unzüchtig, sondern für eine sittliche Tat
Angeklagten zu ihren Personalien.
erklärt. Gegen die Angeklagten war dann ein
Die Angeklagten werden durch die Anklage be¬
strafrechtliches Verfahren eingeleitet worden, sie
schuldigt der Erregung öffentlichen Aergernisses,
sind aber durch Beschluß vom 22. Juni außer
und zwar Frau Cysold (Berneis) und Sla¬
Verfolgung gesetzt worden; in dem Beschluß
dek der Anstiftung der Schauspieler zur Be¬
wurde aber zum Ausdruck gebracht, daß objektiv
gehung der Straftat unter Gewährung von Vor¬
eine Unzüchtigkeit in der Darstellung erblickt wer¬
teilen, und Regisseur Reusch wegen Beihilfe.
den könne. Die Angeklagten setzten aber die
Staatsanwalt von Bradtke stellt den An¬
Vorstellungen fort, weil sie ihr eigenes Urteil
trag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit wegen Ge¬
und das des Landgerichts in Zivilsachen sowie der
fährdung der Sittlichkeit. R.=A. Wolfgang
Sachverständigen für maßgebender erachteten als
Heine, ebenso der Angeklagte Sladek, wi¬
diesen Beschluß. Am 4. Januar, dem Tage nach
dersprechen. Nach kurzer Beratung beschließt das
der Entscheidung der Zivilkammer, war das erste
Gericht, den Antrag des Staatsanwalts abzuleh¬
Verfahren durch die Zentralstelle für Prüfung
nen, da von einer öffentlichen Verhandlung eine
unzüchtiger Darstellungen und Schriften (Prof.
Gefährdung der Sittlichkeit nicht zu erwarten ist.
Mrunner) eingeleitet worden, und neuerdingsist
— In der Vernehmung erklärt die Angetlagte
dann wieder ein Verfahren inszeniert worden,
Frau Eysoldt, daß sie jede strafbare Handlung
welches zur Anklage führte.
bestreiten und den Anwurf, etwas Unzüchtiges
Als Sachverständige sind vom Gericht lediglich
auf die Bühne gebracht zu haben, mit aller Ent¬
geleden Reg.=Rat Professor Brunner und Geh.
schiedenheit zurückweisen müsse. Sie habe sich
Reg.=Rat Professor Faßbender. Unter den von
lediglich von rein künstlerischen Motiven leiten
der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen, fast
lassen. — Der Vorsitzende erinnert daran, daß
ausschließlich ältere Damen, befinden sich eine
Schnitzler selbst im Jahre 1912 sich über die
Rektorin, eine Lehrerin u. a. Von der Verteidi¬
Aussichtslosigkeit
einer Aufführung geäußert
gung sind direkt als Sachverständige geladen:
habe. Frau Eysoldt erklärt dies damit,
Prof. Dr. Witkowski (Leipzig), Dr. Max Osborn,
seinergeit
daß
die
Zensur
bestand
Landgerichtsdirektor Geh. Justizrat Bock, Oberver¬
und Schnitzler offenbar mit Rücksicht auf diese
waltungsgerichtsrat Dr. Lindenau, Prof. Klahr,
von einer Aubsichtslosigkeit der Aufführung ge¬
Ludwig Sternaux. Regisseur Lindt, Oberregie¬
sprochen haben. Frau Eysoldt entwickelt sodann¬
rungsrat Dr. Bulke, Regisseur Dr. Heim, Thea¬
des längeren ihre künstlerischen Anschauungem
terdirektor Holländer, Dr. Hochdorf, Schriftsteller
welche sie veranlaßt hatten, den „Reigen“
auf¬
Artur Eloesser, Dr. Alfred Kerr, Redakteur Hup¬
zuführen.
feld, Direktor Robitschek, Prof. Bie, Gerhart
Hauptmann, Arthur Zapp, Maler Karl Walser,
Der Angeklagte Direktor Sladek erklärt in
Justizrat Dr. Lubczynski, Dr. Ludwig Fulda,
seiner Vernehmung, daß er von einer ungeheuren
Dr. Artur Wolff, Kapellmeister Meyrowitz, Frau
Erregung gepackt worden sei, als ihm vor einigen
Troisch, M. d. R., und Minna Cauer.
Wochen die Anklage zugestellt worden sei, die in
Nach Aufruf der Zeugen und Sachverständigen
einem Tone gehalten sei, der ihn auf die gleiche
gibt Rechtsanwalt Wolfgang Heine folgende Er¬
Stufe mit einem Veranstalter von schwulen Nackt¬
tänzen oder einem Leiter eines Bordells zu stellen
klärung ab: Die Angeklagten erbieten sich, für das
Gericht, die Zeugen und Sachverständigen eine
versucht. Seine Erregung habe sich gelegt, als
Separat orstellung des „Reigen“
er zu der Ueberzeugung kam, daß der Staats¬
im Kleinen
Schauspi lhause zu veranstalten, da das Gericht
anwalt nur das Werkzeug unverständiger und
die Aufführung größtenteils nicht gesehen hat.
irregeleiteter Menschen geworden war. Die mor¬
Wenn das Gericht dies beschließen würde,
gige Aufführung werde, so hoffe er bestimmt,
würde sich die ganze Zeugenvernehmung zum
auch den Herrn Staatsanwalt umstimmen und
größten Teil erübrigen.
ihn erkennen lassen, daß er sich auf einen Irrweg
Staatsanwalt von Bradke: Ich würde es auch
habe leiten lassen. Der jetzigen Ansicht des
für sehr wünschenswert halten, wenn das Gericht
Staatsanwalts stelle er das Urteil der Zivilkam¬
die Aufführung selbst sieht. Es würde sich dann
mer des Landgerichts III gegenüber.
Dieser
empfehlen, heute überhaupt nicht zu verhandeln,
ideale Schwung eines preußischen Richterkollegi¬
sondern erst nach der Aufführung.
ums, welches gegen den lauten Unfug der Straße
Zwischen den Verteidigern und den Angeklag¬
mutvoll auftrat, stellt ein Ruhmesblatt in der
ten einerseits und dem Gericht bezw. dem Staats¬
Geschichte der deutschen Rechtsprechung dar. Auch
anwalt andererseits entstehen nun längere Ver¬
dieser Angeklagte widerlegt in schwungvoller Rede
handlungen über den Termin der Vorstellung.
die Einwendungen, welche darauf basieren, daß
Als das Gericht dom neigi, die Separatvorstel¬
Schnitzler selbst eine Aufführung de Reigens für
lung am Sonntag vormittag um 9½ Uhr statt¬
unmöglich erklärt habe.
finden zu lassen, erklärt eine von der Staatsan¬
Nach weiteren Debatten einigte man sich dahin
waltschaft als Zeugin geladene ältere Dame, daß
und erhob zum Gerichtsbeschluß, morgen
sie dagegen protestieren müsse, daß der „Reigen“
(Sonntag), mittags 12 Uhr, eine Son¬
am Sonntag während des Gottesdienstes in den
“ im
dervorstellung des „Reigens
Kirchen stattfinde. Hierdurch werde das religiöse
Kleinen Schauspielhause stattfinden
Gefühl eines jeden Deutschen auf das tiefste ver¬
zu lassen. Diese Vorstellung stelle, wie der Vor¬
letzt. Sie selbst würde jedenfalls zu der Vor¬
sitzende ausführt, einen Lokaltermin dar und die
stellung nicht erscheinen. (Zuruf von der An¬
Zeugen, die zu der Aufführung nicht erscheinen¬
klagehan#„Gehen Sie lieber in die Kirche!")
machen sich strafbar.
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Der Ratupf am Schihiers „Reigen.
Vor der 6. Strafkammer des Landgerichts III
Rechtsanwalt Heine: Ich möchte bei dieser
unter Voysitz des Landgerichtsdirektors Brenn¬
Gelegenheit auf folgendes hinweisen und einen
Antrag stellen. Unter den hier erschienenen von
hausen(begann heute die Verhandlung gegen die
der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen befin¬
Direktorer Frau Eysold und Sladek sowie den
den sich mehrere, welche an den bekannten Lärm¬
Regisseurk=Reusch und zehn Schauspieler und
szenen im Kleinen Schauspielhaus anläßlich der
Schauspiclerinnen des „Kleinen Schauspielhauses
„Reigen“=Aufführung am 22. Februar d. J. be¬
teiligt gewesen und sogar verhaftet worden
wegen Erregung öffentlichen Aergernisses durch
waren. Ich bitte deshalb die Akten des Polizei¬
Darstellung des Schnitzlerschen „Reigen". Die
präsidiums über diese Zeugen bezw diese Vor¬
Verhandlung findet im Schwurgerichtssaale statt,
fälle herbeizuschaffen. —
Staatsanwalt von
der sich bald mit zahlreichen Zuhörern, Zeugen
Bradtke widerspricht diesem Antrage. R.=A.
Wolfgang Heine weist darauf hin, daß an jenem
und Sachverständigen füllt. Die Anklage wird
Tage sogar Stinkbomben auf die Bühne ge¬
durch Staatsanw.=Rat v. Bradtke vertreten, die
worfen worden ien. Zu den Ruhestörern,
Verteidigung führen die Rechtsanw. Wolfgang
die verhaftet worden seien, habe u. a. auch
Heine, Justizrat Dr. Rosenberger und Rechtsanw.
die hier als Zeugin anwesende Frau Haupt¬
Neumond.
mann Möller gehört. Das Gericht setzt die Be¬
schlußfassung aus. Sodann beschließt das Ge¬
Die Vorgeschichte.
richt, am Sonntag, 6. November, mittags 12 Uhr,
eine gerichtliche Augenscheinseinnahme in Gestalt
Der Kampf hat bekanntlich schon eine lange
einer Separatvorstellung des „Reigens“ im Klei¬
Vorgeschichte. Er begann mit dem Zivilprozeß
nen Schauspielhause stattfinden zu lassen, zu der
der Direktion der Hochschule für Musik gegen die
sämtliche Zeugen und Sachverständigen unter
Direktion des Kleinen Schauspielhauses auf
Strafandrohung im Falle ihres Nichterscheinens
Unterlassung der Vorstellungen. Die Zivilkammer
geladen sind.
hatte damals zugunsten des Kleinen Schauspiel¬
hauses erkannt und die Schnitzlerschen Szenen
Es folgten dann die Angaben der einzelnen
nicht für unzüchtig, sondern für eine sittliche Tat
Angeklagten zu ihren Personalien.
erklärt. Gegen die Angeklagten war dann ein
Die Angeklagten werden durch die Anklage be¬
strafrechtliches Verfahren eingeleitet worden, sie
schuldigt der Erregung öffentlichen Aergernisses,
sind aber durch Beschluß vom 22. Juni außer
und zwar Frau Cysold (Berneis) und Sla¬
Verfolgung gesetzt worden; in dem Beschluß
dek der Anstiftung der Schauspieler zur Be¬
wurde aber zum Ausdruck gebracht, daß objektiv
gehung der Straftat unter Gewährung von Vor¬
eine Unzüchtigkeit in der Darstellung erblickt wer¬
teilen, und Regisseur Reusch wegen Beihilfe.
den könne. Die Angeklagten setzten aber die
Staatsanwalt von Bradtke stellt den An¬
Vorstellungen fort, weil sie ihr eigenes Urteil
trag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit wegen Ge¬
und das des Landgerichts in Zivilsachen sowie der
fährdung der Sittlichkeit. R.=A. Wolfgang
Sachverständigen für maßgebender erachteten als
Heine, ebenso der Angeklagte Sladek, wi¬
diesen Beschluß. Am 4. Januar, dem Tage nach
dersprechen. Nach kurzer Beratung beschließt das
der Entscheidung der Zivilkammer, war das erste
Gericht, den Antrag des Staatsanwalts abzuleh¬
Verfahren durch die Zentralstelle für Prüfung
nen, da von einer öffentlichen Verhandlung eine
unzüchtiger Darstellungen und Schriften (Prof.
Gefährdung der Sittlichkeit nicht zu erwarten ist.
Mrunner) eingeleitet worden, und neuerdingsist
— In der Vernehmung erklärt die Angetlagte
dann wieder ein Verfahren inszeniert worden,
Frau Eysoldt, daß sie jede strafbare Handlung
welches zur Anklage führte.
bestreiten und den Anwurf, etwas Unzüchtiges
Als Sachverständige sind vom Gericht lediglich
auf die Bühne gebracht zu haben, mit aller Ent¬
geleden Reg.=Rat Professor Brunner und Geh.
schiedenheit zurückweisen müsse. Sie habe sich
Reg.=Rat Professor Faßbender. Unter den von
lediglich von rein künstlerischen Motiven leiten
der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen, fast
lassen. — Der Vorsitzende erinnert daran, daß
ausschließlich ältere Damen, befinden sich eine
Schnitzler selbst im Jahre 1912 sich über die
Rektorin, eine Lehrerin u. a. Von der Verteidi¬
Aussichtslosigkeit
einer Aufführung geäußert
gung sind direkt als Sachverständige geladen:
habe. Frau Eysoldt erklärt dies damit,
Prof. Dr. Witkowski (Leipzig), Dr. Max Osborn,
seinergeit
daß
die
Zensur
bestand
Landgerichtsdirektor Geh. Justizrat Bock, Oberver¬
und Schnitzler offenbar mit Rücksicht auf diese
waltungsgerichtsrat Dr. Lindenau, Prof. Klahr,
von einer Aubsichtslosigkeit der Aufführung ge¬
Ludwig Sternaux. Regisseur Lindt, Oberregie¬
sprochen haben. Frau Eysoldt entwickelt sodann¬
rungsrat Dr. Bulke, Regisseur Dr. Heim, Thea¬
des längeren ihre künstlerischen Anschauungem
terdirektor Holländer, Dr. Hochdorf, Schriftsteller
welche sie veranlaßt hatten, den „Reigen“
auf¬
Artur Eloesser, Dr. Alfred Kerr, Redakteur Hup¬
zuführen.
feld, Direktor Robitschek, Prof. Bie, Gerhart
Hauptmann, Arthur Zapp, Maler Karl Walser,
Der Angeklagte Direktor Sladek erklärt in
Justizrat Dr. Lubczynski, Dr. Ludwig Fulda,
seiner Vernehmung, daß er von einer ungeheuren
Dr. Artur Wolff, Kapellmeister Meyrowitz, Frau
Erregung gepackt worden sei, als ihm vor einigen
Troisch, M. d. R., und Minna Cauer.
Wochen die Anklage zugestellt worden sei, die in
Nach Aufruf der Zeugen und Sachverständigen
einem Tone gehalten sei, der ihn auf die gleiche
gibt Rechtsanwalt Wolfgang Heine folgende Er¬
Stufe mit einem Veranstalter von schwulen Nackt¬
tänzen oder einem Leiter eines Bordells zu stellen
klärung ab: Die Angeklagten erbieten sich, für das
Gericht, die Zeugen und Sachverständigen eine
versucht. Seine Erregung habe sich gelegt, als
Separat orstellung des „Reigen“
er zu der Ueberzeugung kam, daß der Staats¬
im Kleinen
Schauspi lhause zu veranstalten, da das Gericht
anwalt nur das Werkzeug unverständiger und
die Aufführung größtenteils nicht gesehen hat.
irregeleiteter Menschen geworden war. Die mor¬
Wenn das Gericht dies beschließen würde,
gige Aufführung werde, so hoffe er bestimmt,
würde sich die ganze Zeugenvernehmung zum
auch den Herrn Staatsanwalt umstimmen und
größten Teil erübrigen.
ihn erkennen lassen, daß er sich auf einen Irrweg
Staatsanwalt von Bradke: Ich würde es auch
habe leiten lassen. Der jetzigen Ansicht des
für sehr wünschenswert halten, wenn das Gericht
Staatsanwalts stelle er das Urteil der Zivilkam¬
die Aufführung selbst sieht. Es würde sich dann
mer des Landgerichts III gegenüber.
Dieser
empfehlen, heute überhaupt nicht zu verhandeln,
ideale Schwung eines preußischen Richterkollegi¬
sondern erst nach der Aufführung.
ums, welches gegen den lauten Unfug der Straße
Zwischen den Verteidigern und den Angeklag¬
mutvoll auftrat, stellt ein Ruhmesblatt in der
ten einerseits und dem Gericht bezw. dem Staats¬
Geschichte der deutschen Rechtsprechung dar. Auch
anwalt andererseits entstehen nun längere Ver¬
dieser Angeklagte widerlegt in schwungvoller Rede
handlungen über den Termin der Vorstellung.
die Einwendungen, welche darauf basieren, daß
Als das Gericht dom neigi, die Separatvorstel¬
Schnitzler selbst eine Aufführung de Reigens für
lung am Sonntag vormittag um 9½ Uhr statt¬
unmöglich erklärt habe.
finden zu lassen, erklärt eine von der Staatsan¬
Nach weiteren Debatten einigte man sich dahin
waltschaft als Zeugin geladene ältere Dame, daß
und erhob zum Gerichtsbeschluß, morgen
sie dagegen protestieren müsse, daß der „Reigen“
(Sonntag), mittags 12 Uhr, eine Son¬
am Sonntag während des Gottesdienstes in den
“ im
dervorstellung des „Reigens
Kirchen stattfinde. Hierdurch werde das religiöse
Kleinen Schauspielhause stattfinden
Gefühl eines jeden Deutschen auf das tiefste ver¬
zu lassen. Diese Vorstellung stelle, wie der Vor¬
letzt. Sie selbst würde jedenfalls zu der Vor¬
sitzende ausführt, einen Lokaltermin dar und die
stellung nicht erscheinen. (Zuruf von der An¬
Zeugen, die zu der Aufführung nicht erscheinen¬
klagehan#„Gehen Sie lieber in die Kirche!")
machen sich strafbar.